Die erste Frage, die sich Unternehmen bei der Auswahl von digitalen Tools wie Videokonferenz- oder Collaboration-Software häufig stellen, ist folgende: Brauchen wir eine Reihe an hochspezialisierten Tools oder lieber eine All-in-One-Lösung? Eine so allgemeine Frage lässt sich nicht pauschal beantworten. Dennoch gibt es Parameter, die bei der Entscheidung helfen.
"Bei sehr kleinen Unternehmen und Teams beispielsweise macht es Sinn, auf eine Lösung zu setzen, die viele Prozesse abdeckt", meint Uwe Matern, Geschäftsführer bei Digitales für Unternehmen. Denn dort übernehme eine Person meistens mehrere Rollen, weshalb es eher zermürbe, ständig zwischen verschiedenen Tools zu wechseln.
"Hochspezialisierte Teams hingegen fahren besser mit einem Tool, das genau auf deren Aufgaben zugeschnitten ist und diese perfekt unterstützt", so Matern. Welche das sind, müsse im Unternehmen aber erst intern eruiert werden, bevor möglicherweise schillernde, aber im Endeffekt unnütze Technologien eingekauft werden.
Tool-Chaos vermeiden
Was unter allen Umständen vermieden werden sollte, sei ein Tool-Chaos, empfiehlt IT-Experte und -Consultant Björn Bobach. Denn: "Je mehr verschiedene Plattformen es gibt, desto unklarer wird, was in welchem Tool geschehen soll." Sein Expertentipp lautet: Je ein Tool zur Erstellung und Verwaltung von gemeinsamen Dokumenten, eines für die Strukturierung der Aufgaben und bei großen Teams ein zusätzliches Tool für die interne Kommunikation.
Bei der Auswahl der konkreten Tools gibt es eine klare Devise: "User first". Das beste Tool bringt nichts, wenn es die Bedürfnisse der Nutzer nicht erfüllt - denn letztlich sind es die Kolleginnen und Kollegen in den einzelnen Abteilungen, die mit den zukünftigen Systemen täglich arbeiten müssen.
Um die Bedürfnisse der Mitarbeiter kennenzulernen, ist es ratsam, zunächst einen Anforderungs-Workshop zu gestalten - je nach Dimension des Tools kann ein solcher einige Stunden dauern oder sich über mehrere Monate erstrecken. Ziel solcher Workshops sei es, zu verstehen, wo den Anwendern im heutigen System der Schuh drückt und welche Verbesserungen sie sich durch ein zukünftiges Tool wünschen. "Dabei wird immer wieder deutlich, dass dies oftmals ganz andere Dinge sind, als das Management im Auge hat", sagt Berthold Glass, Gründer der Digitalisierungs-Initiative der Deutschen Wirtschaft.
Neben Mitarbeitern, Management und Geschäftsführung sollten bei der Wahl der richtigen Tools auch von Anfang an IT-Experten und die oder der Datenschutzbeauftragte mit am Tisch sitzen, um neben Funktionalität auch Sicherheit zu gewährleisten.
Erst evaluieren, dann implementieren
Ist die Auswahl der Software getroffen, steht der nächste große Schritt an: die Implementierung. Aus finanzieller Sicht ist es ratsam, die neuen Tools in kleinen Teams zu evaluieren, bevor man sie im ganzen Unternehmen ausrollt. Hier können externe Spezialisten unterstützen, um die Einführungsgeschwindigkeit zu erhöhen - "ein Faktor, der für die Akzeptanz der Mitarbeiter entscheidend ist", sagt Markus Dreier, Geschäftsführer bei teamwork digital.
Spätestens dann, wenn das Tool im ganzen Unternehmen etabliert werden soll, sollte es auch gemeinsame verbindliche Nutzungsregeln geben, damit die Tools auch von allen auf die gleiche Art und Weise genutzt werden. Unter allen Umständen ist zu vermeiden, den Mitarbeiter mit dem neuen Tool allein zu lassen, sowohl zu Beginn als auch im Tagesgeschäft, rät IT-Consultant Bobach: "Eine Herangehensweise à la 'Hier ist das Tool, nutze es' ist kontraproduktiv."
Deswegen dürfen gerade bei komplexen Tools sorgfältige Schulungen nicht fehlen, die den Mitarbeitern die Funktionsweise und die Vorteile der Tools erklären. Auch wenn Unternehmen gerade daran gerne sparen: Trainings sind ein echter Game Changer. Je nach Tool können die Schulungen auch als Webinar aufgenommen werden und dann live oder on demand angeboten werden.
Zusatzkosten sind ein notwendiges Übel
Die Frage nach den Kosten ist sehr stark abhängig vom Tool und auch davon, wie viele Mitarbeiter es nutzen. Ein kleines teaminternes Tool kostet natürlich weniger als eines, welches im ganzen Unternehmen ausgerollt wird. Deswegen ist der Spielraum groß. "Das kann von ein paar tausend Euro bis in die Millionen gehen", erläutert Dreier. Der Expertenschätzung zufolge sollte man mit zirka 50 bis 60 Euro monatlich pro Mitarbeiter an Lizenzkosten rechnen.
Neben den Lizenzgebühren für die Software fallen allerdings immer auch Kosten für Beratung, Workshops und Trainings an. Gerade diese "Nebenkosten" tragen allerdings entscheidend zur Akzeptanz und zum Erfolg oder Misserfolg eines Tools bei. Handelt es sich um eine Software, die der digitalen Transformation des Unternehmens dient und von (fast) allen Mitarbeitern genutzt werden soll, ist es essenziell, dieses zusätzliche Geld zu investieren. Denn im Idealfall holt der Produktivitätsgewinn die Kosten über kurz oder lang wieder rein.
Hoher Aufwand, große Wirkung
Egal, ob groß oder klein, der Ressourcenaufwand für die Einführung digitaler Tools sollte von Unternehmen nicht unterschätzt werden. Aber gerade in Zeiten von zunehmender Remote Work werden sie für viele zum unerlässlichen Werkzeug. Verantwortliche sollten sich im gesamten Prozess immer wieder vor Augen führen: Die digitalen Tools sollen den Mitarbeitern und der Firma dienen, nicht andersherum! Denn im Idealfall entlastet die Software die Mitarbeiter in ihrer täglichen Arbeit und schafft Raum für neue Aufgaben und Tätigkeitsbereiche. (mb)