Wie die IT der Festo AG neue Geschäftsmodelle entwickelt
21.02.2017 von Florian Maier
Roger Kehl, CIO des Jahres 2016, sprach auf den Hamburger IT-Strategietagen 2017 über die neuen Herausforderungen für die Unternehmens-IT und darüber, wie man diese bei der Festo AG bewältigt.
Nicht nur die Rolle des CIO, sondern die Rolle der IT insgesamt habe sich über die vergangenen Jahre stark gewandelt, so CIO Kehl von der Festo AG und CIO des Jahres 2016. Das Aufgabengebiet erstrecke sich nicht mehr nur darauf, die IT-Systeme am Laufen zu halten, sondern vielmehr auf sämtliche Bereiche im Unternehmen - etwa HR, Finance und Sales sowie die Produktion. Durch Industrie 4.0 und das Internet of Things sei es zudem die Aufgabe der IT zusammen mit den Fachbereichen, neue, innovative Geschäftsmodelle zu entwickeln.
Industrie 4.0 bei Festo
Um diese Aussage zu verdeutlichen präsentierte der CIO des Herstellers von Steuerungs- und Automatisierungstechnik zunächst drei aktuelle Digitalisierungsprojekte auf Produktionsebene:
In einem Kooperationsprojekt mit SAP hat Festo ein durchgängiges Produktionssystem etabliert. Das ermögliche unter anderem Realtime-Qualitätsmanagement. "Das ist ein klassisches IT-Projekt, wo Sie mit der Produktion zusammenarbeiten müssen", so der CIO.
Als zweites Beispiel führte Kehl die Einführung von iPads in der eigenen Fabrikhalle an. So werde eine schnellere und effizientere Instandhaltung ermöglicht: "Unsere Mitarbeiter bekommen über ihr iPad Modifikationen und Reparaturaufträge angezeigt, können auf Ersatzteillisten im Lager, Foto-Dokumentationen und Reparaturanleitungen zugreifen. Sie haben praktisch alle Prozesse in ihrer Hand." In der nächsten Stufe seien auch Informationen aus dem 'condition monitoring' und prädiktive Analysen angedacht.
Das letzte von Kehl angeführte Projekt-Beispiel drehte sich um die Produktionsverfügbarkeit und Performance von Maschinen und Anlagen: "Das Besondere daran ist, dass wir dazu die Microsoft Azure Cloud nutzen. In punkto Sicherheit haben wir mit den unstrukturierten Maschinendaten weniger Probleme (Data Security) als mit den Themen der mitarbeiterbezogenen Datenverarbeitung (Data Privacy). Daher werden diese Daten maskiert."
Alle drei Projekte haben laut dem Festo-CIO zum Ziel, "die Produktionsverfügbarkeit zu erhöhen, sicherer und schneller zu produzieren und am Ende des Tages die Herstellungskosten zu senken."
Die obligatorische Intelligenz der Dinge
"In der Vergangenheit war alles, was nach dem Verkauf stattgefunden hat, weniger relevant. Das hat sich meines Erachtens im Zeitalter der Digitalisierung sehr verändert", so der Festo-CIO auf den Hamburger IT-Strategietagen. Nach Inbetriebnahme, also mit Beginn des Lebenszyklus eines Produkts, bestehe die Chance, durch Mehrwert-Services Geld zu verdienen.
Das bedinge smarte Produkte. Diese, so Kehl, würden in erster Linie durch Software intelligent. Die IoT-Fähigkeit von Produkten sieht der Manager daher als wichtigstes Merkmal an, um Daten erhalten, auswerten und monetarisieren zu können.
Um "Dinge" intelligenter machen zu können, seien aus IT-Sicht drei Punkte entscheidend, wie Kehl erklärte: "Sie brauchen einen 'product key'. Wenn sie Millionen von Komponenten im Feld haben, müssen sie wissen, welche dieser Komponenten was macht. Sie brauchen außerdem Installed-Base-Informationen, sie müssen wissen, welche Produkte wann Firmware-Updates oder neue Software-Applikationen bekommen."
