In einer Welt, die sich kontinuierlich verändert, werden neue und vor allem innovative Ideen für Unternehmen immer wichtiger. Durch die Digitalisierung werden Prozesse und Produkte immer schneller entwickelt. Der Markt ist somit ständig in Bewegung. Doch was ist für Kunden heute wirklich relevant? Immer mehr Features eines Produkts oder ein konsequent am Kunden und dessen Anforderungen orientiertes Produkt?
Genau an dieser Stelle setzt die Innovationsmethode Design Thinking an. Die von David Kelly, Gründer der Design-Agentur Ideo, entwickelte Methode bringt interdisziplinäre Teams zusammen, um Interaktionen, Prozesse und Produkte bewusst zu gestalten. Dabei steht ganz nach dem Build/Measure/Learn-Ansatz, auf den auch Lean Startups zurückgreifen, die nutzerorientierte Entwicklung im Vordergrund. Durch den Einsatz von Design Thinking zu Beginn der Produkt- und Projektentwicklung wird außerdem das Prozessrisiko durch das frühzeitige Validieren verschiedener Lösungsansätze erheblich reduziert.
Design-Thinking-Prozess
Der Design-Thinking-Prozess ist in sechs Schritte unterteilt, die wiederum in die drei übergeordneten Phasen Inspiration und User-Research, kreative Ideenentwicklung sowie Erstellen und Testen von Prototypen unterteilt werden. Dieser Ansatz kann außerdem durch die strategische Ausgestaltung der entwickelten Lösungen und deren Implementierung ins Unternehmen ergänzt werden.
1. Verstehen: Zu Beginn jedes Design-Thinking-Prozesses steht eine gut formulierte, offene Frage. Diese sollte die folgenden vier Aspekte adressieren:
Was soll (neu) entwickelt werden?
Für wen soll die Entwicklung relevant sein?
Welche wesentlichen Rahmenbedingungen müssen berücksichtigt werden?
Was für ein Endzustand sollte erreicht werden?
Diese Fragen können im Laufe des Prozesses weiter spezifiziert oder komplett geändert werden.
2. Beobachten: In der zweiten Phase geht es darum, die Bedürfnisse und Anforderungen aller relevanten Stakeholder zu untersuchen. Dabei geht es nicht nur um die festgelegte Zielgruppe, sondern auch um sonstige Projektbeteiligte, Zulieferer oder Regulierungsbehörden. Die wesentlichen Tools sind hierbei die Beobachtung von realen und potenziellen Kunden, das Führen von Interviews sowie die Markt- und Mitbewerberanalyse.
3. Erkenntnisse zusammenfassen: Die gesammelten Eindrücke werden nun in der sogenannten Synthese-Phase verdichtet, um tatsächlich belastbare Erkenntnisse zu erhalten. Um die Ergebnisse für die nächste Phase festzuhalten, und nutzbar zu machen, stellt das Design Thinking verschiedene Tools zur Verfügung.
4. Ideenfindung: In dieser explorativen Phase werden verschiedene Techniken angewandt, um im Team Ansätze zu generieren. Dabei ist zu beachten, dass auch unerfahrene Team-Mitglieder die Techniken anwenden können sollten. Auch Ansätze der Co-Creation mit der Zielgruppe lassen sich einbringen. Wer relevante Stakeholder früh miteinbezieht hat später eine höhere Chance auf einen Buy-in.
5. Prototypentwicklung: Nach der Ideenfindung geht es an die Entwicklung von verschiedenen, erlebbaren Prototypen. Diese Lösungs-Skizzen erlauben es dem Team, schnell und konkret Chancen und mögliche Probleme zu kommunizieren. Ideen und Ansätze ohne Kundennutzen oder Akzeptanz lassen sich in diesem Schritt bereits aussortieren. So können Entwicklungsbudgets ohne größere Risiken gezielt eingesetzt werden.
6. Testen: In der letzten Phase werden erstellte Prototypen unter Einbindung von Kunden und Stakeholdern weiter validiert. In diesem Zug wird klar, welche Produkte und Ansätze sich für eine nachhaltige Problemlösung eignen und wie markttauglich sie wirklich sind.
Design-Thinking-Methoden
Um den Design-Thinking-Prozess richtig in die Praxis umsetzen zu können, bedarf es einiger Methoden. Im Folgenden finden Sie eine Methode zu jeder der sechs Prozess-Phasen, die in Workshops angewandt werden.
Design Challenge: Sie stellt die Fragestellung oder Ausgangshypothese jedes Design-Thinking-Prozesses dar. Das Team stellt sich dabei die oben genannten vier W-Fragen( warum, was, wer und womit) und definiert somit die Challenge. Wichtig ist, dass die gemeinsam entwickelte Challenge in einer Teamsession analysiert wird, um offene Fragen oder Verständnisprobleme zu klären. Das Ziel der Design Challenge ist die Sichtweise aller Teilnehmer auf die Challenge zu synchronisieren. Nur so können alle Teilnehmer auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten.
Fly on the wall: In der zweiten Phase dreht sich alles um die Beobachtung der Nutzerinnen und Nutzer. Anhand der "Fly on the wall"-Methode können Hypothesen überprüft oder Schwachstellen der Customer Journey ausgemacht werden. Wie der Name bereits vermuten lässt, beobachten die Teilnehmer ihre Zielgruppe, ohne dabei in das Geschehen einzugreifen. Dafür muss im Vorfeld festgelegt werden, wo die Challenge stattfindet beziehungsweise wo die Nutzer mit der zu innovierenden Dienstleitung oder dem Produkt in Kontakt treten. Will man also zum Beispiel den Bezahlprozess im Supermarkt verbessern, geht man genau dort hin. Die Beobachtungen werden von jedem Teilnehmer notiert und anschließend mit dem Team geteilt. Anhand der gewonnenen Erkenntnisse kann so entweder die Challenge an sich, oder das Produkt verändert oder validiert werden.
