Welchen Nutzen bringt der Aufbau einer nachhaltig orientierten IT? Welche Maßnahmen ergreifen CIOs und IT-Manager und wovon hängt der Erfolg in der praktischen Umsetzung ab? Mit diesen Fragen beschäftigt sich die Studie "Nutzen und Erfolgsfaktoren von Sustainable IT", die das Beratungsunternehmen 4C Group gemeinsam mit der Universität Koblenz erstellt hat. Befragt wurden dazu 20 CIOs und Sustainable-IT-Manager aus sechs europäischen Ländern, die meisten davon stammen aus deutschen Unternehmen.
Die Chancen, die sich durch Sustainable IT ergeben, sind vielschichtig, erläutern die Studienautoren um Markus Matschi und Franziska Khamvongsa. Sie reichten von Kosteneinsparungen bis hin zu handfesten Wettbewerbsvorteilen.
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Die IT-Chefs könnten jedoch auch persönlich profitieren, indem sie ihre Sichtbarkeit und Reputation im Unternehmen verbessern und neue Karrieremöglichkeiten schaffen. Eine klare Strategie in Sachen Nachhaltigkeit helfe schließlich auch der IT-Organisation: Sie werde als verantwortungsvoll und zukunftsorientiert wahrgenommen und könne ihr Profil als "Enabler" schärfen.
Neue Herausforderungen für CIOs und IT-Manager
Mit dem wachsenden Bewusstsein für Nachhaltigkeit und Unternehmensverantwortung stehen IT-Führungskräfte vor neuen Herausforderungen. "IT-Organisationen vom Großkonzern bis zum Mittelstand sind nicht mehr nur für die technologische Effizienz, sondern auch für ökologische und soziale Aspekte verantwortlich", beobachtet Rainer Karcher, Chief Sustainability Officer & Board Member von SustainableIT.org.
Vor allem in Großunternehmen entsteht die neue Rolle des Sustainable-IT- beziehungsweise IT-Sustainability-Managers. Sie soll nachhaltige Praktiken in der IT-Organisation etablieren und dabei eng mit der Geschäftsleitung und anderen Stakeholdern zusammenarbeiten.
Sustainability in der IT und durch IT
Generell unterscheiden die Autoren zwischen "Sustainability in IT" und "Sustainability by IT". Erstere bezieht sich auf die Integration von nachhaltigen Praktiken und Maßnahmen innerhalb der IT-Organisation. Es geht also darum, umweltfreundliche Technologien und Prozesse zu nutzen, die Energieeffizienz zu verbessern und den ökologischen Fußabdruck der IT-Infrastruktur zu minimieren. Ein Beispiel dafür ist, Rechenzentren zu konsolidieren, um den Energie- und Ressourcenverbrauch zu reduzieren.
Sustainability by IT dreht sich um die Frage, wie die IT das gesamte Unternehmen, seine Prozesse und die Gesellschaft nachhaltiger machen kann. Es geht um IT-Systeme und Technologien, die nachhaltiges Wirtschaften unterstützen, soziale Verantwortung fördern und dabei helfen, ökonomische, ökologische und soziale Ziele zur erreichen. Eine intelligente Energiemanagement-Plattform kann es beispielsweise ermöglichen, den Energieverbrauch im Unternehmen zu optimieren und damit sowohl Kosten als auch CO2-Emmissionen zu reduzieren.
Die meisten Unternehmen stehen noch am Anfang
Trotz der gewachsenen Bedeutung des Themas stehen die meisten Unternehmen in Sachen Sustainable IT offenbar noch ganz am Anfang. Der Reifegrad, bezogen auf die Umsetzung einschlägiger Maßnahmen, ist der Studie zufolge gering. Organisationen mit einem mittleren bis hohen Reifegrad bilden die Ausnahme.
Die Vorreiter beschäftigen sich in der Regel schon seit mehreren Jahren mit dem Thema und haben entsprechende Prioritäten gesetzt. "IT Sustainability braucht Zeit, um zu wachsen", berichtet Philipp Sattlecker, IT Sustainability Strategy Manager bei Siemens. "Ein schrittweiser Einstieg, die Einbindung aller Mitarbeitenden sowie die Unterstützung aus dem IT-Management sind entscheidende Erfolgsfaktoren, um Nachhaltigkeit in der IT-Strategie zu verankern."
Auch ausgewiesene Nachhaltigkeits-Teams oder dedizierte Rollen kommen in der Praxis noch selten vor, so die Studienautoren. In kleineren Unternehmen mit überschaubaren Strukturen werde die Rolle des IT-Sustainable-Managers nicht unbedingt als eigenständige Position wahrgenommen. Firmen ohne solche Rollen steuerten nachhaltige IT-Praktiken allein über die Governance, beispielsweise in Form von KPIs für eine nachhaltige Beschaffung.
Wie wichtig die organisatorische Platzierung des Themas im Unternehmen ist, erklärt Ulrich Irnich, ehemaliger CIO von Vodafone: "Nachhaltigkeit muss in der DNA liegen. Es ist wichtig, dass nachhaltige Praktiken fest in der Organisationskultur verankert sind und nicht als separate Einheit betrachtet werden." Eine dedizierte Funktion oder Rolle für Sustainable IT könne dabei als Katalysator dienen.
