Julia Wimmer ist 25 Jahre alt, und seit knapp einem Jahr bringt sie gemeinsam mit ihren Kollegen neue Fahrzeugkonzepte für die Audi-IT auf die Straße: "Wir stimmen die Anforderungen mit den Fachbereichen ab und legen Termine, Ressourcen und Budgets fest." Wimmer bereitet innovative Audi-Connect-Dienste für die Umsetzung vor - etwa Facebook im neuen Audi A3 oder einen Dienst mit aktuellen Benzinpreisinformationen. Größtenteils laufen diese verteilten Services in einem Steuergerät des Fahrzeugs sowie auf der Server-Landschaft der Audi IT: "Es ist eine herausfordernde Aufgabe mit vielfältiger Projektarbeit, für die ich mich mit vielen verschiedenen Fachbereichen austausche."
Der Benzinpreis-Dienst beispielsweise läuft auf Audi-Servern, die Inhalte werden von einem externen Partner zugeliefert. Aufgabe der IT ist es unter anderem, den Content vor dem Versand über Mobilfunk aufzubereiten, zu prüfen und zu validieren, erzählt Wimmer: "Wir haben bei Audi eine goldene Regel: Alle Daten, die ins Fahrzeug geschickt werden, müssen über unsere Server, um unseren Qualitätsstandard zu erfüllen." Im Fahrzeug selbst läuft auch ein Teil des Dienstes (der Speichermechanismus zum Beispiel), um die Performance der Software zu gewährleisten.
Wimmer hat an der FH ihrer Heimatstadt Landshut Betriebswirtschaft mit den Schwerpunkten Wirtschaftsinformatik und Beschaffung/Logistik studiert. Das Praxissemester und die Bachelor-Arbeit drehten sich um die Automobilindustrie, da lag die Bewerbung auf der Hand: "In meinem Job kommt es weniger auf absolute Detailkenntnis in der IT an als auf ein genaues Verständnis, wie ein IT-Projekt abläuft." Die Zusammenarbeit mit den Fahrzeugentwicklern sei sehr eng, regelmäßige Sitzungen schlagen die Brücke zwischen der IT und den Fachbereichen in der Technischen Entwicklung: "Wir kooperieren frühzeitig eng am Fahrzeug und beraten die Fachbereiche, was sie alles mit IT umsetzen können."
An ihrem persönlichen Lieblingsservice im Auto muss die Projektexpertin allerdings noch ein paar Jahre arbeiten: "Wenn die Verkehrsinfrastruktur und das Fahrzeug eines Tages miteinander kommunizieren, übermitteln die Ampeln die ideale Fahrgeschwindigkeit für die grüne Welle an das Auto. Außerdem zeigt mir eine Art soziale App Freunde oder Einkaufsgelegenheiten in meiner Nähe." Allzu weit entfernt sei das Szenario nicht mehr, glaubt Wimmer: "Wir stehen am Anfang der digitalen Dienste im Auto und der Möglichkeiten des vernetzten Fahrens."
Patrick Jaroch, M-Plan: Am offenen Herzen
"Irgendwie reingerutscht" ist Patrick Jaroch - in einen Job an der Schnittstelle zwischen Maschinenbau und IT. Der 29-Jährige hat nach seiner Ausbildung zum Kfz-Elektriker an der FH Köln Fahrzeugtechnik studiert. "Daher habe ich mich auch im Studium viel mit Elektrik, Elektronik und Fahrzeugsteuerung beschäftigt", erinnert sich Jaroch, der als Angestellter für den Engineering-Dienstleister M Plan bei einem großen Kölner Motorenhersteller arbeitet. Sein zentrales Aufgabengebiet in der Softwareentwicklung ist das Daten-Management für die verschiedenen Steuergeräte der Motoren, die wiederum im Auftrag eines internationalen Baumaschinenkonzerns entwickelt werden - das Liefernetzwerk in der Branche ist ebenso komplex wie die technischen Herausforderungen.
