Viele IT-Organisationen werden aktuell nicht mehr als Kostenfaktor und reine Support-Funktion wahrgenommen, beobachtet Markus Matschi von der Managementberatung 4C GROUP. Dazu beigetragen habe nicht zuletzt der Digitalisierungsschub während der Covid-Pandemie. Doch trotz dieser Fortschritte sei die Frage nach dem Wertbeitrag der IT in den meisten Organisationen nicht klar beantwortet. "Durch die steigende Relevanz und Wertschöpfung der IT in Unternehmen ist es für CIOs essenziell, nicht in Kosten, sondern in Wertbeiträgen zu denken", argumentiert der Berater.
In einer gemeinsamen Studie mit Prof. Dr. Markus Westner und Tobias Held von der Fakultät Informatik und Mathematik an der OTH Regensburg gehen die 4C-Experten dem Thema auf den Grund. Im Mittelpunkt steht die Frage: Wie lässt sich der IT-Wertbeitrag messen, sichtbar machen und kommunizieren? Aus vielen Gesprächen mit CIOs und aktuellen Daten entwickelten sie ein Vorgehensmodell für die Praxis.
CIO-Erfahrungen und wissenschaftliche Erkenntnisse
"Für die Entwicklung eines praktikablen Ansatzes war uns wichtig, die aktuellen Herausforderungen der CIOs zusammen mit wissenschaftlichen Erkenntnissen zu verstehen und diese zu integrieren", erläutert Martin Stephany, ebenfalls Berater bei der 4C GROUP. Obwohl die Diskussion sowohl in der Wissenschaft als auch in der Praxis schon lange geführt werde, sei man sich häufig noch nicht einmal über die Grundlagen einig. Westner ergänzt: "Das fängt schon damit an, dass der IT-Wertbeitrag divers definiert ist und in Unternehmen kein einheitliches Verständnis oder eine Definition darüber vorliegt."
Weil der Wert- und Innovationsbeitrag oft unklar sei, nähmen Mitarbeitende aus Fachabteilungen die IT als Blackbox wahr und könnten nicht immer beurteilen, was sie leiste und welcher Mehrwert damit einhergehe. Das sei auch ein Grund dafür, dass manche Unternehmen einen Chief Digital Officer (CDO) berufen, der die "Wertbeitragslücke zwischen Business und IT" schließen solle.
Die IT müsse es schaffen, den Fachbereichen und dem Management-Team ihre Möglich-keiten und den Mehrwert aufzuzeigen, fordert Heiko Weigelt, CIO der Funke Mediengruppe. Weil der Wertbeitrag der IT durch die jeweiligen Stakeholder bestimmt werde und nicht durch die IT selbst, sei Transparenz und Verständnis in beide Richtungen notwendig, folgern die Berater.
Eine Herausforderung für die Ermittlung des Wertbeitrags ist die Auswahl passender Kennzahlen. IT-Abteilungen verwenden heute laut Studie primär technische und IT-bezogene Messgrößen. Das sei zwar legitim, doch auf diese Weise gebe es keinen direkten Bezug zum Business.
Sowohl in der IT als auch in den Fachbereichen fehle zudem oft eine Affinität zu aussagekräftigen KPIs, meint Jürgen Stoffel, CIO bei Hannover Re. Deshalb würden in der Praxis nur wenige für beide Seiten passende Metriken gefunden. Die Folge: Der IT-Wertbeitrag sei oft nicht sichtbar.
"Ein mit dem Business abgestimmtes und durchgängiges Metrikenportfolio wäre hilfreich", sagt Thomas Kleine, CIO von Pfizer Deutschland, dazu. Tobias Held von der OTH Regensburg, fordert: "Unternehmen müssen von rein technischen Kennzahlen loskommen und sowohl quantitative als auch qualitative Metriken mit Geschäftsbezug entwickeln."
