Technik und Uses Cases der Blockchain

Wie die Blockchain funktioniert

23.03.2017 von René Bader und Thorsten Deckers
Mit der Blockchain lassen sich Transaktionen in einem Peer-to-Peer-Netz ohne Mittelsmann validieren. So sind sie nachvollziehbar und transparent. Neben dem bekanntesten Use Case "Bitcoin" gibt es zahlreiche weitere Anwendungsmöglichkeiten der Blockchain-Technologie.

Im Rahmen der Digitalisierungvon Finanzdienstleistungen macht seit einiger Zeit die Kryptowährung Bitcoin von sich reden. Es handelt sich dabei um ein System, das Werttransfers zwischen unbekannten Parteien ohne einen Finanzdienstleister als zentralen Vermittler ermöglicht. Die technische Herausforderung besteht darin, die Transaktionen lückenlos, nachweisbar und transparent abzusichern. Dies wird durch die Peer-to-Peer-Architektur der Blockchain-Technologie realisiert; das Verfahren ist alles andere als trivial und soll daher im Folgenden näher dargestellt werden.

DieBlockchain fungiert für Bitcoin als eine Art öffentliches Kontobuch aller Netzwerk-Teilnehmer, das jedoch nicht einen absoluten Kontostand festhält, sondern alle jemals ausgeführten und validierten Transaktionen; daraus lässt sich der jeweils aktuelle Kontostand errechnen. Die Informationen zu den Transaktionen sind zwar öffentlich, jedoch sind die Adressen der Transaktionen, die vergleichbar mit der sonst üblichen Kontonummer sind, nur anonyme Codes, so dass auch die jeweils Beteiligten anonym sind.

Was ist was bei Blockchain, Bitcoin und Co.?
Ethereum
Eine weitere Kryptowährung, die auf dem Blockchain-Prinzip basiert. Bietet eine Plattform für programmierbare Smart Contracts. Die "Ether" werden von Fans als legitime Nachfolger der Bitcoins angesehen (siehe auch obiges Bild).
Cryptlet
Von Microsoft für die Azure-Cloud entwickelter Service, mit dessen Hilfe Anwender externe Daten in eine Blockchain einpflegen können, ohne ihre Sicherheit und Integrität zu zerstören. Cryptlets können als indvidualisierte Middleware auch von Azure-Anwendern selbst entwickelt werden - in jeder beliebigen Programmiersprache - und sollen die Brücke von der Blockchain hin zu neuen Business-Services in der Cloud schlagen.
Kryptowährung
Digitales Geld, ohne Münzen und Scheine. Mithilfe von Kryptografie wird ein verteiltes, sicheres und dezentralisiertes Zahlungssystem aufgebaut. Benötigt keine Banken, sondern Rechenpower und technische Hilfsmittel wie die Blockchain.
Blockchain
Eine Blockchain ist eine dezentrale Datenbank, die eine stetig wachsende Liste von Transaktionsdatensätzen vorhält. Die Datenbank wird chronologisch linear erweitert, vergleichbar einer Kette, der am unteren Ende ständig neue Elemente hinzugefügt werden (daher auch der Begriff "Blockchain" = "Blockkette"). Ist ein Block vollständig, wird der nächste erzeugt. Jeder Block enthält eine Prüfsumme des vorhergehenden Blocks. <br /><br /> Entwickelt wurde das technische Modell der Blockchain im Rahmen der Kryptowährung Bitcoin - als webbasiertes, dezentralisiertes, öffentliches Buchhaltungssystem aller Bitcoin-Transaktionen, die jemals getätigt wurden.
Bitcoin Core
Die Open-Source-Software validiert die gesamte Blockchain und wurde Anfang 2009 von einem gewissen <a href="http://www.computerwoche.de/a/neue-hinweise-auf-moeglichen-urheber-von-digitalwaehrung-bitcoin,3220391" target="_blank">"Satoshi Nakamoto"</a> unter dem Namen "Bitcoin" veröffentlicht. Bitcoin Core war in C++ zuächst vor allem für Windows-Systeme programmiert worden. Wenig später folgte die Portierung auf GNU/Linux. Weil die Entwickler sich zerstritten, existieren mittlerweile einige Derivate der Bitcoin-Software, unter anderem Bitcoin XT, Bitcoin Unlimited oder Bitcoin Classic.
BigchainDB
Die "skalierbale Blockchain-Datenbank" kann bis zu einer Millionen Schreibvorgänge pro Sekunde verwalten, Petabytes an Daten speichern und wartet trotzdem mit einer Latenzzeit von unter einer Sekunde auf - das alles dezentralisiert verwaltet und bei höchster Datenintegrität. Technische Grundlage ist die Blockchain-Technologie.
Distributed Ledger
Finanz-Fachbegriff für "verteilte Kontoführung". Bitcoin ist ein komplett neuer technischer Ansatz, um Informationen über bestimmte Zuordnungen zu verteilen. Es gibt hier kein klassisches Konto mehr, das zentral bei einer Bank geführt wird, sondern die "Kontoführung" basiert auf einem Netzwerk von kommunizierenden Systemen.
Smart Contract
Ein Computerprotokoll, das Verträge abbilden oder überprüfen oder die Verhandlung eines Vertrags technisch unterstützten kann. Könnte künftig den schriftlichen Vertragsabschluss ersetzen.
R3CEV
Das Startup R3 CEV baut die blockchainbasierte "Global Fabric for Finance". Mit rund 50 Finanzpartnern soll die größte Blockchain der Welt entwickelt werden - ein erster Testlauf mit elf Großbanken, darunter Barclays, Credit Suisse, HSBC, UBS und UniCredit wurde bereits erfolgreich absolviert. R3CEV ist eine strategische Partnerschaft mit Microsoft eingegangen, um Blockchain-Infrastruktur und -Technologie in der Azure Cloud entwickeln zu können.
Ripple
Ein Open-Source-Protokoll für ein Zahlungsnetzwerk - derzeit noch in der Entwicklung. P2P-Zahlverfahren und Devisenmarkt in einem, basiert auf der Kryptowährung "XRP". Ripple-Nutzer sind jedoch nicht auf diese eine Währung festgelegt, sondern können jede beliebige Währung verwenden - also beispielsweise auch Euro, Dollar oder Yen.

