Blinde Programmierer oder Support aus dem Rollstuhl überraschen Josef Maichle nicht mehr: "Das ist ein ganz normales Zusammenarbeiten", sagt der Vice President Corporate Information Systems der Robert Bosch GmbH. Gerade in der IT seien Menschen mit Handicap gut aufgehoben. "Wir haben viele Tätigkeiten, bei denen ein behinderter Mensch einen genauso guten Beitrag leisten kann wie ein nicht behinderter", erklärt Maichle. Natürlich sei bei Bosch auch eine soziale Komponente im Spiel. "Wir sind ja ein soziales Unternehmen", sagt Maichle und verweist auf die Unternehmensstiftung. Aber weichgespülten Idealismus sucht man hier vergeblich: "Wir fordern natürlich Leistung. Das bringt auch dem behinderten Menschen in Bezug auf Selbstwertgefühl mehr."
Das sehen die Kollegen von der Stiftung Pfennigparade genauso. Die Robert Bosch GmbH arbeitet seit Ende der 80er mit ihnen zusammen, im IT-Bereich seit 1994. Die IT-Testphase begann mit der Erstellung von Bosch-Formularen.
Mit zunehmender Komplexität der Formulare, und um die ständigen Rückfragen zu vermeiden, gingen die Mitarbeiter schließlich vor Ort. "1995 waren wir schon an mehreren Standorten aktiv", erzählt Oliver Wagner aus Stuttgart, der als Dienstleister seit der ersten Stunde bei Bosch mitarbeitet. Er leitet die PSG Programmier-Service GmbH, also die Schnittstelle zu Bosch, und steuert die 40 Mitarbeiter der Pfennigparade, die an verschiedenen Standorten arbeiten, im Stuttgarter Hauptwerk und in Reutlingen, Bühl, Karlsruhe sowie Feuerbach. Wagner selbst sitzt im Rollstuhl.
Ganz normale Ausschreibungen
Die Angestellten der Pfennigparade arbeiten heute nach ITIL im Incident-, im Change- und im Release-Management, und zwar auf First bis Third Level Support. Bosch vergibt Aufträge zu Support, Monitoring, Ticket-Annahme, Beratung und Softwareentwicklung. "Zum Beispiel arbeiten unsere Mitarbeiter in Testumgebungen", erzählt Wagner. Mit der Pfennigparade funktioniert die Zusammenarbeit wie mit einem normalen externen Dienstleister über Ausschreibungen.
Die Pfennigparade legt großen Wert darauf, als normale Konkurrenz wahrgenommen zu werden: "Behindert dürfen die Mitarbeiter sein, aber die Leistung muss erbracht werden", postuliert Wagner. Das heißt nicht, dass die Behinderung völlig außen vor ist. "Ich kenne Schicksale einzelner Mitarbeiter", sagt Auftraggeber Maichle und erzählt von Badeunfällen oder Zeckenbissen, die das Leben veränderten: "Das kann jedem passieren. Da ist es dann gut, wenn jemand einem hilft, sich wieder ins Arbeitsleben einzugliedern."
Maichle nennt drei Einschränkungen in der Zusammenarbeit mit der Pfennigparade: Erstens müssen Arbeitspakete auf die Beeinträchtigungen der Behinderten zugeschnitten werden. Aber das mache kaum mehr Aufwand als bei anderen Dienstleistern sonst auch. Zweitens sind internationale Aufträge schwierig, denn Reisen stehen außer Frage. Und drittens: "Ein behinderter Mensch braucht eine längere Einarbeitungszeit. Trotzdem sehen wir die Vorteile", sagt Maichle.
"Menschen mit Handicap haben keinen so hohen Freizeitwert"
Alle Mitarbeiter der Pfennigparade bei Bosch haben eine IT-Ausbildung. Das ist die Grundvoraussetzung, sonst würden sie gar nicht über die Pfennigparade vermittelt. Und sie sind motivierter, ergänzt Wagner: "Menschen mit Handicap haben keinen so hohen Freizeitwert", meint der Mann im Rollstuhl.
Die Chance auf einen Job sei als Behinderter denkbar gering. Viele Mitarbeiter der Pfennigparade würden sich also auch in der Freizeit weiterbilden. "Wir erwarten auch von unseren Mitarbeitern, dass sie in sich selbst investieren", sagt Wagner.
Geringe Fluktuation im Team
Bei einer Sache liegen die Angestellten der Pfennigparade obendrein konkurrenzlos vorne: Die Fluktuation ist viel geringer als bei den anderen externen Dienstleistern. "Das führt dann auch dazu, dass wir über den Tellerrand rausgucken, neue Problemfelder erkennen und Eigeninitiative ergreifen", sagt Wagner. Dadurch sinke die Fehlerquote, die Mitarbeiter kennen sich mit dem System besser aus, wissen, wo es hakt.
Ganz falsch kann Wagner mit dieser Einschätzung nicht liegen. Im vergangenen Jahr hat Bosch zwölf Mitarbeiter von der Pfennigparade übernommen. Ihre Qualifikation hat überzeugt - die Behinderung spielte keine Rolle.
Pfennigparade - Der etwas andere IT-Dienstleister |
Die Stiftung Pfennigparade mit Hauptsitz in München-Schwabing gehört zu den größten Rehabilitationszentren Deutschlands. Sie wurde Anfang der 1950er-Jahre infolge der Polio-Epidemie gegründet. Mittlerweile nutzen mehr als 1500 Menschen die Angebote für ein selbstbestimmtes Leben und Arbeiten. Im Bereich IT liegen die Stärken in Service-Support und IT-Infrastruktur, die Mitarbeiter scheuen aber auch keine Prozessberatung. Im Bild: Olaf Bürger, Arne Wettig, Korbinian Meier und Gregor Cordes, vier von mehr als 150 Mitarbeitern, die in diesen Bereichen arbeiten - sowohl inhouse als auch im Outsourcing. Referenzen sind Unternehmen wie BMW Group, MunichRe, BayWa AG, Robert Bosch GmbH, Wrigley GmbH und Telefónica / O2 sowie zahlreiche Mittelständler. Mehr Infos zu Angeboten und Kunden unter www.pfennigparade.de |