In mancher Hinsicht ähneln sich öffentliche Hand und Privatwirtschaft: Hier wie dort wird von der IT eine schnellere und präzisere Abwicklung von Aufgaben und Prozessen bei gleichbleibenden Kosten gefordert. Zudem agieren Bürger in ihrer Rolle als Kunden der öffentlichen Verwaltungen ähnlich wie in ihrer Rolle als Konsument der Privatwirtschaft - mit deutlich gestiegenen Ansprüchen an Dienstleistungen und Verwaltungsprozesse. Der vorherrschende Fachkräftemangel macht die Erfüllung dieser Anforderungen nicht leichter. Künstliche Intelligenz (KI) kann in diesem Zusammenhang auch im verwaltungsspezifischen Kontext vieles leisten: Mitarbeiter bei der Erfüllung ihrer Aufgaben unterstützen, zur Qualitätssicherung beitragen und das gesamte Verwaltungssystem entlasten.
Folgende Empfehlungen an IT-Entscheider im öffentlichen Bereich helfen, mit KI-Einsatz einen effektiven Mehrwert zu erzielen:
1. Das Vertrauen in KI fördern
Fehlende Akzeptanz der Bevölkerung ist ein zentraler Grund der verhindert, dass Verwaltungsakte vollautomatisiert von lernenden Algorithmen durchgeführt werden. Vielen Bürgern scheint es kaum vorstellbar, und manchen noch nicht einmal zulässig, dass Verwaltungsentscheidungen von KI übernommen werden. Um dieses Hemmnis aus dem Weg zu räumen reicht es nicht, wiederholt die enormen Potenziale von KI zu betonen. Eine klare Aufschlüsselung, wo und wie Künstliche Intelligenz im Verwaltungsbereich eingesetzt werden kann, schafft einen ersten Ansatzpunkt für mehr Vertrauen.
Zugleich sollten Verwaltungen Konzepte für eine eigene "Corporate Digital Responsibility" definieren und ausgestalten. Darin können zum Beispiel mögliche gesellschaftliche Auswirkungen ihrer digitalen Dienstleistungen perspektivisch thematisiert werden. Dazu gehört, bereits im Vorfeld sicherzustellen, dass Verwaltungsentscheidungen nicht auf einer verzerrten Datengrundlage beruhen und Bürger benachteiligen.
2. Eine KI-Governance aufsetzen
IT-Entscheidern in der Verwaltung fällt nicht nur eine gestaltende Rolle bei der Umsetzung der Digitalagenda zu. Sie müssen auch die notwendigen Impulse geben, die dafür sorgen, dass rechtliche Grundlagen angepasst werden. Eine gut durchdachte KI-Governance kann beispielsweise als Basis für zukünftige Gesetzgebungen dienen, die den digitalen Wandel und das Gemeinwohl bestmöglich in Einklang bringen.
3. Strukturen aufbauen
Im nächsten Schritt gilt es dann, die notwendigen Strukturen und Prozesse in der Verwaltung vorzubereiten und zu implementieren. Das bedeutet etwa, dass eingesetzte IT-Systeme eine zuverlässige Einbindung von KI-Lösungen ermöglichen. Neben den technischen Voraussetzungen ist auch die Belegschaft als wesentlicher Faktor zu berücksichtigen.
Mit den richtigen Weiterbildungen werden Verwaltungsmitarbeiter zum Beispiel darin ausgebildet, das Leistungsvermögen und die Auswirkungen von KI-Systemen zu beurteilen. Nur so kann sich KI für konkrete Vorgänge als effektiv und profitabel erweisen. Denn Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter ist zentraler Bestandteil jeder Transformation. Wie wichtig die Sensibilisierung für und die strategische Implementierung von KI auch unter ethischen Gesichtspunkten ist, zeigt die Studie "Ethik bei Künstlicher Intelligenz entscheidend für Vertrauen in Unternehmen" von Capgemini.
4. KI als "Vorprüfer" in der Verwaltung nutzen
Da KI-Systeme auf Basis bestehender Daten und Algorithmen selbstständig lernen, sind sie auch in unbekannten Situationen von großem Nutzen. Angewandt auf Verwaltungsprozesse heißt dies, dass KI als eine Art "Vorprüfer" den Mitarbeitern zur Seite stehen kann. Insbesondere sogenannte "gebundene Entscheidungen" oder "gebundene Verwaltungsakte" sind für eine Automatisierung mittels KI geeignet, da sie einem eindeutigen und vorgeschriebenen Prüfprozess folgen.
Dafür gibt es keinen Ermessensspielraum und Behörden sind verpflichtet, die festgeschriebene Rechtsfolge einzuhalten. Künstliche Intelligenz kann beispielsweise während der Durchführung eines Verwaltungsaktes Wahrscheinlichkeiten überprüfen. Künftig könnte KI zudem eingesetzt werden, um voraussichtliche Auswirkungen getroffener Entscheidungen zu simulieren.
5. Bestehende Prozesse mit KI optimieren
Die Leistungsfähigkeit von Künstlicher Intelligenz wird meist im Kontext neuer Geschäftsmodelle und bahnbrechender Erkenntnisse genannt. Doch KI spielt ihre Stärken auch auf weniger glamourösen, aber ertragreichen Feldern aus: Antragsprüfungen und andere bereits standarisierte Routineaufgaben benötigen weit weniger Ressourcen, wenn sie von KI ausgeführt werden. Die Belegschaft wird entsprechend entlastet.
Ein anderes Beispiel ist die Software-Analyse. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) nutzt KI-Anwendungen zur Qualitätssicherung in Code-Zeilen und somit zur Qualitätssicherung von Verwaltungsaufgaben. Jährlich führt die Behörde Millionen von Transaktionen mit einem Volumen von mehreren Milliarden Euro aus, die durch Code-Fehler massiv behindert werden können. Diese Fehler ließen sich zuvor nur mühsam und manuell im produktiven Betrieb feststellen. Jetzt analysiert ein Machine-Learning-Tool noch bevor die Software ausgeführt wird 800.000 Code-Zeilen anhand von Mustern. Unregelmäßigkeiten werden daher bereits entdeckt, bevor Fehler entstehen.
Fazit
Der öffentlichen Verwaltung fällt eine besondere Rolle zu: Sie kann eine Vorbildfunktion in der Nutzung von KI einnehmen und zugleich helfen, den gesetzlichen Rahmen dafür festzulegen. Behörden und Verwaltungen sind in der Lage, deutlich mehr für das Vertrauen der Bürger in die Technologie zu tun, als es den meisten Unternehmen möglich wäre. Die dabei gewonnen Erfahrungen können zudem genutzt werden, um die Politik darin zu beraten, den gesetzlichen Rahmen passgenau umzusetzen.
Eine am Gemeinwohl ausgerichtete KI-Governance muss sich daher im klar umrissenen KI-Einsatz in der Verwaltung widerspiegeln. Wenn so Effizienz und Qualität der eigenen Prozesse im Sinne der Bürger steigen, schafft dies Vertrauen und ist zugleich die Legitimation, weitere vergleichbare Rahmenbedingungen für Gesellschaft und Wirtschaft zu konzipieren.