Use Case und Architektur

Wie man Blockchain-Projekte richtig plant

12.04.2018 von Sophia Schade und Stefan Weiner
Was braucht man eigentlich für den praktischen Einsatz einer Blockchain? Hier gilt, was für jeden IT-Service gilt: Sinnvolle Use Cases, eine passende Architektur, ein passendes Betriebsmodell, einen starken Partner und natürlich ein unterstützendes Vertragswerk. Arbeiten wir uns einmal strukturiert durch diese Themen.

Noch ein Artikel über die unbegrenzten Möglichkeiten der Blockchain? Das ersparen wir Ihnen. Sie verstehen die Technologie, wissen einen Zugewinn an Vertrauen in Zeiten des unsicheren Internets zu würdigen. Sie haben eine Vorstellung von dem Bedrohungspotenzial für ganze Branchen - und sind sich der Tatsache wohl bewusst, dass dieses Wundermittel kaum im Einsatz ist, vom "Bad Boy Bitcoin" einmal abgesehen. Es versteht sich von selbst klar, dass eine Technologie mit diesem Reifegrad die Welt weder retten noch vernichten wird. Jedenfalls nicht heute und morgen auch nicht. Und nun?

Einer, der tief in der Szene verwurzelt ist, brachte es kürzlich auf den Punkt: "When the discussion comes to Blockchain there seems to be no middleground - it´s either hyping or bashing". Wenn wir nun den Hype wie auch die Ignoranz des Themas beiseiteschieben, dann kann es gelingen eine neue, realistische Sicht zu gewinnen, das Tal der Enttäuschungen zu vermeiden und die Abkürzung zu konkreten Ideen und erfolgreichen Anwendungen zu nehmen - "Skipping the hypecycle".

Was ist Blockchain?

Um nicht gleich das Tal zu überspringen und ins kalte Wasser einzutauchen finden Sie nachfolgend eine kleine Auffrischung zur grundlegenden Funktionsweise und den unbegrenzten Möglichkeiten der Blockchain-Technologie: Blockchain kann man als eine Art Transaktionsprotokoll verstehen, das dezentral ausgeführt wird. Quasi eine Applikation, bei der viele gemeinsam an der Ausführung beteiligt sind.

Ein Beispiel dazu: Stellen Sie sich vor, jemand möchte eine Information austauschen. Sender und Empfänger möchten dabei sicher sein, die korrekte Information zu erhalten. Dafür vertrauen sie nicht einer Drittinstanz, die angreifbar oder korrupt sein könnte. Nein, sie vertrauen vielen und dem Gesetz der Wahrscheinlichkeit, dass es nur eine richtige Antwort auf die Frage "Wieviel ist 1+1?" gibt. Jeder Beteiligte kann sehen, dass zwei oder x Parteien Informationen ausgetauscht haben. Es ist dokumentiert, gesichert und nachvollziehbar. Was will man mehr?

Die Funktionsweise von Blockchain
Blockchain
Blockchain wird in den kommenden Jahren zur Schlüsseltechnologie in der IT werden.
(1) Transaktion
Die Transaktion ist die elementare Grundeinheit der Blockchain. Zwei Parteien tauschen Informationen miteinander aus. Dies kann der Transfer von Geld oder Vermögenswerten, der Abschluss eines Vertrags, eine Krankenakte oder eine Urkunde sein, die digital gespeichert wurde. Transaktionen funktionieren im Prinzip wie das Versenden von E-Mails.
(2) Verifizierung
Die Verifizierung prüft, ob eine Partei die entsprechenden Rechte für die Transaktion hat. Die Prüfung erfolgt augenblicklich oder es wird in eine Warteschlange geschrieben, die die Prüfung später durchführt. An dieser Stelle werden Knoten, also Computer oder Server im Netzwerk, eingebunden und die Transaktion verifiziert.
(3) Struktur
Die Transaktionen werden zu Blöcken zusammengefasst, wobei diese mit einer Hash-Funktion als Bit-Nummer verschlüsselt werden. Die Blöcke können durch die Zuweisung des Hash-Wertes eindeutig identifiziert werden. Ein Block enthält einen Header, eine Referenz auf den vorhergehenden Block und eine Gruppe von Transaktionen. Die Abfolge der verlinkten Hashes erzeugt eine sichere und unabhängige Kette.
(4) Validierung
Bevor die Blöcke erzeugt werden, müssen die Informationen validiert werden. Das am meisten verbreitete Konzept für die Validierung von Open-Source-Blockchains ist das „Proof of Work“-Prinzip. Dieses Verfahren stellt in der Regel die Lösung einer schweren mathematischen Aufgabe durch den Nutzer beziehungsweise dessen Computer dar.
(5) Blockchain Mining
Der Begriff Mining stammt aus der Bergbau und meint das „Schürfen“. Bei diesem Vorgang wird der Block erzeugt und gehasht. Um zum Zug zu kommen, müssen die Miner ein mathematisches Rätsel lösen. Wer als Erstes die Lösung hat, wird als Miner akzeptiert. Der Miner erhält für seine Arbeit ein Honorar in Form von Kryptowährung (Bitcoin).
(6) Die Kette
Nachdem die Blöcke validiert wurden und der Miner seine Arbeit verrichtet hat, werden die Kopien der Blöcke im Netzwerk an die Knoten verteilt. Jeder Knoten fügt den Block an der Kette in unveränderlicher und unmanipulierbarer Weise an.
(7) Verteidigung
Wenn ein unehrlicher Miner versucht, einen Block in der Kette zu ändern, so werden auch die Hash-Werte des Blockes und der nachfolgenden Blöcke geändert. Die anderen Knoten werden diese Manipulation erkennen und den Block von der Hauptkette ausschließen.

