In den 1880er-Jahren bauten Gottlieb Daimler und Carl Benz ihre ersten motorisierten Wagen, und eine Pionierphase des Automobilbaus begann. 1913 dann ließ Henry Ford in seiner Detroiter Fabrik die Fließbänder anschmeißen. Ein charakteristisches Kapitel der Industriegeschichte. Was in der Fahrzeugbranche etwa ein Jahrhundert zurückliegt, beginnt in der IT nach Einschätzung der Analysten Jean-Pierre Garbani und Marc Cecere von Forrester Research gerade erst. In den kommenden fünf Jahren werde sich der IT-Betrieb vom derzeitigen frühindustriellen Modell weiterentwickeln in eine Phase der Massenproduktion. Cloud Computing macht das laut einer neuen Forrester-Studie möglich.
In ihrem Ausblick auf IT-Infrastruktur und IT-Operationen in den kommenden Jahren kommen die beiden Autoren zu dem Schluss, dass nicht die drastische Senkung von Kosten den Kern des Cloud-Modells darstelle. Der größte Nutzen des Wolken-Modells werde stattdessen in den dauerhaften Auswirkungen auf IT-Technologie und IT-Organisation liegen. Die Entwicklung immer „klügerer“ Geräte, der explosionsartige Anstieg im Bereich der Business-Dienstleistungen und die stetig steigende Komplexität sind demnach die Schlüsselherausforderungen für die Anwender. Bisher hätten diese im IT-Betrieb die Antworten darauf in Virtualisierung, personeller Ausdehnung und der Automatisierung weniger Geschäftsprozesse gesucht. „Aber diese Strategie erreicht in Bälde ihr Verfallsdatum“, urteilt Forrester.
Den Ausweg weise Cloud Computing, das wie die Fließbandherstellung auf Automatisierung und der Ausnutzung ökonomischer Vorteile fußt, die die Produktion großer Mengen biete. Das umwälzende Liefermodell zeigt also für die IT das Potenzial der Economies of Scale auf: „Die Lektion von Cloud Computing besteht darin, dass recht günstige 08/15-Hardware durch Virtualisierung und eingebettete Funktionalitäten die Kapazität für Computing, Storage und Netzwerke flexibilisieren kann. Und dass enorme administrative Verbesserungen möglich sind“, heißt es in der Studie. Unter Produktivitätsgesichtspunkten sei es dabei egal, ob dies intern oder extern geschehe, solange das Cloud-Modell vollumfänglich adaptiert werde.
Den Vergleich zur Industriegeschichte spinnen Garbani und Cecere dabei zu einer Vier-Phasen-Folge: erst eine von wenigen „IT-Gurus“ geprägte„viktorianische“ Periode, dann eine Ära der vertikalen Integration, eine Epoche der Optimierung und schließlich die jetzt einsetzende Phase der Massenproduktion.
Diese Abfolge lässt sich für die verschiedenen IT-Bereiche durchdeklinieren. Auf das Zeitalter von Mainframe DOS folgten Online-Transaktionen sowie Distributed Systems und nun Cloud Computing. Herrschten zunächst Ad-hoc-Prozesse vor, so schlossen sich Phasen proprietärer und standardisierter Prozesse an, während nun die Periode der Automatisierung anbricht.
Übergang zu analytischen und geschäftlich orientierten Skills
Die vorherrschenden und geforderten Fertigkeiten waren bisher stets technischer Natur – zunächst vorwiegend auf breiter Basis, dann spezialisierter. Bereits im dritten Abschnitt kamen partizipative Elemente hinzu – also zunehmende Begehrlichkeiten der Fachbereiche, in IT-Fragen mitzureden. Jetzt erfolgt laut Forrester der Übergang zu analytischen und an geschäftlichen Entscheidungen orientierten Skills. Die Komplexität ist von Stufe zu angewachsen und erreicht in den kommenden Jahren ein enormes Niveau. Die Phase einer hohen Diversität geht hingegen zur Neige.
Als Treiber hinter diesem Wandel sieht Forrester zum einen den Bedarf auf Business-Seite, die bei immer höheren Qualitätsansprüchen nach produktiven Service-Lösungen bei fallenden Stückkosten verlangt. Zum anderen gehe dies einher mit neuen technologischen Möglichkeiten, die ihrerseits neue Aufgaben stellen. Assets und Applikationen müssten im Cloud-Zeitalter stets in Echtzeit verfügbar sein, urteilt Forrester.
Flexibilität und Beweglichkeit sind ebenfalls nötig: Applikationen sollten mit allen zugehörigen Dependenzen und Konfigurationselementen eine transportable Einheit darstellen. Architektonisch seien die meisten Applikationen derzeit noch nicht cloudfähig, so die Analysten. Um dies zu verändern, müssten sich die I&O-Abteilungen aktiv zumindest in den Lebenszyklus-Prozess der Anwendungsentwicklung einbringen.
Nachdrücklich raten die Analysten zu einer personellen und organisatorischen Neuorientierung. So sei etwa eine stärkere Rollenfokussierung gefragt. „Ein Netzwerk-Ingenieur wird zugleich eine Fülle anders gelagerter Aufgaben bewältigen müssen – von der Administration übers Design bis hin zum Troubleshooting“, heißt es in der Studie. Für Projektarbeit blieben da nur wenige Freiräume.
Best Practices für ITIL seien ebenso empfehlenswert wie neue Metriken, die Effizienz und Leistung statt „exzessiven Heroismus“ belohnen. Damit meint Forrester, dass sich das Selbstverständnis in den IT-Abteilungen wandeln müsse. Der Typus des „Feuerwehrmanns“, der in Problemfällen jederzeit zur Stelle ist, werde abgelöst durch den strategischeren Experten, der Brandherde schon vor Ausbruch eines Infernos erkennt. Überhaupt braucht es nach Meinung der Autoren neue Rollen und Gruppen in den Abteilungen: Architekten und Planer, Design und Spezialisten für Prozess-Design sowie Vendor Manager.
Keine Zeit für Helden
Alles in allem stehen die Zeichen im Cloud-Zeitalter laut Forrester auf gesteigerter Spezialisierung, stärkeren Akzenten auf der Beratung, formalisierten Kontrollmessungen und zielgerichteter Forschung. In dem sich mehr und mehr Services in Richtung Cloud verabschieden, gewinnen Kontrolle und Vorgabe von Richtlinien gegenüber der Ausführung an Bedeutung. Bei all dem sollte die IT den Endanwendern immer einen Schritt voraus sein, mahnt Forrester – am besten so wie die Automobilpioniere ihren Nachzüglern.
Die Studie „IT Infrastructure And Operations: The Next Five Years“ ist bei Forrester erhältlich.