Social Collaboration

Wie ein Tool Volkswagen verändert

21.06.2016 von Heinrich Vaske
Unter dem Schlagwort Social Collaboration (SC) etablieren Unternehmen eigene Plattformen, die den Austausch zwischen einzelnen Mitarbeitern, Fachabteilungen und Hierarchien grundlegend verändern. Am Beispiel von "Group Connect" des Volkswagen-Konzerns zeigt sich, dass zum Erfolg solcher Projekte mehr gehört als nur eine funktionierende Software.
  • Zunächst wurde die auf Jive basierende Social-Collaboration-Plattform "Group Connect" in der IT-Abteilung eingeführt
  • Oberfläche wurde an Corporate Design und interne Strukturen angepasst
  • Erfolg, weil alle an einem Strang ziehen - auch das Topmanagement

Mit der vernetzten Arbeitswelt verändern sich die Anforderungen an eine zeit- und ortsunabhängige Zusammenarbeit. Das zeigt sich heute ebenso beim Freiberufler, der den Projektfortschritt mit seinem Auftraggeber in einem Video Call bespricht, wie beim Global Player, dessen Fachabteilungen in weltweiten Teams arbeiten. In Unternehmen, deren Niederlassungen über den Globus verteilt sind, hat sich allerdings an den einzelnen Standorten oft eine über Jahre gewachsene Silo-Mentalität eingeschlichen. Ein Dialog oder Wissenstransfer zwischen den eigenen Experten findet im schlechtesten Fall kaum bis gar nicht statt. So bleiben wertvolle Synergieeffekte und Innovationspotenziale ungenutzt.

Kürzere Entwicklungszyklen und technische Innovationen können Volkswagen helfen, zukunftsfähig zu bleiben. Dazu sind neue Formen der Zusammenarbeit ein Schlüssel.
Foto: nikshor - Shutterstock.com

Auch im Volkswagen-Konzern gab es eine ähnliche Situation. Um die Strukturen aufzubrechen, gab die Konzern-IT 2013 den Startschuss für den Aufbau einer eigenen Social-Collaboration-Plattform: Group Connect. Sie ist das Werkzeug, um Silos einzureißen und zunächst die Zusammenarbeit der über 11.000 IT-Mitarbeiter aus den verschiedenen Ländern, Marken und Fachabteilungen zu fördern.

Interoperabilität und Usability sind entscheidend

Wer Social Collaboration erfolgreich im Unternehmen einführen will, sollte einige Dinge beachten. Am Anfang steht die Suche nach einer geeigneten Lösung, die zu den eigenen Strukturen passt. Dabei muss das Rad nicht neu erfunden werden: Es gibt mittlerweile verschiedene Standardlösungen, die keine zeit- und kostenintensive Anpassungen benötigen. Nach einem umfangreichen Evaluationsprozess fiel die Wahl der Group IT auf die Anwendung Jive, die alle funktionalen Anforderungen erfüllte. Darüber hinaus stellt sie eine entsprechende Schnittstelle für den Representational State Transfer (REST) bereit sowie Konnektoren zum unkomplizierten Einbinden in die bestehenden Systeme.

Dabei ist die Interoperabilität mit der internen Infrastruktur zwar wichtig, aber nicht allein erfolgsentscheidend. Vor allem auf die soziale Komponente kommt es an. Mit dem Aufbau von Social Collaboration im Unternehmen geht in der Regel ein kultureller Wandel einher. Im Mittelpunkt stehen die Nutzer, ohne deren aktive Anteilnahme es nicht funktioniert. Es ist wichtig, den Mitarbeitern den Einstieg in das Tool so einfach wie möglich zu machen.

Hier kommt die Usability ins Spiel. Die gängigen SC-Lösungen korrespondieren in der Regel mit dem Look and Feel von Social-Media-Netzwerken, die wiederum eine intuitive Bedienbarkeit mitbringen. Mit der Usability steht und fällt der Erfolg für Social Collaboration im Unternehmen. Wenn Zugangshürden und Nutzerführung zu komplex ausfallen, bleiben die Teilnehmer fern und das Projekt ist zum Scheitern verurteilt.

