Wie lauten die Digitalisierungsziele von Zeiss?
Jürgen Klein: Der gesamte Vorstand hat in der Unternehmensstrategie den Weg skizziert. Digitalisierung ist darin ein Eckpfeiler. Eine formulierte Zielvorgabe ist beispielsweise die Etablierung von digitalen Plattformen mit Unternehmens- und Marktrelevanz. Jede Sparte muss das für sich übersetzen. Die Bereiche Vision Care, Medical Technology, Microscopy oder Industrial Metrology spezifizieren die digitalen Strategien für ihre Produkte und operationalisieren sie. Sie sind der Treiber der Digitalisierung. Dabei arbeiten sie eng zusammen, stimmen sich über Digitalinitiativen untereinander ab und machen sie transparent.
"Wir suchen den Austausch"
Was versprechen Sie sich dabei von der Zusammenarbeit mit CBA Lab?
Klein: Wir suchen den Austausch, denn andere Unternehmen haben ähnliche Herausforderungen bei der Digitalisierung. Wir bei Zeiss treiben beispielsweise bei uns in der Konzernfunktion IT Prinzipen, Strukturen und Prozesse für Microservice Architekturen, Advanced Analytics Plattformen, für die agile Entwicklung von digitalen Lösungen inklusive deren Betrieb in einem DevOps Modus sowie Multi-Cloud-Umgebungen voran und können die entsprechenden Erfahrungen einbringen.
Wir setzen stark auf Microsoft Azure und haben viel Erfahrung in der Umsetzung von digitalen Lösungen auf dieser Plattform. Beim Thema Blockchain jedoch sind andere Unternehmen weiter. Außerdem sind wir interessiert am Austausch zu Themen wie Hybride Architekturen und Multi-Cloud-Landschaften sowie Digital Twin Fragestellungen und Lösungsansätze. Alles ist ein Geben und Nehmen.
Aufgaben des Technology Portfolio Managers
Sie sind "Technology Portfolio Manager" für die Konzernfunktion IT. Was kann man sich darunter vorstellen?
Klein: Die Rolle ist verwandt mit der des Enterprise Architects. Allerdings stecken mehrere Elemente in diesem Begriff: Technology bezeichnet eher den fachlichen Fokus des Architektur-Auftrags. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den neuen Technologien, die im Zug der Digitalisierung in Unternehmen und entsprechend zur Weiterentwicklung der Enterprise Architektur relevant sind: IoT, Blockchain, Cloud, Analytics oder RPA sind nur einige Beispiele.
Portfolio Manager bedeutet die Betrachtung eines gesamten technischen Portfolios. Dabei müssen Fragen beantwortet werden wie "Reicht der Abdeckungsgrad, um eine digitale Transformation erfolgreich zu gestalten?" oder "Ist es das richtige Setting von Technologien?". Zudem hat ein Portfolio Manager eine Technologie-Radar-Funktion: Er muss Technologien schon in frühen Ausprägungen auf dem Schirm haben und sich mit ihnen auseinandersetzen - nicht nur reaktiv, sondern proaktiv.
Ein Beispiel dafür ist die Blockchain, die ich in meiner Rolle als enabling technology eingebracht und damit einen Prozess gestartet habe, der Use Cases evaluiert, die für Zeiss geeignet wären, um daraus Nutzen zu generieren.
Welchen Beitrag leistet dabei der Enterprise Architect?
Je stärker neue, digitale Produkte eine Integration in die Enterprise Backendsysteme benötigen, desto intensiver ist die Beteiligung bzw. Verantwortung der Enterprise Architektur in das jeweilige Projekt, um eine nahtlose Integration der jeweiligen Systeme und Applikationen sicherzustellen. Die Rolle des Enterprise Architekten begleitet die Projekte insbesondere in der initialen Designphase.
Aber natürlich findet in agilen Projekten auch signifikantes Architektur-Design "unterwegs" statt. Deshalb ist der Enterprise Architekt in regelmäßigem Kontakt mit den Lösungsarchitekten der Projekte. Das erfordert in der Praxis ein kooperatives Zusammenarbeiten und große Transparenz der täglichen Projektarbeit. Als hilfreich hat sich dabei die gemeinsame Definition von Design-Prinzipien herausgestellt.
Es gibt zwei EAM-Typen
Was zeichnet ein EAM heute aus?
Es gibt zwei EAMs: Eines, das die Effizienz optimiert und eines, das Veränderungen ermöglicht und beschleunigt. Unser aktueller EAM-Fokus liegt auf der Steuerung von Veränderungen. Dazu implementieren wir das Scaled Agile Framework (SAFe). Die klassischen EAM-Methoden passen nicht mehr optimal zum agilen digitalen Transformationszeitalter.
