Paul Auster und Siri Hustvedt sind ein Schriftstellerpaar aus New York. Beide sind als Literaten weltbekannt, beide schreiben Romane, die von der Kritik hochgelobt werden. Trotzdem hat Austers deutscher Wikipedia-Artikel über 100 Zeilen, Hustvedts gerade mal 10.
Das ist ein Ungleichgewicht, das sich auf Wikipedia überall finden lasse, sagen Mitarbeiterinnen des Projekts "Platform" aus München. Und sie führen das auf einen besonderen Umstand zurück: Ein Großteil der Wikipedia-Autoren ist männlich. Am 1. April veranstalteten sie daher einen öffentlichen Editier-Workshop, um Wikipedia mit Texten über Künstlerinnen zu füllen. Vor allem Frauen waren dazu aufgerufen.
Es gibt verschiedene Studien, die einen Frauenanteil zwischen 6 und 23 Prozent ausweisen, wie Wikipedia-Sprecher Jan Apel sagt. Das ist nur ein Beispiel für die Dominanz männlicher Autoren im Netz. Blogcharts zeigen, dass auch die meist geklickten deutschen Blogs von Männern geschrieben werden. Ganz oben liegen meist der Fußball-Blog "comunio" oder "Grenzwissenschaft Aktuell", dessen Herausgeber Andreas Müller über Ufos, Verschwörungstheorien und Ähnliches schreibt.
"Im Netz und auf Veranstaltungen beobachte ich oft, dass es die Männer sind, die mit ihrer Arbeit erfolgreich und sichtbar sind", sagt die Journalistin und Bloggerin Mareice Kaiser. Auf "Kaiserinnenreich.de" schreibt sie unter anderem über Inklusion und Feminismus.
Auch in den sozialen Netzwerken sind die beliebtesten Nutzer Männer. Das ist umso erstaunlicher, weil Frauen die Plattformen mehr nutzen als Männer. Bei Facebook liegen weibliche Nutzerinnen mit ein paar Prozentpunkten vorn. Laut ARD/ZDF-Onlinestudie 2016 nutzen 38 Prozent der Männer und 42 Prozent der Frauen mindestens einmal wöchentlich Facebook. Trotzdem haben Männer dort die meisten Likes. Mario Götze, Thomas Müller und Mesut Özil liegen in den Rankings vorne.
Auch unter den zehn meistabonnierten deutschen Youtube-Kanälen sind nur zwei Frauen. "BibisBeautyPalace" hat knapp 4,5 Millionen, "DagiBee" rund 3,4 Millionen Abonnenten - allerdings mit ziemlich klischeebeladenen Themen. Sie sprechen über Schminke, ihren Alltag, oder erläutern, wie man in seinen BH eine Geheimtasche einnähen kann.
"Frauen haben im Internet eher mit seichten Themen Erfolg", sagt Laura Lang, eine der Veranstalterinnen des Workshops. Also mit "Themen, die stereotypisch weiblich besetzt sind und mit Mode, Kosmetik, Rezepten oder dem (weiblichen) Körper und Selbstoptimierung zu tun haben."
Cécile Schneider, die im Onlinemarketing arbeitet und am Workshop beteiligt ist, erzählt von den "negativen Konsequenzen", die Frauen im Internet hingegen häufig erleben, "wenn sie zu politischen oder kontroversen Themen Stellung beziehen".
Sie verweist auf eine Studie des britischen "Guardian". Demnach sind von zehn Autoren, die auf ihrer Seite seit 2006 die meisten Hasskommentare empfangen haben, acht weiblich.
Das Internet ist "eben ein Abbild unserer Welt und unserer Gesellschaft", sagt Kaiser. "Also werden auch die Strukturen abgebildet, die es in unserer Gesellschaft gibt. Und da bekommen Frauen noch immer weniger Lohn als Männer und sind immer noch zu wenig in Führungspositionen." (Voisa Forster, dpa/ib)