Auch wenn die Outsourcing-Welle in der IT in den letzten Jahren etwas abgeflacht ist, betreiben viele deutsche Unternehmen noch Service Center und IT-Außenstellen im Ausland - so auch in der Ukraine. Was tun hiesige Betriebe, um ihre Kolleginnen und Kollegen im Kriegsgebiet zu schützen? Welche IT-Notfallmaßnahmen haben sie getroffen?
VW holt Mitarbeiter zurück
Der VW-Konzern hat bei den ersten Anzeichen einer Eskalation veranlasst, dass seine Foreign Service Employees samt ihren Familien schnellstmöglich aus dem Krisengebiet ausreisen können. Laut einem Konzernsprecher sind inzwischen keine ausländischen Mitarbeiter von Volkswagen mehr in der Ukraine tätig.
Volkswagen hoffe weiterhin auf eine Einstellung der Kampfhandlungen und eine Rückkehr zur Diplomatie, heißt es in einem Konzern-Statement. Das Unternehmen sei überzeugt, dass eine nachhaltige Lösung des Konflikts nur auf Grundlage internationalen Rechts erfolgen könne.
Als Notfallmaßnahme wurde eine Taskforce ins Leben gerufen. Ihre Aufgabe ist es, fortlaufend zu ermitteln, wie sich der Krieg auf die Geschäftstätigkeit in den betroffenen Regionen auswirkt. Die IT sei ein integraler Bestandteil dieser Taskforce, so ein Sprecher.
Die Teams stünden in engem Austausch mit den lokalen Kollegen und Partnern, um notwendige IT-Systeme und -Infrastrukturen verfügbar zu halten. Dazu werden IT-Ressourcen kurzfristig verlagert und Business-Continuity-Prozesse sichergestellt. Zudem prüfe VW die IT-Sicherheitslage engmaschig und habe zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen vorbereitet, die bei Bedarf umgesetzt werden.
Bosch unterstützt bei der Logistik
Der Automobilzulieferer und Technologiekonzern Bosch beschäftigt zirka 360 Mitarbeiter in der Ukraine. Einem Sprecher zufolge leistet Bosch unter anderem logistische Hilfe, um Beschäftigte und ihre Familien in Sicherheit zu bringen. Zudem werden Gehälter früher ausgezahlt und Ausweichunterkünfte bereitgestellt.
Zudem bietet das Unternehmen den Mitarbeitern und ihren Familien rechtliche und psychologische Betreuung an. Für betroffene Kollegen wurde in den Nachbarländern Polen, Rumänien, Slowakei, Ungarn und der Tschechischen Republik jeweils eine Hotline eingerichtet. Darüber hinaus hat Bosch eine Intranet-Community aufgesetzt, damit Mitarbeiter, die Hilfe anbieten, und jene, die Unterstützung brauchen, direkt miteinander kommunizieren können.
Das Unternehmen hilft zudem mit einer Spende an das Deutsche Rote Kreuz für humanitäre Zwecke sowie zahlreichen Initiativen der Länder und Geschäftsbereiche. Viele Beschäftigte leisten auch privat einen Beitrag, um die Not zu lindern - mit Wohnraum, Spenden oder auch Unterstützung in der Grenzregion.
Siemens verdoppelt Spenden
Auch Siemens unterstützt seine betroffenen Mitarbeiter finanziell über den hauseigenen Siemens Caring Hands Fonds. Daraus erfolgte eine Soforthilfe über eine Million Euro. Zudem verdopple der Konzern die Spenden seiner Beschäftigten, so ein Sprecher.
Siemens unterstütze die Sanktionen der westlichen Regierungen und handle im Einklang mit ihnen, heißt es aus dem Konzern. Daher wurden alle neuen Geschäfte in und internationale Lieferungen nach Russland und Belarus eingestellt. Die lokalen Service- und Wartungsaktivitäten werden unter Einhaltung der Sanktionen fortgesetzt. Die Siemens-Standorte vor Ort sind aktuell geschlossen.
