Robotic Process Automation

Wie CIOs RPA-Projekte stemmen können

09.07.2018 von Wolfgang Herrmann
Von Robotic Process Automation (RPA) erhoffen sich Unternehmen effizientere Prozesse und sinkende Kosten. In der praktischen Umsetzung müssen sie nicht nur technische, sondern auch organisatorische Hürden nehmen.

Die Versprechen der Anbieter von RPA-Software klingen verlockend. Organisationen aller Art könnten damit klassische regelbasierte Geschäftsprozesse weitgehend automatisieren, ist in den Marketingbroschüren zu lesen. Mitarbeiter hätten in der Folge mehr Zeit für "höherwertige" Aufgaben. Was genau sich hinter dem Begriff verbirgt und welchen Aufwand Unternehmen dafür betreiben müssen, bleibt häufig nebulös.

Eine skalierbare RPA-Umgebung aufzusetzen, kann zu einem komplexen Unterfangen geraten.
Foto: Phonlamai Photo - shutterstock.com

Mit Hilfe von RPA können Unternehmen eine Robotic-Software so konfigurieren, dass sie bestimmte Aufgaben automatisiert und über verschiedene Anwendungen hinweg ausführt, erläutert das amerikanische Institute for Robotic Process Automation and Artificial Intelligence. Der Softwareroboter "bedient" dazu vorhandene Applikationen und führt auf diese Weise systemübergreifend Transaktionen aus, bearbeitet Datenbestände oder stößt die Kommunikation mit anderen digitalen Systemen an.

Der Begriff "Automatisierung" stiftet in diesem Kontext nicht selten Verwirrung und führt dazu, dass RPA mit Machine Learning (ML) und Künstlicher Intelligenz (KI) gleichgesetzt wird. Tatsächlich kann ein RPA-System zwar KI- oder ML-Komponenten enthalten, wird aber grundsätzlich von vorher festgelegten (Geschäfts-)Regeln und strukturierten Inputs gesteuert. Im Gegensatz zu KI-Systemen, die darauf trainiert werden, selbständig und auch auf Basis unstrukturierter Informationen Entscheidungen zu treffen, ändern sich die hinterlegten Regeln in einem RPA-System nur dann, wenn Menschen sie neu definieren.

Die Einsatzfelder für RPA sind breitgestreut. Sie reichen von simplen automatischen E-Mail-Antworten bis hin zu Installationen mit tausenden von Bots, die eng definierte Teilaufgaben ausführen oder bestimmte Tasks innerhalb eines ERP-Systems übernehmen. Große Versicherer nutzen RPA beispielsweise in der Schadensabwicklung, um aufwändige manuelle Dateneingaben zu vermeiden.

Der Markt für Robotic Process Automation ist gegenwärtig noch klein. Bis zum Jahr 2020 sollen die Umsätze mit einschlägiger Software nach einer Gartner-Prognose auf eine Milliarde Dollar steigen. Das entspräche einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 41 Prozent im Zeitraum von 2015 bis 2020. Bis dahin sollen 40 Prozent aller großen Unternehmen mit mindestens einem RPA-Tool arbeiten, erwarten die Marktforscher. 2017 lag der Anteil bei zehn Prozent.

Tipps für erfolgreiche RPA-Projekte

Erste RPA-Projekte zeigen indes, dass der Teufel im Detail steckt und Unternehmen oft falsche Erwartungen an die Software knüpfen. Lesen Sie, was Praktiker und Experten empfehlen, um RPA-Projekte zum Erfolg zu führen.

Die vielzitierten Quick Wins gibt es zwar auch mit Robotic Process Automation. Eine skalierbare RPA-Umgebung in größerem Rahmen aufzusetzen, kann aber schnell zu einem komplexen Unterfangen geraten. Viele Probleme in größeren Projekten seien auf unrealistische Erwartungen zurückzuführen, beobachtet Dave Kuder, Berater bei Deloitte Consulting LLP. Die blumigen Versprechen von RPA-Anbietern und Implementierungsberatern trügen ihren Teil dazu bei. Kuder rät RPA-Verantwortlichen zu einer vorsichtig optimistischen Herangehensweise, verbunden mit eher konservativ gesetzten Zielen. Auf diese Weise könnten alle Beteiligten hinterher besser mit den Ergebnissen leben.