Um sicherzustellen, dass die Funktionen nutzerfreundlich sind, hat die Group IT von Volkswagen vorab eine Testgruppe mit Mitarbeitern aus unterschiedlichen Fachbereichen und Hierarchieeben zusammengestellt. Sie prüften Group Connect auf seine Alltagstauglichkeit. Durch kleinere Anpassungen der Oberflächen, beispielsweise im Wording, der Reihenfolge und der Anordnungsstruktur fügt sich das Tool nun in das Corporate Design und die internen Strukturen ein.

Nutzer muss eigenen Vorteil erkennen

Social Collaboration ist kein Selbstläufer, es braucht gerade in komplexen Konzernstrukturen seine Zeit. Die Organisatoren müssen in jedem Fall aktiv auf die Nutzer zugehen und für das Tool werben. Eine Informationsoffensive auf allen Ebenen entscheidet mit über den Erfolg. Dem Start von Group Connect sind verschiedene Maßnahmen vorausgegangen, um das Tool in der Volkswagen-Group-IT bekannt zu machen. Dafür eignen sich bereits bestehende interne Kanäle wie Mitarbeiterzeitungen, Intranet oder Plakate und Newsletter. Der Schlüssel zum Erfolg: Die Mitarbeiter müssen die Vorteile für sich und ihre tägliche Arbeit erkennen.

Studie der Hochschule RheinMain und FeelgoodatWork über Enterprise 2.0
Enterprise 2.0 in deutschen Unternehmen
Das Fazit der Studie "Enterprise 2.0 - Status quo 2015" unter mehr als 200 deutschen Unternehmen zeigt, dass die Erwartungen oft enttäuscht werden. Die Analyse stammt von der Wiesbaden Business School an der Hochschule RheinMain und Feelgood@work.
Begriffsklärung
Die meisten Befragten kennen den Begriff Enterprise 2.0, aber nicht jeder kann ihn genau bestimmen.
Steuerung
Nicht alle Unternehmen, die Enterprise 2.0 einsetzen, steuern die Nutzung konsequent.
Erwartungen
Die Erwartungen an Enterprise 2.0 sind vielfältig.
Wunsch und Wirklichkeit
Oft sehen die Befragten ihre Erwartungen nicht erfüllt.
Umsetzung
Geht es nach den Befragten, sollte sich die Geschäftsführung in puncto Enterprise 2.0 stärker engagieren als die IT-Abteilung.
Veränderungen
Die Studienteilnehmer sind sich der Veränderungen bewusst, die sie von ihrem Team erwarten, unterstützen die Mitarbeiter aber nur bedingt.

Social Collaboration dient in erster Linie dazu, die Kommunikation zwischen Mitarbeitern zu verbessern und so die aktive Zusammenarbeit zu fördern. In Foren sind Diskussionen leichter zu verfolgen und führen durch den direkten Austausch zu schnelleren Entscheidungen. Eine solche "Unterhaltung" via E-Mail zu verfolgen, wird bei mehreren Teilnehmern allein durch die Vielzahl einzelner Nachrichten schon nach wenigen Beiträgen unübersichtlich.

Außerdem kostet das Heraussuchen und Öffnen einzelner E-Mails zusätzlich Zeit. In Foren-Threads innerhalb des Social-Collaboration-Tools erhalten sämtliche Mitarbeiter die Möglichkeit, eigenes Know-how zu einem Thema einzubringen und durch andere Perspektiven neue Impulse zu geben. Mit einer zentralen Plattform für alle Mitarbeiter verschwinden regionale, zeitliche und hierarchische Grenzen, die einem übergreifenden Austausch bisher im Wege standen.