"Ohne Steuergeräte und die Kommunikation zwischen ihnen geht im Automotive-Bereich gar nichts mehr", sagt Jaroch. Steuergeräte sind die Computer in den Fahrzeugen, ihre Zahl kann sich in normalen Automobilen auf über 50 summieren. Sie greifen Sensordaten ab, vergleichen sie mit vorgegebenen Parametern und regeln das System gemäß den Vorgaben - etwa bei der Motortemperatur oder der Abgasnachbearbeitung. Jeder Bagger oder Radlader verfügt über eigene Datensätze ("Derivate"), die der Kunde vorab definiert hat. "Unser Team muss über 3000 Parameter im Motor berücksichtigen, und ich arbeite als Koordinator an der Schnittstelle", schildert Jaroch.
Mittendrin - das gilt auch für die anderen Aspekte seines Berufs. Jaroch muss einerseits organisieren und andererseits programmieren, im internationalen Umfeld von Deutsch auf Englisch umschalten sowie die physikalische und virtuelle Ebene in Einklang bringen: "Ich profitiere viel von meiner Maschinenbauausbildung, weil ich verstehe, was die Kollegen am Motorprüfstand genau von mir wollen."
Klassische Programmiersprachen habe er nicht gelernt, während des Studiums arbeitete er unter anderem mit den Engineering-Lösungen MATLAB und Simulink. Dafür hat er als Hobby Autos für den Rennsport gebaut. Heute strebt Jaroch nicht mehr nach Geschwindigkeit, sondern vor allem nach weniger Abgasen gemäß der aktuellen Tier-4f-Norm und mehr Effizienz: "Wenn ein Motor im Radlader pro Stunde einen bis zwei Liter Diesel weniger verbraucht, rechnet sich das über das Jahr schnell hoch."
Keine Probleme hat Jaroch mit der Tatsache, dass er als Externer beim Kunden arbeiten muss: "Im Team merkt man nicht, wer extern und wer intern ist - alle werden gleich behandelt und haben die gleichen Rechte." Außerdem sei das in der Branche inzwischen an der Tagesordnung - "in unserem Team gibt es drei interne und zehn externe Kollegen". Somit schließt sich auch der Kreis zur Welt der "normalen" IT.
Michaela Fräßdorf, Evobus: Ordnung im Bus-System
"Wenn man verschiedene Ingenieurstudiengänge mischt, kommt Physikalische Technik heraus." Michaela Fräßdorf hat dieses "Breitbandtechnik-Studium mit IT-Basiskenntnissen" 1999 an der FH Heilbronn absolviert, Schwerpunkte waren Automatisierungs- und Verfahrenstechnik. "IT-Skills musste ich mir zusätzlich aneignen, und das hört bis heute nicht auf", sagt Fräßdorf. Viele Experten-Tools lerne man nicht an der Hochschule kennen, permanent kämen neue Programme hinzu, und konzernspezifische Lösungen müsse man sich darüber hinaus selbst beibringen. "Prinzipien der Programmierung und die Denkweise sollte man einfach draufhaben."
Über einen externen Dienstleister ist die Expertin bei der Firma Evobus eingestiegen, im Folgejahr wurde sie von der Daimler-Tochter übernommen. "Angefangen habe ich im Team für Diagnoseapplikationen" - Programme auf dem Notebook des Servicetechnikers, die beispielsweise den kompletten Fehlerspeicher der Fahrzeugelektronik auslesen. Inzwischen evaluiert Fräßdorf ein Tool, mit dem die Elektrik/Elektronik-(E/E-)Entwicklung auch hinsichtlich der ISO-Norm 26262 unterstützt werden kann: "Wir wollen im Bereich E/E über alle Entwicklungsartefakte hinweg eine einfache Durchgängigkeit erzielen, um eventuelle Probleme schnell nachvollziehen und analysieren zu können." Dies beinhaltet die beiden Säulen des Unternehmens - Mercedes-Benz und Setra - ebenso wie die internationale Dimension des Konzerns.
