In der schönen neuen Welt der Digitalisierung sollte dem Mitarbeiter der Weg zum Abteilungsdrucker erspart bleiben - und seinem Arbeitgeber unnötige Druckkosten. Selbstverständlich sollte es auch sein, dass alle, die das Unternehmen verlassen, binnen vier Wochen ihr Arbeitszeugnis in der Hand halten. Steht eine Arbeitszeit- oder andere Vertragsänderung an, möchte der Personaler nicht mehr der Führungskraft wegen der fehlenden Unterschrift hinterherlaufen müssen. Wiedervorlage sollte nicht mehr zum aktiven Wortschatz eines Personalers gehören.
Der Weg zu effizienten, da standardisierten HR-Prozessen ist noch weit, wie eine Veranstaltung des Münchner Softwareherstellers Aconso mit vier großen Referenzkunden zeigte. Zwar verwenden Konzerne wie Siemens Schweiz, Lufthansa, Deutsche Bahn oder BSH Hausgeräte zum Teil bereits seit Jahren digitale Personalakten, beginnen aber erst jetzt, auch die damit verbundenen Services wie Gehaltsabrechnung oder Zeugniserstellung Schritt für Schritt zu digitalisieren.
Abschied vom Gehaltszettel
Bevor Unternehmen die Vorteile digitaler HR-Prozesse für sich nutzen können, müssen sie ihre Systeme vereinheitlichen. Für einen Konzern wie die Lufthansa mit über 120.000 Mitarbeitern in 150 Ländern und weit über 100 verschiedenen HR-Systemen ist es im Moment noch nicht möglich, sich per Knopfdruck einen Überblick über Personalbedarf und -kosten in den einzelnen Landesgesellschaften zu verschaffen. "Unser Ziel ist es, bis 2020 eine einheitliche Datenbasis aufzubauen. Alle HR-Prozesse, vom Onboarding bis zum Ausscheiden eines Mitarbeiters, sollen im System abgebildet werden", gab Michael Brass, verantwortlicher HR IT Architect bei Lufthansa Global Business Services, das Ziel vor. Lediglich Zeitwirtschaft und Gehaltsabrechnung sollen nicht standardisiert werden, da man hier auf die Besonderheiten in einzelnen Ländern Rücksicht nehmen muss.
In einem Monat sollen die ersten 40.000 der insgesamt 60.000 Lufthansa-Mitarbeiter in Deutschland auf Dokumente wie Vergütungsabrechnung, Lohnsteuerjahresbescheinigung oder Reisekostenabrechnung digital zugreifen können. Die Zeiten, in denen einer aus jeder Abteilung die Gehaltsabrechnungen aus dem Postfach holt und unter den Kollegen verteilt, sollen endgültig vorbei sein. "Davon versprechen wir uns geringere Kosten, schnellere Services und einen Beitrag zum Employer Branding ", erklärte Brass. Aconso-Gründer und CEO Ulrich Jänicke unterstrich, dass das Sparpotenzial für die Unternehmen umso größer ist, je mehr Dokumente sie digital vorhalten: "Ziel ist, dass der Mitarbeiter kein Bedürfnis mehr hat, irgendetwas auszudrucken, da er jederzeit und von überall her einen gesicherten Zugriff auf die Dokumente hat."
Auch Siemens Schweiz, mit knapp 6000 Mitarbeitern in über 700 Tochtergesellschaften einer der größten industriellen Arbeitgeber der Schweiz, hat sich in Sachen digitale HR große Ziele gesetzt. Kai Berger verantwortet die dortigen Human Resources Services und hat gelernt, dass Digitalisierung vor allem Überzeugungsarbeit in den eigenen Reihen ist. Personaler begegneten Standards und automatisierten Prozessen oft skeptisch, zumal damit etliche ihrer Aufgaben wegfallen und sie Angst um ihren Arbeitsplatz haben.
Laufen Vorgänge wie die Veränderung der Arbeitszeit digital ab, bleibe der Personaler außen vor, da der Mitarbeiter den Antrag erfasst, das System ihn direkt an die Führungskraft weiterleitet und die ihn elektronisch signiert. Dennoch will Siemens Schweiz künftig auch weitere Services wie Weiterbildungsanträge oder Handlungsvollmachten in diesem Sinne automatisieren, so Berger: "Im nächsten Jahr wollen wir 20 End-to-End-Services, das heißt direkt von Mitarbeiter zu Führungskraft, anbieten mit einem Automatisierungsgrad von 80 Prozent."
Arbeitszeugnis in 15 Minuten
Bereits heute nutzt die Deutsche Bahn den Zeugnisgenerator von Aconso, der Arbeitszeugnisse auf Basis der Bewertungen der Führungskraft aus 14.000 unterschiedlichen Textbausteinen generiert. Dauerte es früher eine Stunde, ein Arbeitszeugnis zu erstellen, soll diese Aufgabe in Zukunft nur noch 15 Minuten in Anspruch nehmen.
Den Zeugnisgenerator plant auch BSH Hausgeräte einzuführen. Die digitale Personalakte hat das Unternehmen, das 53.000 Mitarbeiter in 47 Ländern beschäftigt, bereits vor elf Jahren installiert. Nun gelte es, noch effizienter zu werden, indem die Personalakte mit digitalen Prozessen verbunden werde, kündigte Markus Neuhauser an. "Wir müssen in die digitale Welt gehen, weil vor allem jüngere Mitarbeiter diese Welt gewohnt sind und das auch in ihrer Arbeitsumgebung erwarten", sagte der Head of eHR Solutions bei BSH Hausgeräte.
Die meisten HR-Schreiben an Mitarbeiter werden nun automatisch generiert, weiterverfolgt und in der Personalakte archiviert. Eine Wiedervorlage ist nicht mehr notwendig, was dem Personaler Zeit spart. Auch früher hatte BSH solche Dokumente, die etwa die Versetzung in eine andere Abteilung bescheinigen, dem Mitarbeiter über Employee-Self-Service-(ESS-)Systeme bereitgestellt. Kosten hatte sich das Unternehmen dadurch aber nicht gespart, da die meisten Mitarbeiter diese Dokumente über die Abteilungsdrucker ausgedruckt hatten.
Deutsche Bahn verwaltet 60 Millionen Personaldokumente
Auch die Deutsche Bahn hat schon gute Erfahrungen mit der automatischen Erstellung von HR-Dokumenten gemacht, berichtete Markus Fieml. Den Leiter des Service Center Personal bei der Deutschen Bahn treibt vor allem die Archivierung um. Seit acht Jahren setzt die Deutsche Bahn auf die digitale Personalakte, mittlerweile werden im Digitalisierungszentrum in Dresden 230.000 Akten mit insgesamt bis zu 60 Millionen Dokumenten verwaltet.
Die Mitarbeiter haben darauf aus Sicherheitsgründen allerdings keinen Zugriff, das Unternehmen nutzt die digitale Personalakte als reines Archivierungssystem. Da das an seine Grenzen stößt - "die Server platzen schon aus ihren Nähten" -, musste ein Löschkonzept entwickelt werden. "Da das System Personaldokumente nach einer gewissen Frist automatisch löschen sollte, waren die Bedenken groß, und es musste viel Überzeugungsarbeit geleistet werden", gab Fieml zu. Die jetzige Lösung sieht vor, dass mit Erstellung des Dokuments hinterlegt wird, wann es gelöscht werden darf.