Vielseitiger Mittelpunkt der Zusammenarbeit

Social Collaboration vereinfacht das Suchen und Finden von Experten und ihre Vernetzung. Auf dieser Basis fußt der Aufbau agilerer Prozesse für Arbeitsweisen, wie sie unter anderem in der IT für agile Software-Entwicklung in Scrum-Teams Voraussetzung sind. Es ergeben sich neue Möglichkeiten, Wissen und Informationen bereitzustellen und andere daran teilhaben zu lassen. Damit der Stein ins Rollen kommt, braucht es für einen wirklichen Wandel zudem ein klares Bekenntnis des Managements und der Führungskräfte, die als Vorbild vorangehen. So bloggt in Group Connect unter anderem der Volkswagen Konzern-CIO zweisprachig über verschiedene Themen und steht mit der Community im Dialog.

In den Foren tauschen sich die Mitarbeiter in verschiedenen Threads aus. Gruppen ermöglichen es ihnen, Fragestellungen und Antworten zu einem Thema zu bündeln und bei Bedarf schnell abzurufen. So gibt es beispielsweise eine Gruppe für Java, in der Mitarbeiter Threads zu verschiedenen Aspekten rund um Java erstellt haben.

Die Einträge gehen über neueste Konferenzberichte, Fragen zu Plugins und Erfahrungswerten. Eine andere Gruppe wiederum bietet die Plattform für Fragen und Diskussionen zu Servern. Die Gruppe ist offen für alle zugänglich. Dadurch hat jeder die Möglichkeit themenbezogene Threads zu erstellen. Bei einer Frage zu Updates von Apache HTTPD auf Microsoft Windows gab es innerhalb kurzer Zeit schon die erste Antwort mit Links zu weiterführenden, hilfreichen Informationen.

Der Vorteil von Plattformen wie Group Connect sind die multimedialen Formate, mit denen Nutzer Inhalte teilen und daran partizipieren. Finden spezielle Veranstaltungen für Führungskräfte statt, stehen die dort gezeigten Vorträge und Präsentationen am nächsten Tag als Videomitschnitte allen Mitarbeitern zur Verfügung. Auf diese Weise erfolgt eine Transformation aus der Anwendung hinaus ins die reale Arbeitswelt.

Offene und transparente Kommunikation ist das große Ziel von Social Collaboration. Möchte dennoch eine Gruppe in einem geschlossenen Rahmen Themen diskutieren oder Dokumente bearbeiten, hat sie die Möglichkeit, den Zugang zur Gruppe auf eingeladene Mitglieder zu beschränken.

Evolution von Social Collaboration

Mit steigenden Nutzungszahlen und zunehmendem Reifegrad verändern sich zusätzlich die Bedürfnisse der User. Aus diesem Grund gehören bei Social Collaboration kontinuierliche Anpassungen auf die Agenda. Durch das schrittweise Ausweiten auf andere Fachbereiche haben bereits mehr als 220.000 Mitarbeiter Zugang zu Group Connect. Aktuell ist das Einbinden anderer Collaboration-Anwendungen wie Sharepoint, interner Wikis oder Conference-Tools ein wichtiges Thema.

An diesem Punkt erreicht Social Collabortation eine neue Evolutionsstufe: von der simplen Kommunikation und einfachen Anwendungen hin zu komplexeren Szenarien und dem Abbilden ganzer Fachprozesse. Group Connect entwickelt sich zum zentralen, virtuellen Arbeitsplatz, aus dem heraus Mitarbeiter Zugriff auf viele für sie relevanten Anwendungen und Datenbanken erhalten.

Hierarchien werden durchlässiger, Wissen verteilt sich

Die eigentliche Herausforderung bei Social Collaboration ist weniger der technische Aspekt als vielmehr der nachhaltige Einsatz und Erfolg. Gelungene Plattformen verbessern nicht nur die Art und Weise der Zusammenarbeit, sondern leiten einen kulturellen Veränderungsprozess ein. Hierarchien werden nicht zwangsläufig aufgehoben, aber durchlässiger. Die Transparenz ermöglicht Mitarbeitern, an vorhandenem Wissen teilzuhaben, es für eigene Projekte zu nutzen und sich selbst in Expertengruppen zu organisieren. Für Unternehmen bedeutet das letztlich einen höheren Grad an Effizienz, Agilität und Innovation.