Die Urbanisierung schreitet rasant voran: 2050 werden 6,4 Milliarden Menschen in Städten leben. Heute sind es 3,9 Milliarden, 1950 waren es lediglich 746 Millionen (PDF). Um dieses enorme Wachstum zu bewältigen, setzen Stadtplaner zunehmend auf ein digitales Entwicklungskonzept – die Smart City. In der intelligenten Stadt wimmelt es von Sensoren und Aktanten, alles ist miteinander vernetzt: Verkehr, Infrastruktur, Energieversorgung, Verwaltung und öffentliche Sicherheit.
Visionen des technisch perfektionierten Stadtlebens existieren bereits seit den 1960er Jahren. Was sich damals als Wunschdenken erwies, könnte nun bald Wirklichkeit werden. Denn einige der Technologien, die unsere Metropolen tatsächlich „smarter“ machen können, sind mittlerweile Realität. Andere existieren bislang lediglich als Prototyp oder in den Köpfen der kühnsten Visionäre.
Doch die Bereitschaft, in Innovationen zu investieren, ist derzeit groß: Gleich mehrere Start-ups im Silicon Valley arbeiten im Moment an fliegenden Autos, wie man sie aus Science-Fiction-Filmen kennt. Einem von ihnen hat Google-Gründer Larry Page unlängst 100 Millionen Dollar zur Verfügung gestellt. Von einem serienreifen Prototyp sind die Unternehmen aber noch Jahre, wahrscheinlich Jahrzehnte entfernt.
So lange die Autos am Boden bleiben, kommen Stadtplaner um den Aufbau eines effizienten Straßennetzes nicht herum – und das ist längst nicht die größte Herausforderung, mit der sie sich konfrontiert sehen. Die nachfolgenden Absätze geben einen Überblick und stellen beispielhaft neue Technologien vor, die möglicherweise Abhilfe schaffen können.
Stau- und emissionsfreier Straßenverkehr
Verstopfte Straßen, ein chronischer Mangel an Parkplätzen und eine Wolke aus Abgasen, die über der Stadt liegt. Wohl kaum ein Bereich der Stadtplanung birgt mehr Verbesserungspotenzial als der Verkehr. Deutsche Berufspendler standen 2015 durchschnittlich 38 Stunden lang im Stau – der volkswirtschaftliche Schaden geht in die Milliarden. Auch die CO2-Emissionen der Fahrzeuge stellen aktuell ein enormes Problem dar. In der Smart City hingegen fahren abgasfreie Elektroautos, deren Passagiere nicht mehr selbst lenken, sondern diese Aufgabe ihrem Bordcomputer überlassen. In Kombination mit intelligenter Verkehrsinfrastruktur tragen die selbstfahrenden Autos auch dazu bei, Unfälle und lästige Staus zu vermeiden. Die Parkplatzsuche übernimmt ein mit den Fahrzeugen vernetztes Parkleitsystem.
Schon heute sind Technologien im Einsatz, die in der Stadt der Zukunft eine zentrale Rolle spielen könnten. Ein Beispiel liefert Wireless Charging. Elektroautos müssen regelmäßig aufgeladen werden, Ladestationen aber nehmen Platz weg. Kabellose Charger können hingegen direkt in den Boden integriert werden. Es genügt dann, das Fahrzeug auf einem entsprechenden Parkplatz abzustellen. Mehrere Unternehmen arbeiten so an der Zukunft des Fahrens, auch und gerade in der Stadt: Qualcomm etwa ist mit dem Halo-Projekt aktiv in der Entwicklung des kabellosen Ladens und erprobt sogar bereits Möglichkeiten, den Akku während des Fahrens aufzuladen. Zu diesem Zweck werden Magnetspulen in die Straßen integriert. Der Fahrzeughalter identifiziert sich per Wi-Fi, ohne dafür extra anhalten zu müssen.
Zustandsorientierte Instandhaltung und telefonierende Müllcontainer
Vor und während der Industriellen Revolution waren Großstädte oftmals Todesfallen. In London zum Beispiel lag die durchschnittliche Lebenserwartung bis ins 19. Jahrhundert hinein bei unter 30 Jahren. Müll auf den Straßen und eine unzureichend ausgebaute Kanalisation machten den urbanen Raum damals zu einem Nährboden für Krankheiten und Seuchen. Auch heute sind die Organisation der Müllentsorgung und die Schaffung effizienter Abwassersysteme zentrale Herausforderungen – besonders in Metropolen und Megastädten.