Die 'customer journey' sei der dritte wesentliche Aspekt hierbei, glaubt der Festo-Manager: "Wir sind erklärungsbedürftig. Die Frage ist, wie man diese Kundenschnittstelle flüssig und einfach gestalten kann, so dass der Kunde besser zurechtkommt. Hier haben wir zusammen mit anderen Abteilungen eine 'customer journey' entwickelt."
Domänenwissen für Mehrwert nutzen
Die größte Herausforderung für Festo und andere spezialisierte Hersteller liege derzeit darin, ihr Domänenwissen zu nutzen, um Mehrwert-Services zu etablieren, so Kehl.
Dabei spiele auch das Thema Ausbildung eine Rolle, wie der Festo-CIO erklärt: "Heute haben wir vollautomatisierte Anlagen, die eigentlich produzierende Rechenzentren sind. Um die zu bedienen, braucht man heute eigentlich Software-Ingenieure, statt wie in früheren Zeiten Mechaniker. Das Spielfeld der IT geht also heute auch in Richtung Maschinen und Anlagen. Dazu braucht man ganz andere Fähigkeiten und wir müssen uns überlegen, wie wir diese neuen IT-Aufgaben bewältigen."
Hamburger IT-Strategietage Umfrage "Drei Kernbotschaften an CIOs"
Daniel Hartert, Bayer Daniel Hartert, CIO bei Bayer, macht es kurz: "First: IT must be seen as a catalyst for innovation – otherwise there is no seat at the table. Second: Extensive collaboration with external partners and startups becomes mandatory and third: Cloud is inevitable."
Heiko Packwitz, Lufthansa Industry Solutions Heiko Packwitz, Chief Marketing & Communications Officer bei Lufthansa Industry Solutions, sagt: "CIOs müssen das Geschäft und die Prozesse ihres Unternehmens und ihrer Branche vollständig verstehen, um als Transformierer und Innovator gehört und ernst genommen zu werden. Sie müssen zweitens Netzwerker sein. Drittens: Bei der Digitalisierung steht trotzdem immer noch der Mensch im Mittelpunkt."
Andreas Klein, Deloitte Der Director Technology Advisory bei Deloitte, Andreas Klein, sagt: "Seien Sie anpassungsfähig - der Erfolg von CIOs hängt weniger von persönlichen Charaktereigenschaften oder Arbeitsstil ab. Definieren Sie ,Digital‘ neu. Investieren Sie in ein schlagkräftiges Team und IT-Kompetenzen."
Burkhard Kaufmann, Bitmarck Bitmarck-Geschäftsführer Burkhard Kaufmann erklärt: "Erstens: die digitale Transformation macht die Veränderung der Prozesse, der Denkweisen, der Geschäftsmodelle und der Governance notwendig. Zweitens: die Anforderungen an die Sicherheit für Dienstleister, Kunde und Partner werden durch die hohe Komplexität der Anwendungen und die vielen Schnittstellen enorm hoch. Drittens: die Zeiten der Abschottung und Abgrenzung der eigenen Produkte und die Produktionstiefe der eigenen Services sind vor dem Hintergrund der hybriden IT-Modelle und APIs endgültig zu Ende."
Matthias Spott, Kaskilo Matthias Spott ist CEO von Kaskilo. Seine drei Botschaften lauten: "Der Bedarf an Konnektivität wird in der Industrie 4.0 Welt exponentiell steigen. 5G wird nicht das Allheilmittel für die Konnektivitäts-Lösungen der Zukunft sein, da viele Fragen bei dieser Technologie noch ungelöst sind. Satellitengestützte Systeme werden in Zukunft integraler Bestandteil einer globalen Internetversorgung sein."
Thomas Fischer, All for one Steeb Der Digital Strategist und Managing Directer bei All for one Steeb, Thomas Fischer, sagt: "Es geht erstens nicht um Digitalisierung, sondern um die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit. Zweitens: Speed ist wichtig. Fangen Sie mit Einzelprojekten an. Drittens: Zeigen Sie, dass Sie über die IT hinausdenken. Denn Digitalisierung betrifft viele Handlungsfelder in Ihrem Unternehmen."