IT-Wertbeitrag messen und kommunizieren in 6 Schritten
Um auf diesem Weg voranzukommen, entwickelten die Berater ein Vorgehensmodell mit mehreren Entwicklungs- und Evaluierungsphasen. Sie nutzten dazu nicht nur aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse, sondern sprachen auch mit CIOs. Darüber hinaus testeten sie das Konzept in einem deutschen Maschinenbauunternehmen. So entstand ein Vorgehensmodell aus sechs Schritten, mit dem sich der IT-Wertbeitrag messen und kommunizieren lassen soll.
Schritt 1: Analyse der Geschäftsziele und des Geschäftsumfelds
Viele CIOs starten mit eigenen Metriken, ohne zu wissen, was dem Business wichtig ist, monieren die Berater. Aus ihrer Sicht sollten die IT-Chefs im ersten Schritt aber die Geschäftsziele sowie das Geschäftsumfeld anschauen: "Ohne die Ziele des Unternehmers und die Markttrends zu kennen, ist es schwierig einen Mehrwert als IT zu schaffen."
Schritt 2: Analyse der Stakeholder
Der nächste wichtige Schritt ist die gründliche Analyse der Stakeholder. Sie sollte idealerweise fortlaufend im Sinne eines Stakeholder Management organisiert sein. Dabei gilt es für CIOs, wichtige Stakeholder zu identifizieren und zu priorisieren. Anschließend sollten sie einzeln mit diesen reden und herausfinden, was ihre Ziele sind und wo die IT unterstützen kann. "CIOs sollten in diesen Gesprächen als Partner der Stakeholder auftreten", empfiehlt Berater Stephany. Die Kernfrage müsse lauten: "Wie kann die IT einen Mehrwert schaffen, so dass wir zusammen besser werden?"
Schritt 3: Modellieren der Business Capabilities
Um eine gemeinsame Diskussionsgrundlage zu schaffen, braucht es mehr Transparenz an der Schnittstelle zwischen Business und IT, erklären die Studienautoren. Als Ausgangspunkt könnten Business Capabilities dienen, die in einer Business Capability Map (BCM) strukturiert werden. Dabei dreht sich alles um die Fragen: Was macht das Unternehmen heute und wo liegen seine zukünftigen Potenziale? "Die BCM kann das zentrale Tool für die Diskussionen mit Stakeholder sein", erläutert Matschi. Auf diese Weise könnten Unternehmen für sich herausfinden, welche Business Capabilities differenzierend sind und wie die IT diese unterstützen kann.
Schritt 4: Modellieren der Business-IT-Beziehungen
Auf Basis der BCM lassen sich Abhängigkeiten und Beziehungen zwischen Business und IT sichtbar machen. CIOs können demonstrieren, wie und wo ihre IT heute und zukünftig konkret unterstützt. Das dient als Ausgangspunkt für das Messen des IT-Wertbeitrags. "Auf diese Weise wird maximale Transparenz geschafft und die 'IT Black Box' gelöst", argumentieren die Berater.
Christian Büchner, CIO von SachsenEnergie, hat bereits Erfahrungen mit der BCM gesammelt: "Bei SachsenEnergie arbeiten wir mit einer BCM, die nach Fachbereichen geordnet ist und in der all unsere über 600 Anwendungen, sprich IT Capabilities, nach diesen Business Capabilities zugeordnet sind." Einen ähnlichen Weg geht Christian Graf, CIO bei Schüco. Entlang der digitalen Customer Journey werden die Berührungspunkte mit der IT abgebildet und gemanaged.
Schritt 5: Messen des Wertbeitrags
"Wir haben in unseren Gesprächen und aus wissenschaftlichen Erkenntnissen gelernt, dass es keine pauschale, standardisierte Messung mit definitiven Kennzahlen gibt", berichtet Matschi. "Jede Messung ist individuell und abhängig vom Stakeholder und dem betrachteten Geschäftsszenario."
