Die Autoindustrie steht mit dem Vormarsch von Internet-Diensten, Elektroantrieben und Roboterwagen vor ihrem größten Wandel seit Jahrzehnten. Und während es anfangs durchaus so aussah, als ob die neuen Player aus der Tech-Branche den Markt aufrollen und traditionelle Hersteller auf die Rolle von Hardware-Lieferanten reduzieren könnten, hat sich die Stimmung inzwischen gedreht. Auf der Technik-Messe CES in Las Vegas zeigten - wie immer nur wenige Tage vor der Autoshow in Detroit - vor allem die Platzhirsche der Branche, wie sie das Auto der Zukunft neu denken.
So zeigte Toyota die futuristische Studie "Concept-i" mit einem eigenen persönlichen Assistenten an Bord. Knöpfe sollen Sprachbefehlen weichen, zudem soll die künstliche Intelligenz die Bedürfnisse der Insassen sogar vorausahnen und könne ein Freund werden, der auf einen aufpasse, sagte Forschungschef Gilles Pratt. Fiat Chrysler will junge Leute mit einem Elektro-Minivan mit leuchtenden Schiebetüren locken, dessen Innenraum frei umgebaut werden kann. Kurz vor der CES wurden auch die ersten Chrysler-Autos mit Googles Roboterwagen-Technik an Bord fertig. Die Tech-Konzerne treten dabei eher als Partner und Zulieferer auf, während vom Hersteller das Gesamtkonzept kommt.
"Man hat auf beiden Seiten verstanden, dass man es alleine nicht hinbekommt, sondern dass es um Partnerschaften und Plattformen geht", sagt Branchenexperte Axel Schmidt von der Unternehmensberatung Accenture. "Es wird langsam zur Normalität, diese Disruption der Industrie zu bewältigen."
Eine Schlüsselrolle kommt dabei den Branchen-Zulieferern zu, die beide Welten miteinander verschmelzen können. Egal, ob Hersteller oder Lieferanten, alle haben inzwischen Standorte im Silicon Valley. "Wir sind hier zum Angreifen", sagt ein ranghoher Mananger eines solchen Vorpostens. Und die Branche wird radikaler bei ihren Ideen zur Neugestaltung der Autos. So war in Las Vegas beim Audio-Spezialisten Harman die gemeinsam mit Rinspeed entwickelte Studie "Oasis" zu sehen, die neben großen Panorama-Displays nicht nur für den Straßenverkehr geeignete Drehsessel bietet, sondern auch einen kleinen Garten hinter dem Cockpit, der für angenehmen Duft sorgen soll.
Vor ein paar Jahren sah es noch danach aus, als ob die Tech-Giganten schnell die Initiative beim Umbruch des Autogeschäfts übernehmen könnten. Google beteuerte zwar auch da schon, man wolle nicht zum Autohersteller werden, schickte aber kleine elektrische Zweisitzer aus eigener Entwicklung auf die Straße. Die Spekulationen über ein Apple-Auto erreichten einen Höhepunkt. Der Fahrdienst-Vermittler Uber verleibte sich eben mal so eine ganze Abteilung von Spezialisten für Roboterwagen-Software ein. Und immer wieder wurde spekuliert, die Schwergewichte des Silicon Valley mit ihren Milliarden-Geldreserven könnten sich alles zum Bau eigener Autos leicht zusammenkaufen.
Jetzt hat sich die Stimmung gedreht. Zum Google-Mobil heißt es in Medienberichten, es solle nicht weiterentwickelt werden, der Chef des inzwischen in eine separate Firma ausgelagerten Projekts, John Krafcik, betont, der Fokus liege auf Software für autonomes Fahren. Zu Apples Autoplänen hört man wiederum, auch hier sei die Entwicklung eigener Fahrzeuge auf die lange Bank geschoben worden. Der iPhone-Konzern wolle sich ebenfalls auf Software für autonomes Fahren konzentrieren.
"Die Tech-Firmen mussten feststellen, dass alles doch nicht so schnell geht", sagt ein Brancheninsider. Und die Autoindustrie reagierte. Daimler, BMW und Audi kauften Nokia für rund 2,6 Milliarden Dollar den Kartendienst Here ab und versuchen, auf dieser Basis eine Plattform für alle möglichen vernetzten Dienste aufzubauen. Auch bei Here kommen Partnerschaften in Gang: Kurz vor der CES stieg der Chipkonzern Intel mit 15 Prozent ein, auf der Messe wurde eine Partnerschaft mit dem Grafik-Spezialisten Nvidia verkündet, der Technik für autonomes Fahren entwickelt.
Der Kampf um den Kunden
Die Autofirmen beschäftigen sich inzwischen auch konkret mit der Frage, was die Leute in dem Auto dann machen sollen, wenn sie nicht aktiv fahren, und wie man mit der Internet-Verbindung im Fahrzeug Geld verdienen kann. So zeigte BMW in Las Vegas live ein Szenario, bei dem auf dem Weg zur Verabredung noch ein Mitbringsel bei Amazon bestellt wird und der Wagen dann anzeigt, wo auf dem Weg zum Date die Pralinenschachtel bei einem Pick-up-Point des Online-Händlers abgeholt werden kann.
Genau bei solchen digitalen Diensten könnten sich die zukünftigen Machtverhältnisse in der Industrie entscheiden. "Die Frage ist, wer wird morgen die Schnittstelle zum Kunden beherrschen", formuliert es Autoexperte Schmidt. "Wird es der Autohersteller sein, weil er es schafft, die ganzen Dienste über seine eigene Plattform anzubieten?" Oder erledigt der Nutzer alles über die Apps von Tech-Konzernen? "Wenn ein Autobauer in einer solchen Welt nur der Hardware-Lieferant ist, wird er seine Position verlieren und austauschbar sein." (dpa/rs)