Lumir Boureanu, Eurodata Eurodata-Geschäftsführer Lumir Boureanu nennt diese drei Punkte: "Das Wachstumsmodell von digital Value basiert auf Expertise und Fokus. Treten Sie gleich mehreren Ecosystemen bei. Definieren und setzen Sie Ihren Ecosystemen Grenzen."
Michael Hilzinger, Klöckner Michael Hilzinger, General Manager bei Klöckner, erklärt: „Digitale Transformation ist erstens keine reine IT Disziplin, es bedarf klarer Priorisierung durch das Top Management, am besten durch den CEO. Zweitens müssen CIOs versuchen, den IT-Betrieb im Sinne von ,Keep the lights on'-Aktivitäten weitgehend zu automatisieren, um Ressourcen für Innovationsprojekte zu schaffen. Drittens: Speed in der Enterprise IT gelingt nur durch radikalen Fokus auf den Kunden-/Anwendernutzen.“
Ralf Gernhold, Miles & More Ralf Gernhold, CIO von Miles & More, appelliert: "Gründet Innovation Center innerhalb eurer Unternehmen - und nicht in Kalifornien oder Berlin. Eure IT Abteilung ist Innovationsschmiede, nicht Cost Center. 'Alte Meister + Junge Wilde’ ist die Erfolgsformel für gelebte digitale Transformation im Unternehmen.“
Martin Wibbe, Atos Schwungvoll ist die Botschaft von Martin Wibbe, Senior Vice President &COO bei Atos: „Erstens: Seien Sie Mutig und probieren Sie Dinge aus, suchen Sie zum jetzigen Zeitpunkt nicht nach Standards! Zweitens: Schauen Sie sich andere Branchen an und lernen Sie daraus, wie auch Sie sich innovieren können! Drittens: Befreien Sie Ihre Teams und sich selbst von ,IT Standardaufgaben', damit Sie sich auf die Zukunftsthemen konzentrieren können!“
Oliver Blüher, Dropbox Oliver Blüher, Country Manager DACH & Nordics bei Dropbox, erklärt: "Flexible Infrastrukturen und Cloud-Services sind die Zukunft. Große IT Investments mit ungewissem ROI wird es zukünftig nicht mehr geben – wer zur Anpassung bereit ist, dem ist auch der ROI sicher. Und: Die digitale Transformation verändert auch die Arbeitswelt - in klassischen Industrie-Unternehmen sind heute schon mehr als 40 Prozent der Arbeitsplätze PC-Arbeitsplätze."
Roger Kehl, Festo Festo-CIO Roger Kehl erklärt: „Erstens: Breite und Länge des Spielfeldes für den CIO wird neu vermessen - durch Industrie 4.0 stellen sich der IT neuen Herausforderungen in der Produktion. Zweitens: Mut zur Veränderung. Unser Umfeld ist geprägt durch ständige Paradigmenwechsel und Disruption. Drittens: Die Mitarbeiter auf die Reise mitnehmen und nicht vergessen – Arbeitskultur und -Anforderungsprofil ändern sich."
Matthias Frühauf, Veeam Matthias Frühauf, Regional Presales Manager CEMEA bei Veeam Software, sieht seine Botschaften unter dem Motto 24/7-Verfügbarkeit von Services. Er nennt diese Punkte: "Getestete und dokumentierte Failover-Szenarien, hoher Grad an Automatisierung, Integration von Cloud Services."
Martin Niemer, VMware Martin Niemer ist Director Advisory Services Central and Eastern Europe bei VMware: "Erstens: Die Zukunft wartet nicht, die Geschwindigkeit entscheidet über den Erfolg im Markt, Organisationen müssen in der Lage sein, das umzusetzen. Zweitens: Digitale Transformation beginnt beim Endnutzer, nur Projekte, die vom User angenommen werden, sind erfolgreich. Drittens: Hochgradige Standardisierung und Automatisierung können helfen, Abläufe zu beschleunigen und Wettbewerbsvorteile zu erzielen."