Eine neu eingerichtete Taskforce beobachtet die Lage und leitet Maßnahmen ein, um die Sicherheit der Belegschaft zu gewährleisten. So helfe Siemens Kollegen und ihren Familien, die in Nachbarländern Zuflucht suchen. Die internationalen Mitarbeiter haben die Ukraine bereits Mitte Februar verlassen.
Henkel schnürt Hilfspaket
Der Konsumgüterhersteller Henkel beschäftigt in der Ukraine etwa 600 Mitarbeiter und betreibt vier Produktionsstätten. Die Werke haben seit dem 24. Februar geschlossen. "Wir stehen in engem Austausch mit dem lokalen Krisenteam vor Ort, um alle notwendigen Maßnahmen schnellstmöglich umzusetzen," so ein Konzernsprecher.
Für schnelle Hilfe hat Henkel innerhalb der ersten 48 Stunden ein Hilfspaket von eine Million Euro auf den Weg gebracht. Das beinhaltet finanzielle Soforthilfe für alle betroffenen Kollegen, eine Geldspende an das Internationale Rote Kreuz und die bezahlte Freistellung für alle Henkel-Mitarbeiter, die freiwillig Flüchtlinge oder Hilfsorganisationen an den Grenzen unterstützen.
Auf der technischen Seite betreibt das Unternehmen ein striktes Cyber-Security-Monitoring. Sowohl mit globalen IT-Service-Providern als auch mit den IT-Teams in Russland und der Ukraine werde die Kommunikation aufrechterhalten. Darüber hinaus hat die Henkel-IT Anpassungsmöglichkeiten in ihrer IT-Infrastruktur definiert, falls diese in den betroffenen Ländern beeinträchtigt wird.
Metro hat sich vorbereitet
Der Handelskonzern Metro Cash&Carry in der Ukraine wird durch ein lokales IT-Team unterstützt. Laut einem Konzernsprecher tauscht sich das Unternehmen täglich mit den Kollegen vor Ort über die Situation und mögliche Bedrohungen für die Mitarbeiter aus.
IT-Teammitglieder und -Arbeitsumgebungen, wie etwa die Checkout-Testumgebung, wurden an sichere Orte innerhalb der Ukraine verlagert. Außerdem hat der Händler die IT-Teams verkleinert auf Mitglieder mit sicherem Standort und die IT-Aufgaben auf sichere Projekte begrenzt.
Bei Metro wurde schon vor der Krise ein Notfallplan erstellt, um IT-Risiken zu reduzieren und die Kontinuität des IT-Betriebs kurzfristig gewährleisten zu können. Er umfasst alle Prozesse innerhalb des Unternehmens, vom zentralen Finanzprozess bis hin zur Kundenabfertigung in den Märkten. Von IT-Seite werde täglich sichergestellt, dass die Filialen geöffnet und regulär betrieben werden können, einschließlich Bestellung, Lieferung, Wareneingang und Verkauf.
Der Schwerpunkt im Hinblick auf die IT-Infrastruktur liegt auf einer Backup-Internetverbindung, falls die regulären LAN-Leitungen ausfallen. Hinzu kommt ein sicherer lokaler Server mit Backup, Replikation und Verlagerung außerhalb der Ukraine. Die IT unterstützt dabei, das Sortiment an die lokalen Gegebenheiten anzupassen oder zu reduzieren. Zudem können ergänzenden Dienstleistungen bereitgestellt werden, wie zum Beispiel Bargeldzahlungen, wenn die regulären Geldautomaten leer sind.
Kritische IT-Umgebungen verlagert Metro in sichere Regionen außerhalb des Landes, um Geschäftsprozesse aufrechtzuerhalten. Die lokalen IT-Teams arbeiten eng den IT-Experten des Unternehmens außerhalb der Ukraine zusammen.