Das Internet der Dinge schafft Abhilfe: Bereits gegenwärtig sind in vielen Städten Müllcontainer mit Sensoren ausgestattet und vernetzt. Sobald sie gefüllt sind, funken sie an die Zentrale. Auf Basis der Füllstände kann eine Software dann optimale Routen für Müllfahrzeuge errechnen. Ein solches System ist etwa in Barcelona im Einsatz. Gängige Lösungen kombinieren Ultraschall- und Telekommunikationstechnologie: Ein Ultraschallsensor im Inneren des Müllcontainers kann – anders als Waagen oder Lichtschranken – den Füllstand unabhängig von der Art des Mülls erfassen. In regelmäßigen Abständen übermitteln Module Mess- und Sensordaten über das Mobilfunknetz an die Cloud. Da der Sensor wenig Strom benötigt, halten die eingesetzten Lithium-Batterien oftmals länger als ein Jahrzehnt.
Auch die Wasserversorgung ist ein wichtiges Zukunftsfeld. Wir sind in Deutschland an eine hochwertige Versorgung mit Trinkwasser gewöhnt, die nur in absoluten Ausnahmefällen versagt. Fakt ist jedoch, dass gerade in Mitteleuropa zahlreiche Wasserleitungen, die nach dem Zweiten Weltkrieg verlegt wurden, am Ende ihres Lebenszyklus stehen. Eher früher als später müssen sie ausgetauscht werden – und zwar im Optimalfall bereits bevor sie kaputtgehen. Neue Arten des Monitorings machen es möglich, den Zustand des Trink- und Abwassernetzes weitflächig zu überwachen. Mehren sich die Hinweise, dass ein Teilstück vom Ausfall bedroht ist, kann es präventiv instandgesetzt oder ausgetauscht werden. Diese Wartungsmethode – vorbeugende Instandhaltung genannt – lässt sich durch den Einsatz passender Sensoren auf so gut wie alle Teilbereiche der städtischen Infrastruktur ausweiten.
Umweltschutz und Nachhaltigkeit
Mit der Smart City verfolgen Stadtplaner drei Ziele: Effizienz, Lebensqualität und Nachhaltigkeit. Städte sind für 70 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich (PDF). Einer WHO-Studie zufolge verkürzt die Luftverschmutzung die durchschnittliche Lebenserwartung in Deutschland um 10,2 Monate (PDF). Doch nicht nur die Luftverschmutzung muss bekämpft werden, auch erneuerbare Energien wie Wind- und Solarkraft spielen eine entscheidende Rolle. Denn die oben genannten Elektroautos sind immer nur so umweltfreundlich wie der Strom, der sie antreibt. Kommt er etwa aus schmutzigen Kohlekraftwerken, ist für den Umweltschutz nicht viel getan. Wirklich emissionsfrei sind die Autos nur dann, wenn sie mit klimaneutral erzeugter Energie angetrieben werden. Ein Teil dieser Energie kann direkt in der Stadt gewonnen werden – zum Beispiel durch Solarzellen auf Häuserdächern.
Den höchsten Energieverbrauch verursachen jedoch nicht die Kraftfahrzeuge auf den Straßen, sondern die Gebäude. Besonders Heizungen und Klimaanlagen in schlecht gedämmten Gebäuden belasten die Umwelt. Bereits heute gelten in zahlreichen Städten Vorschriften für den nachhaltigen Gebäudebau. 2013 wurde in Hamburg das weltweit erste Haus mit Bioreaktorfassade in Betrieb genommen. Die der Sonne zugewandten Seiten des Hauses wurden mit Glasbioreaktoren bestückt, in denen Grünalgen wachsen. Durch Photosynthese wird Kohlendioxid gebunden und somit die Stadtluft gereinigt. Außerdem entsteht in den Reaktoren Wärme, die in Strom umgewandelt wird. 200 Quadratmeter Algenfassade sollen 4.500 Kilowattstunden pro Jahr erzeugen – der Bedarf einer vierköpfigen Familie wäre damit gedeckt. Das Beispiel zeigt, wie kreative Ideen dazu beitragen können, die Entwicklung der Smart City weiter voranzutreiben.
Schritt für Schritt in Richtung Smart City
Die Metropolen der großen Industrienationen sind das wichtigste Experimentierfeld für die Smart City. Hier finden ihre Technologie-Pioniere die nötige Infrastruktur vor – zum Beispiel leistungsstarke, flächendeckend verfügbare mobile Netze. Um die Vision der intelligenten Stadt zu verwirklichen, setzen sie vor allem auf die neue Mobilfunkgeneration 5G, die erstmals die Kapazitäten liefern wird, um Millionen von Geräten und Sensoren auf kleinem Raum mit Funkverbindungen auszustatten. Dieser Fortschritt ist für die Smart City unverzichtbar, denn nur eine allumfassende Vernetzung kann der städtischen Infrastruktur tatsächlich Intelligenz einhauchen.
Qualcomm erwartet die Marktreife der 5G-Technologien zum Ende des laufenden Jahrzehnts. Schon heute lässt sich aber beobachten, wie intelligente Technologien langsam in unsere Städte Einzug erhalten. Die Smart City wird unsere Städte nicht im Handumdrehen revolutionieren, sondern sie sukzessive umgestalten und verbessern. Die obigen Beispiele zeigen, welche Formen der Wandel annehmen kann.