Immer mal wieder hört man Klagen von Geschäftsführern oder Personalern großer Beratungshäuser über den Nachwuchs, dass die Reisebereitschaft von Jahr zu Jahr abnehme - selbst das Ausland habe in vielen Fällen seinen Reiz verloren. Frank Karcher, Personalchef der deutschen Niederlassung des weltweit tätigen IT-Dienstleisters Tata Consultancy Services (TCS) ist in der glücklichen Lage, dieses Leid mit seinen Branchenkollegen nicht teilen zu müssen. Das hänge damit zusammen, glaubt er, dass sich in seinem Unternehmen, das indische Wurzeln hat, nur solche Personen bewerben, die fremden Kulturen von Haus aus aufgeschlossen sind.
Voriges Jahr initiierte das Unternehmen ein europäisches Trainee-Programm für IT-affine Young Professionals. 2017 fand in Deutschland der erste Durchgang mit 35 Teilnehmern statt, jetzt sollen es europaweit rund 100 werden. Und man habe kein Problem, versichert Karcher, genug Teilnehmer für dieses Ausbildungsprogramm zu bekommen. Die Bewerber wissen, dass sie einige Monate in Indien verbringen werden.
Sie seien daher gegenüber fremden Kulturen im Allgemeinen und der indischen im Besonderen aufgeschlossen. Oft ließe sich schon aus dem Lebenslauf herauslesen - etwa durch viele Auslandsaufenthalte - ob sich der Kandidat fremden Kulturen gegenüber positiv eingestellt zeige, berichtet Personalprofi Karcher, der seit zehn Jahren diesen Job bei TCS ausübt und mittlerweile ein Gespür dafür hat, wem er zutrauen kann, in so einem international geprägten Umfeld zu arbeiten.
Gleiches Gehalt für Mann und Frau
Denn sehr wohl gelte es, in einer Firma mit indischen Wurzeln und europäischen oder amerikanischen Kunden auf kulturelle Unterschiede einzugehen, sagt Karcher. Und weil die Situation der Frauen in Indien immer wieder für Diskussionen sorgen, sei man sehr bemüht für Transparenz in Gehalts- und Karrierefragen zu sorgen. Im Übrigen habe man eine Frauenquote von 35 Prozent erreicht, was als solide Grundlage gelte, um in den nächsten Jahren mehr weibliche Führungskräfte etablieren zu können. In gleicher Funktion verdienten Mann und Frau dasselbe Gehalt.
Und natürlich seien auch die Karriere-Aussichten für alle Mitarbeiter identisch. Und diese sind gut, so Karcher, denn immerhin wächst das Unternehmen in Deutschland jährlich um mehr als 20 Prozent, so dass dem ehrgeizigen Nachwuchs viele Türen offenstehen. Noch eine Zahl freut den erfahrenen HR-Manager besonders: Die Fluktuationsquote ist einstellig, was in Beratungshäusern nicht selbstverständlich ist.
Andererseits sei die indische Kultur "extrem warmherzig und familiäre Aspekte ganz wichtig", weiß Karcher. Durch unterschiedlichste Veranstaltungen und Aktivitäten, die die Familien der Mitarbeiter einbezieht, versucht man ein harmonisches Miteinander zu praktizieren. So findet die von den Beschäftigten organisierte Weihnachtsfeier kombiniert mit dem indischen Lichterfest Diwali unter dem Motto "Light and Bells" statt - und die Familienmitglieder sind ebenfalls eingeladen. Darüber hinaus organisiert TCS zusätzlich Family Days, ein deutsch-indisches Kulturfest und auch Sports Days - unter anderem mit einem Fußballturnier.
Recruitung durch die eigenen Mitarbeiter
Vielleicht lässt sich durch diese vielen Aktivitäten auch erklären, warum das Empfehlungsprogramm für Mitarbeiter so gut läuft. Rund 35 Prozent der neuen Kollegen kommen auf Vermittlung der eigenen Beschäftigten. Natürlich arbeite man als Personaler mit dem ganzen Recruiting-Arsenal - von der Präsenz auf Hochschulkontaktmessen bis hin zur Beauftragung von Personalberatern - um neue Mitarbeiter einzustellen.
Gute Erfahrungen macht Karcher mit dem Karriereteil auf der eigenen Homepage und den dort gezeigten Videos, in denen Mitarbeiter über ihre Arbeit berichten. Zurückhaltend ist er eher beim Thema Active Sourcing, wo er nicht unbedingt die Euphorie einiger Personaler teilt, unter anderem aus rechtlichen Gründen. Für die 1800 in Deutschland beschäftigten Mitarbeiter warten auf jeden Fall weiterhin interessante Aufgaben. Und für die, die ein internationales Umfeld schätzen, könnte TCS eine Alternative sein.