Freitag, 28.2.: Aufwachen im Hotel. Hinter mir lagen eine Gala im Smoking - unser Unternehmen wurde als einer der besten Arbeitgeber ausgezeichnet - und ein Besuch mit meiner Tochter in der Paloma-Bar, einem der coolsten Clubs in Berlin. Um 9 Uhr dann eine spontan anberaumte Videokonferenz, Thema: "Risikomanagement Covid-19". Die Zahlen waren noch klein, die Epidemie schien weit weg und keineswegs bedrohlich. Aber wir haben recherchiert, Zahlen sortiert, gerechnet. Rasch war klar: Die exponentielle Dynamik wird uns überrollen, wenn wir nicht zügig agieren und uns so gut als nur möglich vorbereiten. Am Abend hatten wir unseren ersten Handlungsplan erstellt.
Task Force und Home Office ohne Genehmigung möglich
Montag, 2.3.: Wir haben unser Team per Mail informiert und unseren Plan im Intranet veröffentlicht. Die Kernaussagen: wir nehmen die Entwicklung um Covid-19 ernst, bleiben gelassen, handeln aber schnell und konsequent, um drohende Risiken kompensieren zu können. Eine Taskforce steuert das Thema täglich. Wer im Home Office arbeiten will, kann das ab sofort ohne Abstimmung mit dem Projektleiter tun. Wer krank ist, bleibt daheim. Wir beachten die Husten- und Niesetikette, auf Händeschütteln verzichten wir. Was inzwischen banal klingt, war vor drei Wochen noch irritierend.
Schwierige Entscheidung mit Schutzengel
Mittwoch, 4.3.: Unsere wichtigste Fortbildungsveranstaltung, das Engineering Camp im Kloster Seeon im Alpenvorland, findet statt. 150 Teilnehmer, 70 Vorträge an drei Tagen. Darauf haben viele Kollegen hingearbeitet, das schweißt uns als Team zusammen. Darum haben wir uns letztendlich dafür entschieden, unser Team aber vorab sensibilisiert: jede sollte ihre Entscheidung auf den Prüfstand stellen und bewusst entscheiden. Wir haben für die Menschen, die zuhause bleiben wollten, eine Remote-Teilnahme per Zoom eingerichtet. Letztendlich blieben 2 von 150 zuhause.
Es scheint, als hätten wir einen Schutzengel gehabt. Zehn Tage später erfuhren wir, dass es genau an diesen Tagen die ersten Infektionen eines Mitmieters im Münchner Bürogebäude der Firma gab, auch die Kantine war betroffen. Der Rückzug ins Kloster hatte uns vor einer Ansteckung geschützt. Das war schlichtweg: Glück. Wie würden wir heute entscheiden?
Montag 9.3.: Viele Stränge liefen parallel. Die zentrale Frage: Was geschieht, wenn alle ab sofort im Home Office arbeiten und was müssen wir tun, damit das möglich wird? Jeder Geschäftsbereich und jede Querschnittsfunktion ging in die Resilienz-Analyse, führte Gespräche mit Kunden und Lieferanten, trug Informationen zusammen, bereitete alle im Team mental darauf vor.
Alle ins Home Office - aber erst als Test
Dienstag 10.3.: Jetzt war klar: Wir könnten das bereits Ende der Woche tun, wenn wir flankierend technische Maßnahmen in der Infrastruktur veranlassen. Unsere 100% Cloud-Strategie hat sich ausgezahlt, wir konnten in kürzester Zeit hochskalieren, vor allem beim so wichtigen Thema Videokonferenz.
Freitag 13.3.: Am Donnerstagabend beschlossen, arbeiten wir am Freitag alle von zuhause aus - als Test. Über 100 Mitarbeiter waren um 10 Uhr in der Videokonferenz versammelt, sonst treffen wir uns immer in einem Stuhlkreis. Per Chat konnte jeder seine Fragen einbringen und hat vom Moderator das Wort erteilt bekommen. Erstaunlich für uns in der Taskforce: Kaum Fragen zu Covid-19. Am Abend haben wir uns per Online-Umfrage Feedback von allen eingeholt: Wie produktiv klappt die Arbeit in den Projekten, wenn alle verteilt aus dem Home Office agieren? Was benötigst du, um produktiv zu sein? Was behindert dich? Wie könnten wir dir helfen?
Krisenmanagement: Alle arbeiten zuhause
Montag 16.3.: Die Woche verlief komplett im Modus Krisenmanagement. Die Ereignisse in Europa überschlugen sich, und wir wussten am Montag, dass wir rechtzeitig und richtig entschieden hatten. Im Bürogebäude wurde ein weiterer bestätigter Fall bekannt. Nun hieß es: Alle arbeiten zuhause, bis auf wenige Härtefälle, die schlicht nicht zuhause arbeiten können, weil gerade Baustelle ist oder aus sonstigem Grund. Sie bekommen eine Sonderfreigabe und ein isoliertes Zimmer im Büro.
Die Aufgaben der Geschäftsführer: Liquidität absichern und Notfallpläne erhärten
In der Unternehmenssteuerung waren die wichtigsten Aspekte: Liquidität absichern, schriftliche Verträge und sicher geglaubte Projektchancen bei unseren Kunden hinterfragen, etwaige Sondermaßnahmen proaktiv evaluieren, Notfallpläne für Vitalfunktionen aller Querschnittsfunktionen erhärten.