Dezentrale Datenbank

Während in herkömmlichen Systemen im Zahlungsverkehr zentrale Stellen wie Bankendie aus- und eingehenden Transaktionen überprüfen, verbuchen, an den Empfänger weiterleiten, den Kontostand kontrollieren und auch zentral in ihren Systemen speichern, werden bei Bitcoin sämtliche Transaktionen "nur" in derBlockchain dokumentiert. Dies ist eine dezentrale Datenbank, da die Informationen über die Transaktionen auf alle Rechner, die an Bitcoin teilnehmen, verteilt und abgelegt werden. Damit liegt also auf jedem dieser Rechner die komplette Blockchain, die damit auch niemandem gehört und folglich öffentlich ist. Derzeit ist die Blockchain des Bitcoin-Netz-werkes etwa 80 Gigabyte groß - sie wächst mit der Bildung neuer Blöcke natürlich ständig weiter.

Die Transaktionen für die Blockchain werden gesammelt und etwa alle zehn Minuten hintereinander in Blöcken abgelegt - daher der Name "Blockchain". Ein typischer Block ist maximal 1 Megabyte groß und enthält einige hundert Transaktionen. Jeder neue Block wird dabei in chronologischer Reihenfolge an den vorhergehenden Block angehängt und damit zu einem neuen Kettenglied in der Blockchain. So bilden im Laufe der Zeit alle Blöcke eine Kette, die immer weiter wächst; der allererste Block hat sinnvollerweise die Bezeichnung Genesis-Block.

So läuft die Blockbildung innerhalb der Blockchain ab.
Foto: NTT Security

So sieht ein Block aus

Ein Block enthält neben einem Zeitstempel und den eigentlichen Transaktionsdaten auch zwei Hashwerte, die auf der kryptographischen Hashfunktion SHA-256 beruhen:

Schlüssel in der Kette

Bevor ein Block gebildet und dieser in die Blockchain integriert wird, müssen dafür private und öffentliche Schlüssel existieren. Sie werden von der Wallet-Software auf dem Client-Rechner, der Teilnehmer des Bitcoin-Netzwerkes ist, als Schlüsselpaar erzeugt; Basis ist dabei eine asymmetrische Verschlüsselung. Aus dem öffentlichen Schlüssel wird eine 34-stellige, für jeden sichtbare Zeichenfolge gebildet, die dann als Bitcoin-Zieladresse für die späteren Transaktionen fungiert. Wichtig für die Anonymität der Transaktion: Es ist nicht möglich, aus der Adresse auf den öffentlichen Schlüssel zurückzuschließen.