Vor diesem Hintergrund entwickelten die Berater eine "3 x 3 Matrix", die nach IT-orientierten und business-orientierten Kennzahlen strukturiert ist (siehe Grafik). Dargestellt sind sowohl quantitative als auch qualitative Messansätze, um den Wertbeitrag jeweils individuell für einen Stakeholder oder ein Geschäftsszenario zu messen. Je nach Schwerpunkt der Tätigkeit (Operation, Projekte, Innovation) und Business Architektur (IT Capabilities, Business Capabilities, Business-Ziele) lassen sich damit verschiedene Mehrwert-Typen ableiten, hinter denen bestimmte Metriken stecken. Die Grafik zeigt die Struktur und Beispiele für Messwerte.
Wo die Hürden in der Messung liegen, wurde in Gesprächen mit den CIOs deutlich. Besonders schwierig zu messen ist der IT-Wertbeitrag beispielsweise im täglichen Betrieb ("Run-the-business"), hier insbesondere im Bereich "Commodity IT Services" mit Diensten wie Workplace oder Network, berichtet Holger Blumberg, CIO beim Maschinenbauer Krones.
Schritt 6: Planung der Kommunikation
Ist der Wertbeitrag in den jeweiligen Ausprägungen identifiziert, kommt es im nächsten Schritt auf eine gut geplante Kommunikation an. CIOs sollten dabei überlegen, wen sie mit welchen Informationen versorgen wollen. Erfolgsentscheidend aus Sicht der 4C-Berater ist auch die Darstellungsform, die beispielsweise bei qualitativen Metriken anders aussehen muss als bei quantitativen.
Um mehr Sichtbarkeit in Sachen Wertbeitrag zu bekommen, und um herauszufinden, wo die IT noch besser unterstützen kann, gehen CIOs unterschiedliche Wege. Thomas Kleine von Pfizer Deutschland etwa hat "IT Ambassadors" in den Fachbereichen eingeführt, die bei der Kommunikation unterstützen. Christian Büchner, CIO von SachsenEnergie, setzt auf die zusätzliche Rolle des Demand Managers. Er versteht darunter IT-Mitarbeiter mit Business-Skills, die als Schnittstelle zwischen IT und Business fungieren und sich um die "Demands" und die Kommunikation mit dem Fachbereich kümmern.
Fazit und Lessons Learned
Nach einer mehrmonatigen Studie und einem erfolgreich getesteten Modell ziehen die Initiatoren ein positives Fazit. Gespräche mit CIOs hätten gezeigt, dass das Vorgehensmodell in der Praxis anwendbar sei. So berichtet Krones-CIO Blumberg, der mit seinem Team das Modell als Praxispartner mitentwickelte, von einer gelungenen Pilotierung und Erfolgen in der Zusammenarbeit mit den Stakeholdern.
Darüber hinaus habe die Erhebung eine Reihe weiterer nützlicher Ergebnisse gebracht, die dabei helfen könnten, den IT-Wertbeitrag "greifbarer" zu machen, ergänzen Matschi und Held:
1.Was ist der IT Business Value?
Dahinter steckt kein einzelner Wert, sondern ein Konglomerat von Metriken. Diese können qualitativer oder quantitativer Art sein und zeigen letztlich an, wie zufrieden die Stakeholder in den Fachbereichen mit der IT sind.
2. Wie lässt sich der IT Business Value messen?
Es kommt darauf an, Fakten mit Wahrnehmungen zu verbinden, betonen die Studienautoren. Quantitative und qualitative Metriken würden in Dimensionen gemessen, die für die jeweiligen Stakeholder auch tatsächlich relevant seien.
3. Was zeigt der IT Business Value?
Unterm Strich geht es um einen gemeinsamen Erfolg über Abteilungsgrenzen hinweg. Sowohl IT- als auch Fachbereiche sollen erkennen können, wie sich IT auf die Business Performance auswirkt.
4. Wie hoch ist der Anteil der IT am Unternehmenserfolg?
Weder die IT noch die Fachabteilungen könnten allein Werte schaffen, resümieren die Studienautoren. Am Ende zähle die Kombination aus IT- und organisatorischen Fähigkeiten.