Sehr häufig werden RPA-Projekte mit dem Ziel aufgesetzt, Kosten zu senken oder die Rentabilität zu steigern. Kris Fitzgerald, CTO bei NTT Data Services, empfiehlt CIOs einen anderen Blick auf das Thema. Sie sollten RPA als eine Methode begreifen, Kundenerfahrungen zu verbessern. Fluglinien beispielsweise beschäftigten tausende Customer Service Agents, trotzdem ärgerten sich noch immer viele Kunden über lange Wartezeiten am Telefon. Ein Chatbot könnte diese Zeiten reduzieren und biete dabei noch andere Vorteile: Er werde nie krank, sei stets verfügbar und transportiere am Telefon keine negative Stimmungen. Fitzgerald: "Die Kundenerfahrung sollte für CIOs die harte Währung sein."

Machine Learning FAQ
Facebook-Gesichter
Computer können lernen, menschliche Gesichter zu unterscheiden. Facebook nutzt das für die automatische Gesichtserkennung.
Machine Learning
Anders als das Bild suggeriert ist Machine Learning ein Teilgebiet von Artificial Intelligence – allerdings ein sehr wichtiges.
AlphaGo
Maschine schlägt Mensch: 2016 besiegte Googles Machine Learning System AlphaGo den Weltmeister im Spiel Go.
Grafikprozessoren GPU Nvidia
Die führenden Companies im Machine Learning nutzen für die parallele Verarbeitung der Daten Grafikprozessoren (GPUs) - etwa von Nvidia.
Deep Learning
Deep Learning Verfahren lernen erst Low-Level Elemente wie Helligkeitswerte, dann Elemente auf mittlerer Ebene und schließlich High-Level Elemente wie ganze Gesichter.
IBM Watson
IBM Watson integriert mehrere Artificial Intelligence Methoden: Neben maschinellem Lernen sind das Algorithmen der natürlichen Sprachverarbeitung und des Information Retrieval, der Wissensrepräsentation und der automatischen Inferenz.

Mit Aufkommen des Cloud Computing starteten sogenannte "Citizen Developers" ohne tiefe technische Kenntnisse RPA-Projekte häufig direkt in den Fachabteilungen, beobachtet Berater Kuder. Nicht selten komme der CIO erst später ins Spiel und blockiere dann die Initiativen. Business-Verantwortliche sollten deshalb die IT-Organisation von Anfang in ihre RPA-Vorhaben einbinden, so Kuder. Nur so könnten sie sicherstellen, dass die benötigten Ressourcen auch wirklich zur Verfügung stehen.

Viele RPA-Projekte scheitern, weil Design und Change Management schlecht aufgesetzt sind, berichtet Sanjay Srivastava, Chief Digital Officer bei dem auf KI spezialisierten IT-Dienstleister Genpact. Im Bestreben, möglichst schnell ein System zu implementieren, übersähen Unternehmen häufig den notwendigen Informationsaustausch beziehungsweise die "Handshakes" zwischen den diversen Bots. Damit könne ein Geschäftsprozess schnell zusammenbrechen statt effizienter zu laufen. "Bevor Sie implementieren, sollten Sie sich intensiv mit der Gestaltung des Operating Model auseinandersetzen", rät der Manager: "Sie müssen genau definieren, wie die verschiedenen Bots zusammenarbeiten sollen."

Weitere Probleme könnten entstehen, wenn CIOs die teilweise gravierenden Auswirkungen von RPA-Vorhaben auf andere Geschäftsprozesse nicht ausreichend berücksichtigten. Die IT-Chefs sollten lange vor dem Start eines RPA-Vorhaben die Folgen für die gesamte Organisation und ihre Kernprozesse prüfen.