Der Hintergrund ist, dass der Einfluss der E/E-Funktionen im Gesamtfahrzeug immer weiter um sich greift. Mit einer direkten Verdrahtung ist das nicht mehr machbar, Bus-Systeme sind der Ausweg. "Die komplette IT muss zusammenspielen, und die Beziehungen wollen wir textuell und visuell beschreiben, um eine einheitliche Ebene im Konzernverbund für Diskussionen zu schaffen", erläutert Fräßdorf: "In dieser Position ist ein breites Technikverständnis neben den IT-Kenntnissen ziemlich hilfreich."
Schließlich diene der E/E-Bereich auch als Schnittstelle zwischen den Fachbereichen und externen Zulieferern: "Wir müssen nachvollziehen, was die Kollegen benötigen, um überhaupt alle Anforderungen an die Steuergeräte spezifizieren zu können." Für den besonderen Kick sorgen die unterschiedlichen Lebenszyklen von Fahrzeugen, Steuergeräten und Produkten gerade aus dem Bereich Consumer Electronics, die im Bus eine Rolle spielen, sagt Fräßdorf: "Wenn sich die Entwicklung für ein Display entscheidet und das in der Serie verbaut wird, ist es vom Lieferanten meist schon wieder abgekündigt."
Raphael Fonte Boa Trindade, BMW: Auf Nummer sicher zum Titel
"Hoffentlich wird Brasilien im nächsten Jahr Weltmeister", sagt Raphael Fonte Boa Trindade, Softwareentwickler bei BMW Car IT in München. Mit dem sechsten Titel könnte die Seleçao ihren Abstand zu den Verfolgern wie Italien und Deutschland vergrößern - "und einen Puffer bilden". Um Sicherheit geht es auch in der Arbeit des gebürtigen Brasilianers, der Antworten auf die Frage sucht: "Wie sehen die Sicherheitskonzepte für die Fahrerassistenzsysteme der Zukunft aus?" Für elektrische/elektronische Systeme in Kraftfahrzeugen bildet die ISO-Norm 26262 eine Grundlage aus Aktivitäten, Arbeitsprodukten und Methoden in Entwicklung und Produktion - "ich entwickle auf dieser Basis Software für künftige Fahrzeuggenerationen", berichtet Trindade.
Die zunehmende Vernetzung der Komponenten macht es immer schwieriger, Systeme und Algorithmen für die Zukunft abzusichern. Während etwa der Airbag eine kleine und isolierte Funktion ist, müssen die Entwickler bei künftigen Fahrerassistenzsystemen viele Anwendungsfälle einkalkulieren, deren Eigenschaften noch große Herausforderungen darstellen. "Den Tempomat mit Radar haben wir im Griff", sagt der Experte, "aber Funktionen mit zusätzlichen Kameras, LIDAR und anderen Sensoren machen ein System wesentlich komplexer."
Trindade hat seinen Master für Informatik in Brasilien angefangen, dann aber eine Stelle beim Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering IESE in Kaiserslautern angetreten. Hier schloss er sein Studium schließlich nebenher ab - "von der Millionenstadt Belo Horizonte in die Pfalz war es ein weiter und interessanter Schritt", sagt er diplomatisch. Heute sieht sich Trindade als Mitarbeiter eines Automobilunternehmens, auch wenn er in der Tochterfirma BMW Car IT hauptsächlich mit Themen aus der Software und modellgetriebenen Entwicklung beschäftigt ist. Die Mischung und die hohen Anforderungen an die Sicherheit machen aber auch den Reiz für den Experten aus: "Die Echtzeit-Anforderungen im Auto unterscheiden sich stark von der Enterprise-IT, und es geht um die direkte Sicherheit der Insassen und das Image des Unternehmens."
Trindade blickt optimistisch in die Zukunft, das hochautomatisierte und autonome Fahren zeichnet sich ab, und die Vernetzung schreitet voran. "Software im Auto wird wichtiger" - und dies betreffe nicht nur Embedded-Programme, sondern auch externe Apps, die mit den Fahrzeugen und ihren Steuergeräten kommunizieren. Am 13. Juli 2014 zeigt sich in Rio de Janeiro, ob Deutschland den Anschluss halten kann oder ob Brasiliens Puffer wächst.