Sustainability und IT - die wichtigsten Maßnahmen
Geht es um "Sustainability in IT", haben Unternehmen aktuell vor allem fünf Handlungsfelder im Blick:
Ressourcenoptimierung und Technologien: Hier geht es beispielsweise darum, die Temperatur in Rechenzentren zu erhöhen, deren Abwärme zu nutzen oder ungenutzte Applikationen und Server abzuschalten.
Arbeitsorganisation und Bewusstseinsbildung: Dazu gehören unter anderem Schulungen und Zertifizierungen für Mitarbeiter, ein "Digital Clean Up Day" und Maßnahmen, um die Geschlechtergleichheit in der IT-Organisation zu fördern.
Nachhaltige Beschaffung: Unternehmen wählen beispielsweise Lieferanten nach Nachhaltigkeitsmerkmalen aus und fordern ein Nachhaltigkeits-Reporting und entsprechende Kennzahlen.
Kooperationen und Partnerschaften: Hier geht es unter anderem um gemeinsame Projekte mit Forschungsinstituten, aber auch um Partnerschaften mit gemeinnützigen Organisationen und Umweltverbänden.
Governance & Nachhaltigkeitsmanagement: Etliche Unternehmen arbeiten daran, ihre IT-Projektmanagement-Methoden nachhaltig zu gestalten. Sie automatisieren etwa die Datenintegration für ein ESG-Reporting und bewerten Produkte entlang eines Lifecycle Assessments.
Sustainable IT - die größten Herausforderungen
Wie komplex es sein kann, nachhaltige Praktiken einzuführen, zeigen die Erfahrungen der befragten IT-Chefs und Sustainability-Manager. Den meisten fällt es schwer, die richtigen Themen innerhalb der IT-Organisation auszuwählen und zu priorisieren (siehe Grafik).
Eine nachhaltige IT ist in der Regel ein unternehmensweites Vorhaben, an dem je nach Projekt mehrere Unternehmensbereiche arbeiten, erläutern die Studienautoren. Koordiniert zusammenzuarbeiten und das Thema ganzheitlich zu integrieren stellten die Verantwortlichen vor besondere Herausforderungen.
Probleme bereitet häufig auch, den Erfolg zu messen. Geeignete Messgrößen und Indikatoren zu finden, ist in der Praxis kein leichtes Unterfangen. Fehlendes Fachwissen führt dazu, dass neue Initiativen und Projekte eine längere Vorlaufzeit brauchen.
Wie Unternehmen von Sustainable IT profitieren
Wer die Hürden auf dem Weg zur Sustainable IT überwindet, kann auf vielfältige Weise profitieren. Zu den größten "Benefits" zählen die Studienteilnehmer niedrigere Kosten durch mehr Energieeffizienz und einen optimierten Ressourceneinsatz. Ebenso wichtig sind reduzierte CO2-Emissionenen und Umweltauswirkungen, beispielsweise durch weniger Elektroschrott.
Geht die IT-Organisation in Sachen Nachhaltigkeit mit gutem Beispiel voran, wird sie häufiger als Innovationstreiber wahrgenommen. Ihr strategischer Einfluss wächst. Darüber hinaus können sich Unternehmen mit dem Thema Wettbewerbsvorteile erschließen und ihr Image aufpolieren.
Dieser Faktor spielt auch im Wettbewerb um neue Mitarbeitende eine Rolle. Nachhaltige IT-Praktiken können die Arbeitszufriedenheit steigern. Maßnahmen wie Inklusion dämpften den Fachkräftemangel, erläutert Martin Stephany von der 4C Group. Nicht zuletzt geht es oft schlicht darum, regulatorische Vorgaben im Bereich Nachhaltigkeit und Reporting einzuhalten.
Die Top 3 Erfolgsfaktoren auf dem Weg zur nachhaltigen IT
Entscheider, die eine Sustainable IT im Unternehmen etablieren wollen, sollten vor allem drei Erfolgsfaktoren im Auge behalten, empfehlen die Studienautoren:
die Unterstützung durch das Topmanagement,
den kulturellen Wandel sowie
das Thema Baselining und Messung.
Das obere Management müsse die Relevanz des Themas erkennen und die erforderlichen Ressourcen zu Verfügung stellen, lautet die zentrale Forderung. Das Einführen einer Sustainable IT sollte als strategische Initiative im gesamten Unternehmen begriffen werden.
Ebenso wichtig ist aus Sicht der Befragten ein effektives Change-Management. Es gehe darum, Mitarbeitende zu sensibilisieren, zu schulen und zu motivieren. Nur wenn sie aktiv in den Veränderungsprozess eingebunden seien, ließen sich nachhaltige Praktiken unternehmensweit einführen und aufrechterhalten.
Erfolgskritisch sind schließlich auch klare Ziele und Kennzahlen. Sie ermöglichen es, den Fortschritt und die Auswirkungen nachhaltiger IT-Maßnahmen zu bewerten. Dabei sollte ein fundiertes Baselining den Ausgangspunkt regelmäßiger Messungen bilden. In der Praxis haben sich etwa Dashboards bewährt, mit denen sich Fortschritte über einen längeren Zeitraum hinweg verfolgen lassen. (jd)