Wenn eine Bank mehrere tausend Bots installiert, um Dateneingaben zu automatisieren oder den Softwarebetrieb zu überwachen, entstehen enorme Datenmengen. Nach der Erfahrung von Srivastava ist es nicht unüblich, dass Unternehmen Machine-Learning-Algorithmen nutzen, um die von den Bots generierten Daten auszuwerten. Im nächsten Schritt stellten Sie ihren Mitarbeitern einen Chatbot zur Verfügung, über den diese auf einfache Weise Datenabfragen generieren könnten. So werde aus einem RPA-Vorhaben plötzlich ein komplexes Machine-Learning-Projekt, ohne die dafür notwendige gründliche Planung, berichtet der CDO.

Wenn sich diese Entwicklung verselbständige, habe der CIO mit einem Mal alle Hände voll zu tun, damit verbundene Anforderungen zu erfüllen. Auch aus diesem Grund sei es ratsam, RPA als ein langfristiges Vorhaben zu betrachten und entsprechend zu planen.

Nicht selten versäumten es Unternehmen, sich schon im RPA-Planungsprozess auf mögliche Probleme vorzubereiten, beobachtet Srivastava. So habe etwa ein Mitarbeiter eines Genpact-Kunden die Passwortrichtlinie des Unternehmens geändert, die notwendige Anpassung der installierten Softwareroboter wurde allerdings vergessen. Die Folge waren Datenverluste. Verhindern ließen sich solche Fälle nur durch kontinuierliche Kontrollen. CIOs sollten ein Monitoring- und Alert-System installieren, das Probleme und Performance-Engpässe schnell erkenne, rät der CDO: "Sie können die Bots nicht einfach frei herumlaufen lassen, Sie brauchen eine klare Steuerung und Kontrolle."

Schon ein einzelner Softwareroboter kann etliche Compliance-Fragen im Unternehmen aufwerfen, ganz zu schweigen von mehreren tausend Bots, die Aufgaben in verschiedensten organisatorischen Bereichen übernehmen. Deloitte-Berater Kuder berichtet von einem Kunden, der sich in mehreren Meetings mit der Frage beschäftigt habe, ob der eingesetzte Bot männlich oder weiblich sein sollte. Das mag banal klingen, doch in der Praxis haben solche Überlegungen durchaus ihre Relevanz. Wichtig sei es deshalb auch in RPA-Projekten, anderer Bereiche wie etwa die Personalabteilung einzubinden, um Fallstricke in Sachen Compliance zu vermeiden.

Nicht selten konzentrieren sich Unternehmen so sehr auf die schöne neue RPA-Welt, dass sie schlicht vergessen die HR-Abteilung ins Boot zu holen. Dabei können gerade RPA-Projekte massive Auswirkungen auf Arbeitsprozesse und Workflows der Mitarbeiter haben. Auch CIOs müssten diesen Aspekt von Anfang an berücksichtigen, fordert NTT-Manager Fitzgerald: "Wir vergessen allzu leicht, dass es zuerst um die Menschen gehen muss."

Am Ende sollten CIOs danach streben, RPA in den gesamten Software-Entwicklungsprozess zu integrieren, resümiert Fitzgerald. Andernfalls riskierten sie, ihre Robotics-Systeme schon mit dem nächsten großen Software-Launch unbrauchbar zu machen.

Ein Patentrezept für erfolgreiche RPA-Projekten gibt es nicht, urteilt CDO Srivastava. Auch er empfiehlt eine ganzheitliche Sicht auf das Thema. RPA müsse Teil der langfristigen Unternehmensstrategie sein. Dabei sollten die Verantwortlichen stets das große Ziel der Automatisierung im Blick behalten. Es gelte, Geschäftsprozesse schneller und besser auszuführen und diese skalierbar zu gestalten.

Mit Material von IDG News Service