Ein Beispiel: Was muss getan werden, damit auch bei paralleler Krankheit aller Verantwortlichen die Gehälter gezahlt werden oder die Rechnungen gestellt und bezahlt werden können?
Hohe Liquidität hilft in der Krise
Rasch war klar: Wir sind organisatorisch und kaufmännisch resilient aufgestellt und werden die Krise gut überstehen, auch wenn sie länger andauert. Unsere Finanzstrategie "Geld auf dem Girokonto lassen, keine Finanzprodukte kaufen" hatte sich in dieser Ausnahmesituation bestens bewährt. Noch vor wenigen Wochen haben uns Finanzexperten dafür belächelt, jetzt ist es Gold wert, eine hohe Liquidität zu haben.
Organisation der virtuellen Firma
Organisatorisch haben wir uns so aufgestellt: Die Geschäftsbereiche fokussieren sich darauf, die Projektteams im verteilten Modus möglichst produktiv arbeitsfähig zu machen, die Querschnittsfunktionen tun alles, um das möglichst gut zu unterstützen. Die Taskforce fungiert als Leitstelle, hält dem Team den Rücken frei und ist Informationsdrehscheibe im Unternehmen, zu den Kunden und auch zu unseren Partnern.
Produktives Arbeiten im Home Office unterstützen
Unser Ziel: weiter produktiv Software entwickeln und betreiben. Das haben wir dafür getan:
Rasch haben wir alle Hilfsmittel nach Hause geschickt, die nötig waren: iPads für die virtuelle Zusammenarbeit auf dem Jam-Board, Bürostühle für gesundes Sitzen, Bildschirme und Webcams.
Bewerbergespräche finden nur noch remote statt. Ein Telepräsenzroboter führt die Bewerber ab jetzt virtuell durch unser Büro.
Verträge werden mit Docu Sign rechtssicher remote unterschrieben.
virtuelle Kaffeeküchen bieten Raum für spontane Begegnung per Videokonferenz, wenn Leute Pause machen.
Instant-Messaging (Slack) ist nun ein Lebensnerv in der Kultur und Kommunikation, in einem Chat teilen wir unser Wissen über verteiltes Arbeiten, in einem anderen tauschen sich die vielen Eltern im Unternehmen darüber aus, wie sie nun Kind und Arbeit zusammenbringen.
Ein Facharzt für Arbeitsmedizin bietet professionelle Beratung zu Covid-19 per Telefon. Das hilft unseren Mitarbeitern und entlastet den Bereitschaftsdienst.
Eine Psychologin, die unser Team aus Resilienztrainings gut kennt und ein ebenso vertrauter Business-Coach liefern Beratung und Coaching per Videokonferenz in schwierigen Lagen.
Kids welcome und open door! Kinder können jederzeit in Videokonferenzen reinschneien, auf dem Schoß sitzen und mitbekommen, was Mama oder Papa macht. Ehrlich gesagt: das rührt das Herz an, bei aller Tragik und Ernsthaftigkeit der Lage.
Die Chancen der Krise: Wo wir mit unserem Wissen helfen können
Samstag 21. März: Heute ist uns klar: In dieser Krise stecken neben vielen Verlusten und Schmerz auch viele Chancen. Sie wirkt vermutlich wie ein Turbo für die Digitalisierung in unserem Land. Gehen wir mit der Veränderung, werden wir gestärkt aus der Krise hervorgehen. Mit "wir" meinen wir:
wir als Person,
wir als Team,
wir als Firma und
wir als Gesellschaft.
Eine Sales-Taskforce hat überlegt, was jetzt am Markt gebraucht wird, wo wir mit unserem Wissen helfen und wo wir neues Geschäft akquirieren können für die Zukunft. Der Staat war bisher nicht in unserem Kundenportfolio, künftig könnte dort aber hoher Bedarf nach unserem Leistungsangebot sein und wir würden gerne helfen, die Krise zu meistern. Plattformen für digitales Lernen haben gerade Lastprobleme, dort haben wir unsere Unterstützung angeboten. Als Software-Notarzt sind wir dafür Experten.
Teilnahme am Hackathon wir-vs-virus
Sonntag 22. März: Und wir wollen Gutes tun und mit dem, was wir können, unseren Beitrag in der Gesellschaft leisten, um die Situation zu bewältigen: Am Wochenende nahm ein Team von zwölf QAware-Mitarbeitenden aus eigenem Antrieb am Hackathon wir-vs-virus teil. Das Team arbeitete in zwei Tagen bis spät in die Nacht an einer Software-Lösung, die lokale Läden schnell und unkompliziert per Videotelefonie mit ihren Kunden zusammenzubringt. So können die Menschen trotz Corona im Laden einkaufen, als wären sie vor Ort. Ein erster Prototyp läuft nach 24 Stunden, die Lösung heißt lokaler.kaufen.
In Summe überwiegt aktuell die Zuversicht und der feste Glaube an die Kraft der Veränderung, die Corona mit sich bringt.