Henry Widera ist CIO der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) und ein eloquenter Vertreter der neuen Generation von IT-Verantwortlichen. Diese zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass sie sich - stärker als die Vorgänger - um das Thema Personal im Allgemeinen sowie Recruiting und Mitarbeiterbindung im Besonderen, selbst kümmern. Kümmern müssen, denn gute IT-Mitarbeiter fehlen an allen Ecken und Enden.
Im ersten Talent Talk der Hamburger IT-Strategietage diskutierte Widera mit Gabriele Fanta, Personalchefin der Körber AG. Das Thema war, auf welchen Wegen sich IT-Mitarbeiter, vor allem Mitarbeiterinnen, rekrutieren lassen und was Arbeitgeber tun müssen, um die Belegschaft zu halten. Moderiert hat dieses Gespräch Julia Freudenberg, die Geschäftsführerin der Hamburger Hacker School.
Auch ITler fahren öffentlich
Das ist deshalb erwähnenswert, weil sie normalerweise selbst Diskussionsteilnehmerin solcher IT-Karriererunden ist. Die Hamburger Hacker School beschäftigt sich genau mit diesen Fragen: Wie bringt man vor allem Mädchen, junge Frauen, junge Menschen mit Migrationshintergrund und Quereinsteiger durch unterschiedliche Trainingsmaßnahmen in Kooperation mit interessierten Arbeitgebern in die Hightech-Branche? Von dieser Kompetenz der Moderatorin profitierte natürlich die kurzweilige Diskussion.
Die Personalerin und der IT-Chef waren sich einig, dass die Arbeitgeber vor allem in der IT neue, auch unorthodoxe Wege beschreiten müssen, um die begehrte Klientel ins Unternehmen zu holen. So liegt es für die BVG nahe, in den öffentlichen Verkehrsmitteln die Jobs publik zu machen. Damit habe man gute Erfahrungen gemacht hat. "Sie glauben es nicht, aber auch ITler fahren Bus und Bahn", kommentierte der IT-Chef schmunzelnd diese Aktion.
Mitarbeiter werben Mitarbeiter
Eine weitere wichtige Aktion, die laut Widera noch ausbaufähig ist, ist das Mitarbeiter-werben-Mitarbeiter-Programm. Denn "wir sind der viertgrößte Berliner Arbeitgeber mit 16.000 Mitarbeitern", regional stark verwurzelt - da müssten doch seine Mitarbeiter eine Menge Freunde, Verwandte und Bekannte haben, denen man die BVG schmackhaft machen könnte.
Zumal, das betont der promovierte Ingenieur Widera auch, man gute Argumente hat, um als attraktiver Arbeitgeber zu gelten. Sei es die Sicherheit des öffentlichen Arbeitgebers, höchst interessante Aufgaben rund um die Digitalisierung des öffentlichen Nahverkehrs, aber vor allem auch das Thema Nachhaltigkeit und klimaschonender Verkehr.
Für die Personalerin Fanta ist schon lange klar, dass man als Arbeitgeber auf möglichst vielen Hochzeiten tanzen muss, um die begehrten Nachwuchstalente einzustellen. Das gelte erst recht für Maschinenbauer. So gehören Hackathons, Active Sourcing, Hochschulaktivitäten oder eben auch Mitarbeiterwerbeaktionen zu den Standards.
Besonders erfolgreich war ein 24-Stunden-Karrieretag. Rund um die Uhr konnten Interessierte mit Mitarbeitern des Unternehmens in Kontakt treten. Das lief so gut, dass Fanta im nächsten Schritt den Tag auf eine Woche verlängerte. Wobei sie zugibt, dass man solche Aktionen nicht beliebig oft wiederholen kann.
Entwicklerinnen verzweifelt gesucht
Besondere Herausforderung bleibt, mehr Frauen für die IT zu begeistern und einzustellen. Widera versucht es auf die pragmatische Art: Wenn es auf eine Stelle nur männliche Bewerber gibt, muss man versuchen zu verstehen, warum dies so ist und im Zweifel auch mal länger suchen, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, diverse Bewerbungen zu erhalten."
Man brauche Geduld und wenn sich auf eine Entwicklerstelle nur männliche Bewerber melden, wird solange ausgeschrieben und gewartet, bis sich auch Entwicklerinnen bewerben.
Personalerin Fanta setzt auf positive Beispiele von Frauen, die in der IT arbeiten und vorgestellt werden. Sie organisiert Diversity Talks und achtet darauf, dass in gemischten Teams gearbeitet wird. Im Active Sourcing versuche man gezielt Frauen mit IT-Hintergrund anzusprechen.
Natürlich sei man in den sozialen Medien aktiv, wie beide Redner betonen. Zum Beispiel, werden auf Linkedin immer mal wieder Mitarbeiter porträtiert, um glaubwürdig zu zeigen, wie das Unternehmen tickt. Das sei entscheidend für Arbeitgeber.
Authentisch aufzutreten - "das ist ganz wichtig", wie Widera und Fanta hervorheben. Man könne nicht den roten Teppich im Bewerbungverfahren ausrollen und dann nicht liefern. Vor allem die junge Generation stelle kritische Fragen, die vor fünf Jahren undenkbar waren - etwa, wenn es um Themen wie Nachhaltigkeit, Work Life Balance oder Homeoffice geht.