Nicht nur das Anheuern und Binden von Talenten, sondern auch der Aufbau eines Nachfolgers zählen zu den Aufgaben eines CIO. Meist aber kümmern sich IT-Chefs lediglich um ein bis zwei potenzielle Nachrücker, beobachtet Diane Berry, Analystin bei Gartner. Sie hält das für zu kurz gegriffen. CIOs sollten auch zwei bis drei Ebenen weiter unten geeignete Kandidaten heranziehen, so Berrys Rat.
Ein positives Beispiel dafür liefert Sam Lamonica, vormals CIO bei Rosendin Electric. Er hat eine Art "Familienstammbaum" geeigneter IT-Führungskräfte aufgebaut. 15 Monate bevor Lamonica in den Ruhestand wechselte, präsentierte er mit Matt Lamb seinen Nachfolger. Lamonica entschied sich für ihn, weil Lamb die größten kommunikativen Fehigkeiten zeigte.
Das heißt in der Praxis: Lamonica fordert von einem CIO, aktiv auf Senior Leader aus anderen Abteilungen zuzugehen und mit ihnen zu kooperieren. Diese Fähigkeit baut Lamb in Führungskräfte-Trainings weiter aus. Der scheidende Rosendin Electric-CIO legt viel Wert auf Kommunikation, deshalb sollte auch seine Entscheidung so transparent wie möglich sein, betont er.
So sieht es auch Bernie Gracy, Chief Digital Officer bei Agero. Er teilt seine IT-Mitarbeiter in drei Kategorien ein: schon bereit als Nachfolger, bereit in ein bis zwei Jahren, Potenzial in mehr als zwei Jahren. Fachlich verlangt Gracy von seinen Leuten Kenntnisse in Cloud, Mobile, künstlicher Intelligenz und Machine Learning sowie ein grundsätzliches Verständnis für das Zusammenspiel von Business und IT.
In Sachen Social Skills verlangt er nicht nur firmeninterne Kollaboration. Gracy schickt potenzielle Nachfolger in Kundenunternehmen, damit sie sich mit den dortigen Entscheidern über Best Practices austauschen und deren Bedürfnisse verstehen. Außerdem erwartet er, dass sie zum Beispiel auf Branchentreffen Vorträge halten. "CIOs und Chief Technology Officer müssen Storyteller sein", so Gracy. Die emotionale Intelligenz sei der entscheidende Faktor.
Carhartt-CIO John Hill sagt über sich selbst: "Es ist mein Job, jedem zu helfen, der CIO werden will." Er nehme sogar in Kauf, dass sich eigene Mitarbeiter wegbewerben. Insbesondere ermutigt er Kandidaten zur Zusammenarbeit mit Chief Financial Officers (CFO) und Chief Operational Officers (COO) in abteilungsübergreifenden Projekten.
Was einen guten von einem sehr guten Chef unterscheidet
Zweimal pro Jahr setzt sich Hill mit den Mitarbeitern, die an ihn berichten, zusammen und entwickelt eine Strategie und Vision für die Abteilung. Ihn interessiert, wie diese Direct Reports von ihren Team-Mitgliedern gesehen werden. Von einer Führungskraft erwartet er Integrität und Leidenschaft für den Job. Der Punkt, der einen guten IT-Chef von einem sehr guten unterscheidet, ist aber die Fähigkeit, sämtliche Projekte und Initiativen gleichzeitig im Blick zu haben - und deren Wirkung auf das Unternehmen.
Gartner-Analystin Berry leitet aus den Branchenstimmen vier Ratschläge ab:
1. Mit der Personalabteilung zusammenarbeiten: CIOs sollten sich mit HR (Human Resources) kurzschließen und etwa Leadership-Coaching einfordern. Zu klären sei, welche Rollen das Unternehmen jetzt und in Zukunft besetzen muss.
2. Die potenziellen Führungsperson einordnen: Berry rät, sich am "Nine Box-Grid"-Ansatz zu orientieren. Dieser teilt die Mitarbeiter nach Potenzial ein (hoch, mittel, niedrig) und nach Performance (unterdurchschnittlich, im Schnitt, herausragend).
3. Talent einschätzen: CIOs müssen Methoden zur Hand haben, um vorhandene und fehlende Skills aufzudecken. Lücken müssen durch Trainings geschlossen werden.
4. Talent kontinuierlich weiterentwickeln: IT-Entscheider müssen die eigenen Metriken alle zwölf bis 18 Monate auf Gültigkeit überprüfen. Und: sie müssen dafür sorgen, dass vereinbarte Ziele eingehalten werden. (cp)