Persona: Mithilfe dieser Methode lässt sich ein Überblick über potenzielle Kundinnen und Kunden kreieren. Bei der Persona-Methode wird eine Art Steckbrief entworfen, der wichtige Informationen und Bedürfnisse der Zielgruppe(n) abfrägt. Dabei stehen allgemeine Daten wie Name, demographische Daten oder Erwartungen und Ziele im Vordergrund, ebenso wie etwa das Hauptreiseziel oder die politische Einstellung. Je nach Zielgruppe können die Fragen beliebig erweitert werden. Insgesamt entsteht so ein Bild des "idealen" Kunden mit allen relevanten Facetten.
Kill your Company: Im fortschreitenden Innovationsprozess lauert immer auch die Gefahr, in der eigenen Innovations-Blase festzustecken, und so das eigene Produkt negativ zu beeinflussen. Bei der "Kill your Company"-Methode geht es darum, den aktuellen Entwicklungsstand kritisch zu hinterfragen. In übertriebener Weise wird versucht, dem eigenen Unternehmen so viel Schaden wie möglich zuzufügen, um Schwachstellen und mögliche Verbesserungen aufzudecken. So wird zum Beispiel ein Konkurrenzprodukt entworfen, welches die Schwachstellen des eigenen Prototypen aufgreifen und verbessern soll. Ziel ist es, das eigene Produkt weiter zu verbessern, indem man es erst kritisiert und anschließend weiterentwickelt.
Prototyp: In der fünften Phase dreht sich alles um verschiedene Arten von Prototypen. So kann ein Prototyp für einen Service zum Beispiel durch realitätsnahe Rollenspiele mit Requisiten und Verkleidungen entstehen. Eine andere Variante ist das Minimum Viable Product, oder kurz MVP. Dieser Prototyp stellt eine lauffähige Version des Produkts dar, in dem nur die wichtigsten für den Kunden notwendigen Funktionen eingebaut sind. Der klassische Prototyp bleibt jedoch ein physisches Modell, welches entweder durch einen 3D-Drucker oder andere Materialien wie Papier oder Lego gebaut wird.
Testing Sheet: Mithilfe des Testing Sheets wird der Prototyp von Nutzerinnen und Nutzern im Problemkontext getestet. Dabei dürfen potenzielle Kunden in einem vorher bestimmten Zeitrahmen, der je nach Komplexität des Prototyps wechselt, mit dem Produkt interagieren. Auf dem Sheet selbst werden das Testszenario sowie Testkriterien, der Ablauf und Rollen kurz beschrieben. Des Weiteren wird der Ablauf mit Fotos oder Videos dokumentiert, sowie die wichtigsten Learnings zusammengefasst. Nach Abschluss der Tests fasst die Testleitung die wichtigsten Erkenntnisse zusammen und erstellt eine Übersicht, welche neue Features notwendig sind beziehungsweise welche Features vom Kunden geschätzt wurden.
Das richtige Mindset
Der Design-Thinking-Prozess von Verstehen bis Testen kann nur dann wirklich erfolgreich sein, wenn die individuelle Haltung jedes Teilnehmers sowie die gesamte Gruppendynamik stimmt.
Empathie: Wichtigster Grundbaustein der Methode ist der Perspektivwechsel. Teilnehmer müssen sich in die Kundinnen und Kunden hineinversetzen können, um ihre Probleme und Herausforderungen mit dem Produkt besser zu verstehen. Die Customer Journey steht somit zu jedem Zeitpunkt im Vordergrund.
Fehlerkultur: Um eine innovative Idee zu kreieren, die sowohl markttauglich als auch kundenorientiert ist, bedarf es eines hohen kreativen Potenzials. Das heißt, dass jegliche Lösungswege im Vorfeld offengehalten werden sollten, um offensiv Fehler zuzulassen. Nur so lässt sich aus Ansätzen lernen, die nicht zielführend waren.
Interdisziplinarität: Design-Thinking lebt von einer Vielfalt an Sichtweisen und Interpretationen. Deshalb sollte bereits im Vorfeld eines Workshops sichergestellt werden, dass alle Teilnehmer unterschiedliche berufliche sowie private Hintergründe haben. So ist zu jeder Zeit ein möglichst breites Spektrum an Wissen, Erfahrungen und Charakteren vertreten.
Ergebnisse und Feedback: In der Design-Thinking-Methode zählen greifbare Ergebnisse mehr als theoretische Überlegungen. Nicht jeder Teilnehmer hat kreative Talente; trotzdem lassen sich neue Lösungswege finden. Auch Feedback von anderen Teilnehmern oder Außenstehenden hilft, um als Team weiterzukommen. Generell sollte die interne Teamkommunikation durch Achtsamkeit, gegenseitige Wertschätzung sowie eine konstruktive Grundhaltung geprägt sein.
Design-Thinking-Zertifizierungen
Um das volle Potenzial der Design-Thinking-Methode für Ihr Unternehmen auszuschöpfen, bedarf es einer zertifizierten Ausbildung zum Design-Thinking-Coach. Folgende Unternehmen bieten (international) anerkannte Zertifizierungen an:
Haufe Academy: Design Thinking Facilitator
XDI
Brainbirds
The Dark Horse
HPI
Design Thinking Coach Academy (TÜV geprüft/ISO 2990)
Je nach Unternehmen und Workshop werden Sie über mehrere Tage, Wochen oder Monate in unterschiedlichen Sitzungen darauf vorbereitet, innovative Lösungen für komplexe Problemstellungen zu finden sowie selbst Design-Thinking Workshops zu leiten.