Sie müssen ergänzt und weiterentwickelt werden. Bei SAFe dagegen hat man neben der Sicht auf die zeitnahen Releases auch weiterhin eine Skizze des ganzen Bauwerks. Die Architekturziele lauten hier: schnelle Erfolge, Agilität, Tempo aufnehmen und verstärken - aber gleichzeitig darf die langfristige Perspektive auf das Thema nicht verloren gehen. Wenn man das mit dem Flug eines Flugzeugs vergleiche, dann wäre das Prinzip: Soviel Sichtweite, dass man sicher starten und landen kann, es ist nicht nötig, dass während des gesamten Fluges beste Sichtbedingungen herrschen.
Welche Rolle spielt dabei der Governance-Aspekt?
Natürlich ist Governance wichtig, jedoch nicht so wichtig wie bei klassischen Softwarelandschaften. Bei neuen Technologien müssen wir mehr zulassen und den Entwicklern mehr Verantwortung und Freiheit übertragen, die Werkzeuge ihrer Wahl zu verwenden, um zum optimalen Ergebnis zu kommen. Das ist ein Charaktermerkmal des agilen Vorgehens. Ein Portfolio Manager hat deshalb hier eine unterstützende und beratende Funktion.
Governance spielt jedoch dort eine wichtige Rolle, wo es um Compliance und Security geht - vor allem im Cloud-Bereich mit den verschiedenen Anbietern, Lösungen und Hostern. Auch bei Data Lakes ist Governance wichtig. Hier sind unter anderem die Aspekte Datenmanagement, Datenhandling. Datensicherheit, -verfügbarkeit, -integrität oder Data Privacy zu berücksichtigen.
Die Rolle der zentralen IT
Welche Funktionen nimmt die Konzernfunktion IT als Service-Provider für Zeiss wahr?
Aus der Konzernfunktion IT heraus erbringen wir Services für die Zeiss Gruppe, bieten Lösungen an und übernehmen dafür Verantwortung. Ein Beispiel ist der zentrale Service "Data Lake". Zentral deshalb, weil der Wert, der aus Daten gewonnen wird, umso größer ist, je mehr Daten integriert werden.
Auch die Integrationsfunktionen sind zentrale Services, die für die Kommunikation der digitalen Anwendungen untereinander und mit den Zeiss Core Systemen, wie z.B. dem ERP oder auch dem License Management System, zuständig sind. Im Kern ist das eine moderne Microservice Architektur, die REST APIs in einem modernen Enterprise Service Bus zur Verfügung stellt und die API-Landschaft managebar macht.
Das dritte Beispiel betrifft den zentralen Service Entitlement/Authentisierung. Das leitet sich auch aus dem Unternehmensverständnis als ´branded house´ ab: Alle Geschäftseinheiten arbeiten unter der Marke Zeiss. Der Kunde nimmt primär die Marke Zeiss wahr und deshalb ist es wichtig, dass er einen konsistenten Zugang zum Unternehmen hat.
Darüber hinaus haben wir beratende Funktionen für die verschiedenen Fachbereiche. Ob zentrale oder dezentrale Bereitstellung von Services hängt von der Geschäftsbereichsnähe ab. Je näher ein Dienst am eigenen Geschäft ist, desto eher wird er dezentral verfügbar gemacht. Immer dann, wenn wir uns von Zentralisierung einen signifikanten Benefit versprechen, liegt er in zentraler Hand.
Auch dazu ein Beispiel: In der Corporate IT wird keine Blockchain-Lösung entstehen. Es werden nur ausgewählte Geschäftslösungen auf Basis von Blockchain zusammen mit dem Business entwickelt und zentral lediglich eine Blockchain-Plattform als technologische Basis und Service eingebracht.
Die neue Einheit "Digital Innovation Partners"
Viele Unternehmen versuchen in Sachen Digitalisierung von Startups zu lernen. Zeiss auch?
Es gibt eine Einheit bei Zeiss, die vor rund zwei Jahren gegründet wurde: Die Abteilung Digital Innovation Partners in München. Das ist ein relevanter Treiber der digitalen Transformation von Zeiss. Hier werden unter anderem digitale Vorentwicklungen und Prototypen getrieben, die das Unternehmen im digitalen "go to market" schneller machen. Diese Einheit arbeitet in sehr enger Kooperation mit den Fachbereichen, um ein digitales Geschäftsmodell zu erproben. Alle neuen geschäfts- und kundenorientierten Lösungen benötigen zum Beispiel immer zwingend einen Product Owner aus dem Business.