Die Blockchain verspricht anonymisierte, aber trotzdem sichere und transparente Transaktionen.
Foto: Zapp2Photo - shutterstock.com

Der private Schlüssel wird für die Signatur einer Transaktion verwendet, ohne die diese Transaktion ungültig wäre. Mit Hilfe des öffentlichen Schlüssels, der der Transaktion beigefügt wird, lässt sich nachweisen, dass der Absender einer Transaktion im Besitz des passenden privaten Schlüssels und somit tatsächlich der Urheber ist. Die unterzeichnete Transaktion wird nach dem Versenden an alle Knoten im Bitcoin-Netz verteilt und als "versendet" bestätigt, sobald eine gewisse Anzahl von Knoten den Empfang bestätigen.

In der nächsten Phase der Verarbeitung einer Transaktion wird vor der Blockbildung ihre Gültigkeit geprüft, um Manipulationen an der Transaktion auszuschließen und sicherzustellen, dass der Betrag dem Empfänger gutgeschrieben und der Absender entsprechend belastet wird. Andernfalls könnte beispielsweise ein Betrag mehrfach gesendet werden oder Bitcoins könnten ausgegeben werden, die gar nicht vorhanden sind.

Validierung durch Mining

In der Blockchain-Technologie gibt es keine zentrale Instanz für die Validierung der Transaktionen. Um trotzdem einen Konsens herzustellen, gibt es in der Bitcoin-Blockchain die "Miner". Dabei handelt es sich um Rechner oder Pools von Rechnern, die ihre Rechenkapazität dem System für die Validierung der Transaktionen und Bildung der Blöcke zur Verfügung stellen.

Um sich für die Aufgabe des Mining zu qualifizieren wird das "Proof-of-Work"-Verfahren eingesetzt, in dem die Miner durch ihre Arbeit ihre Vertrauenswürdigkeit beweisen. Dazu müssen die Miner eine rechenintensive kryptographische Aufgabe - das Bilden des Hashwertes - die sich nur durch Ausprobieren bearbeiten lässt, lösen. Durch die Schwierigkeit der Aufgaben wird die Frequenz der Block-bildung gesteuert und auf derzeit etwa zehn Minuten gehalten. Der Rechenaufwand soll sicherstellen, dass nachträgliche Modifikationen der Blockkette ausgeschlossen sind; das bedeutet aber auch, dass die Blockchain nicht beliebig skalierbar ist.

Das Mining ist notwendigerweise aufwändig und verbraucht Ressourcen in nicht unerheblichem Umfang. Um die Miner für diese Arbeit zu motivieren, erhalten sie, wenn ihnen eine Lösung der kryptographischen Aufgabe gelungen ist, als "Belohnung" eine gewisse Anzahl von Bitcoins. Die Berechnungsversuche der langsameren Miner, die die gleiche Transaktion zur selben Zeit bearbeiteten, sind damit automatisch hinfällig und werden abgebrochen; ihr Ressourcenverbrauch bleibt also auch unbelohnt.

Zum Video: Wie die Blockchain funktioniert

Sobald ein Miner einen gültigen Block gebaut hat, sendet er ihn an das Netzwerk, wo jeder Teilnehmer die Gültigkeit des Blocks kontrollieren kann und den Block an die eigene lokale Kopie der Blockchain anfügt. Auf diese Weise validieren die Miner Block für Block die Blockchain, die damit in der Peer-to-Peer-Architektur auch ohne zentrale Kontrollinstanz vertrauenswürdig ist. Damit ist die Transaktion fertig und bei allen Blockchain-Teilnehmern unwiderruflich dokumentiert. Das Mining ist also Validierung und zugleich die "Geldschöpfung" im Bitcoin-System.

Ursprünglich konnten pro Block 50 Bitcoins neu erzeugt werden; da sich diese Zahl alle 210.000 Blöcke halbiert, sind es derzeit nur noch 12,5 pro Block. Die maximale Anzahl an Bitcoins, die jemals erzeugt werden können, ist damit auf 21 Millionen beschränkt. Wenn die Grenze erreicht ist, was etwa 2140 der Fall sein wird, können keine neuen Hashes erzeugt und damit auch keine neuen Bitcoins generiert werden.

