Richard Cross verfolgt ein ehrgeiziges Ziel. Bis zum Jahr 2020 will er sämtliche IT-Systeme des Konzerns in dieCloudmigriert haben. Die Vorgabe ist Teil eines größeren Plans, den der international tätige Technologie- und Serviceanbieter Atkins im Rahmen seiner "Digital-by-Default"-Strategie verfolgt. Die Auswahl einer passenden Cloud-basierten Office-Suite sei nicht schwergefallen, berichtet Cross, der im Mai 2015 vom CIO zum Chief Digital Officer avancierte: "Wir haben uns auch Google Docs angesehen. Doch der große Vorteil von Office 365 liegt darin, dass die Mitarbeiter schon mit den Office-Produkten vertraut sind."
Mit seinem Migrationsprojekt befindet sich der CDO in guter Gesellschaft. Etliche Unternehmen vom Kaliber der britischen Atkins-Gruppe haben ebenfalls Cloud-Vorhaben mit Office 365 in Angriff genommen. Erst kürzlich kündigte sogar Facebook an, seinen gut 13.000 Mitarbeitern Office-365-Dienste zur Verfügung zu stellen. Microsoft nennt zwar keine Zahlen zu den weltweit verkauften Office-365-Abos. Doch die Anzahl der kommerziellen Office-365-Seats ist nach Unternehmensangaben im Vergleich zum Vorjahr um 57 Prozent gestiegen. Insgesamt sollen bereits mehr als 70 Millionen Benutzer monatlich mit den Office-Diensten aus der Cloud arbeiten.
Office 365 E5 für alle Mitarbeiter
Bemerkenswert am Atkins-Projekt ist nicht nur die schiere Größe, sondern auch, dass sich der Konzern mit Office 365 E5 für eine relativ teure Lizenzvariante entschieden hat. Im Vergleich zum kleineren Paket E3 offerierte Microsoft mit E5 zusätzliche Funktionen für Kommunikation, Kollaboration, Analytics und Sicherheit. Dazu gehört auch eine Cloud-basierte Telefonanlage. Das E5-Lizenzmodell eigne sich am ehesten für echte "Power User", urteilt Cross. Bei genauer Betrachtung treffe diese Beschreibung auf die meisten Atkins-Angestellten zu. Deshalb habe man sich zu dem ungewöhnlichen Schritt entschlossen, alle Mitarbeiter auf E5 zu migrieren.
Neben technischen und organisatorischen Erwägungen habe auch der Preis eine Rolle gespielt, konzediert der CDO. Wie viele andere Anwenderunternehmen stand Atkins vor dem Problem, dass für klassische Versionen von Microsoft Office bereits Desktop-Lizenzen gekauft worden waren. Der Wechsel auf ein Abo-Modell bedeutet in diesem Fall meist eine hohe zusätzliche Investition. Die Verhandlungen mit Microsoft waren "kompliziert", berichtet Cross. Doch er deutet an, dass er am Ende einen satten Rabatt auf den Listenpreis herausholen konnte. Auch in Deutschland veranschlagt Microsoft mit 29,50 Euro pro Nutzer und Monat eine relativ hohe Gebühr für Office 365 E5. Die kleinere Variante E3 kostet mit 19,70 Euro erheblich weniger.
Gartner: Preisverhandlungen mit Microsoft sind Pflicht
Preisverhandlungen mit Microsoft sollten fester Bestandteil jedes Office-365-E5-Deals sein, rät denn auch Dolores Ianni, Research Director bei Gartner: "E5 ist kein besonders erfolgreiches Produkt, also verhandelt man natürlich. Niemand, der bei Verstand ist, zahlt den Listenpreis." Den aus ihrer Sicht bislang überschaubaren Erfolg des Ende 2015 eingeführten Lizenzmodells führt sie auf das im Vergleich zu Microsofts umfassender Enterprise Cloud Suite (ECS) "nicht konkurrenzfähige" Pricing zurück. In vielen Fällen seien beispielsweise Kunden, die eine E5 USL (User Subscription License) erworben haben, gezwungen, für weitere kostenpflichtige Features aus ECS zu bezahlen.
Für die Gespräche mit Microsoft hat Cross einen simplen Tipp parat: "Es mag selbstverständlich klingen, aber in den Verhandlungen sollte klar werden, was genau in Office 365 enthalten ist und was nicht." IT-Verantwortliche müssten darüber hinaus sicherstellen, dass die eigenen langfristigen Anforderungen zu Microsofts Roadmap für Office 365 passen. Der CDI schickte dazu auch einige Mitarbeiter nach Redmond, um mit dem Produktteam am Microsoft-Hauptsitz zu sprechen.
Office-365-Rollout: Pull- statt Push-Prinzip
Kritisch in der Rollout-Phase war zunächst die Auswahl eines geeigneten Hosting-Standorts. Als international tätiges Unternehmen unterhält Atkins Niederlassungen in Europa, Nordamerika, dem Mittleren Osten und im asiatisch-pazifischen Raum. "Die Herausforderung für globale Organisationen ist, dass sie sich mit einer Office-365-Lizenz für einen Ort entscheiden müssen, an dem das System gehostet wird", erläutert Cross. "Das bedeutet, man muss die Netzwerk- und Connectivity-Bedingungen sehr genau prüfen."
Den Rollout-Prozess organisiert der Manager nicht als Big Bang. Statt einzelne Abteilungen oder Niederlassungen schrittweise auf Office 365 zu migrieren, lässt er die Mitarbeiter selber entscheiden, in welchem Tempo sie auf den Abo-Service umsteigen. "Wir haben ein Pull- und kein Push-Verfahren für den neuen Service entwickelt", berichtet der CDO. "Wir erklären den Business Case und zeigen, was die Tools leisten." Bisher hätten sich beispielweise 10.000 Mitarbeiter entschieden, das interne Social Network Yammer zu nutzen. Cross: "Manchmal kann es sehr schnell gehen, es funktioniert wie virales Marketing."
Von denjenigen Nutzern, die auf Office 365 umgestiegen sind, habe es bislang keine Beschwerden bezüglich Usability oder Funktionalität gegeben. Die Mitarbeiter könnten zudem weiterhin bei Bedarf die Desktop-Applikationen nutzen, da diese Bestandteil des Office 365-E5-Pakets sind. Unterm Strich, so Cross, bevorzugen etliche Nutzer schon jetzt Office-Dienste, die sich einfach per Browser bedienen lassen. Besonders attraktiv sei für sie die Option, Office 365 auch auf Smartphones und Tablets zu nutzen.
(mit Material von www.cio.com)