Anwendungsgebiete der Blockchain

Bitcoin ist zwar die bekannteste und - derzeit auch die einzige auf breiter Basis funktionierende - Implementierung der Blockchain-Technologie, aber die Sicherstellung von Nachvollziehbarkeit und Transparenz ohne Einschaltung einer zentralen Instanz stellt auch in anderen Anwendungsgebieten eine wichtige Anforderung dar. Insofern ist es nur konsequent, Blockchain auch für andere Aufgaben vorzusehen. Folgende Szenarien werden dabei diskutiert:

Banken

Blockchain wird derzeit besonders intensiv im Banken-Sektor diskutiert; hier soll Blockchain beispielsweise zur Abrechnung und Übertragung von Wertpapieren eingesetzt werden; das Ziel ist, Transaktionen ohne eine Zentralstelle valide zu dokumentieren; also letztlich Kosten zu reduzieren und Prozesse zu beschleunigen.

Smart Contracts

Mit der Blockchain-Technologie lassen sich auch komplexere Konstrukte verarbeiten. So ist es beispielsweise denkbar, die Bedingungen eines Vertrages in Form von ausführbarem Programmcode abzubilden und darüber für eine automatisierte Einhaltung des Vertrages zu sorgen (Smart Contracts). Es wird so festgelegt, welche Bedingung zu welcher Entscheidung führt. Eigentumsübertragungen oder Vermietungen können schneller abgewickelt und wert-neutral ausgeführt werden. Sobald der Käufer oder Mieter den Preis für das Vertragsobjekt an den Verkäufer beziehungsweise Vermieter entrichtet hat, wird es ihm übertragen oder der Zugriff mit digitalem Schlüssel ermöglicht.

Versicherungen

Ähnlich wie bei Smart Contracts wäre es möglich, Versicherungsbedingungen durch intelligente Programmierung auf Basis der Blockchain dynamisch an das Verhalten des Versicherungsnehmers anzupassen und die Prämienzahlung entsprechend zu regeln; beispielsweise bei der Kfz-Versicherung in Abhängigkeit von der Fahrleistung.

Musikindustrie

In der Musikindustrie wollen viele Künstler einen direkteren Einfluss auf den Verkauf ihrer Musik beziehungsweise die Rechte an der eigenen Musik und die Nutzungsbedingungen eigenständig bestimmen. Die Blockchain bietet dazu die entsprechenden Möglichkeiten, indem beispielsweise Nutzung und Zahlung durch in eine Blockchain eingebettete Algorithmen direkt gekoppelt werden.

Wahlsysteme

Für digitale Wahlsysteme kann die Blockchain die Anonymität des Wählers ebenso sicherstellen wie den Schutz vor Manipulationen.

Patentwesen

Statt Patente über die entsprechenden Verwaltungsstellen zu registrieren, könnten die Dokumente zum Nachweis des geistigen Eigentums dezentral, permanent und ohne Mittelsmann in der Blockchain abgelegt werden. Zertifikate, die über eine mathematische Verschlüsselung garantiert werden, würden den Besitz, die Existenz und die Integrität dieser Dokumente regeln. Sie könnten weltweit überprüft werden.

"Trust Machine"

Es ist daran zu erinnern, was Blockchain ist: eine Technologie zur Validierung des Austausches von Informationen ohne Validierungs-Instanz - eine Art "Trust Machine". Die Anwendungsbeispiele, auch Bitcoin selbst, zeigen, dass die Lösung der jeweiligen Aufgabe nicht nur eine Frage der Technik ist - rechtliche, aber auch wirtschaftspolitische Implikationen schließen sich an. In anderen Fällen kann die Einschaltung eines fachkundigen Mittelsmannes - beispielsweise ein Notar oder ein Patentanwalt - auch ausdrücklich gewünscht oder sogar gesetzlich vorgeschrieben sein. Neuerdings gerne zitierte Beispiele wie die Eheschließung per Blockchain sind daher irreführend, denn der entsprechende Verwaltungsakt erschöpft sich ja nicht in der sicheren Registrierung.

Grundsätzlich sollte bei diesem Thema beachtet werden, dass es sich bei Blockchain um eine ganz neue und auch neuartige Technologie handelt. Daher sind viele Fragen, etwa die Vererbung von Schlüsseln im Todesfall, noch nicht beantwortet, und nicht alle derzeit vorliegenden Antworten werden Bestand haben. Generell ist die technische Ermöglichung von Nachvollziehbarkeit und Transparenz für beliebige Transaktionen aber ein wichtiger erster Schritt für zahlreiche innovative Szenarien.