Jetzt können Sie "Information austauschen" durch "Vermögens- und Eigentumswerten übertragen" ersetzen und Sie haben eine Kryptowährung wie Bitcoin oder einen Smart Contract für Autos, Strom, Musik und Wohneigentum. Bleiben Sie bei Informationen, passen sicherlich viele unternehmensinterne bzw. -externe Kommunikationswege mit sensiblen bzw. wichtigen Daten, welche Sie damit absichern können.

Blockchain-Technologie-Plattformen und Architekturen

So weit, so gut. Aber was ist mit den bekannten Limitationen der Blockchain: Lange Transaktionszeiten, horrende Hardwareanforderungen für das Mining, hohe Transaktionskosten, Speicheranforderungen und, aus all dem resultierend, fehlende Skalierbarkeit? Alles richtig - sofern man "Blockchain" mit "Bitcoin" in eins setzt. Das allerdings ist viel zu kurz gesprungen.

Es gibt diverse andere Blockchain-Technologie-Plattformen wie Hyperledger, BigChain DB, Ethereum oder Corda, die zahllose Ansätze verfolgen, um sich dieser Limitierungen zu entledigen: Sei es die Erhöhung der Skalierbarkeit durch "Sharding" (es wird nicht mehr jede Transaktion auf sämtlichen Knoten gespeichert) oder die Erhöhung der Transaktionsgeschwindigkeit durch "Pruning" (Teile der Transaktionshistorie werden ausgelagert).

Darüber hinaus gibt es Architekturen mit Parent Child Chains, die wesentliche Teile des Processing auf die Parent Chain konzentrieren und damit den jeweiligen Prozess auf der Child Chain beschleunigen können. Ebenfalls erwähnenswert ist die Tangle-Technologie, welche den Unterschied zwischen Miner und User abschafft. Das skaliert wunderbar und schafft damit auch eine interne Währung bzw. ein Anreizsystem ab, um Transaktionen zu validieren.

Was zu einer Blockchain gehört

Was braucht man nun eigentlich für den praktischen Einsatz einer Blockchain? Hier gilt im Grunde das, was für jeden IT-Service gilt: Sinnvolle Use Cases, eine passende Architektur, ein passendes Betriebsmodell, einen starken Partner und natürlich ein unterstützendes Vertragswerk. Arbeiten wir uns einmal strukturiert durch diese Themen.

1. Anwendungsfelder

Sinnvolle Anwendungsfelder findet die Blockchain überall dort, wo Informations- und Asset-Austausch von hoher Bedeutung ist beziehungsweise wo dieser Austausch gut dokumentiert und vor Manipulationen geschützt werden muss. Dabei sind der Fantasie fast keine Grenzen gesetzt. Wichtig ist hierbei, wie bei allen Digitalisierungsthemen, die Perspektive des Anwenders bzw. Kunden einzunehmen und den Nutzen daraus zu erschließen.

Beispiel Smart Contracts: Ein Zugewinn an Vertrauen kann hier zum USP werden, der durch die Transparenz der Kaufabwicklung entsteht. Dabei ist zu beachten, dass private Blockchains am Ende wieder einen Kompromiss in Bezug auf das Thema "Dezentalisierung" darstellen werden. Ein wichtiger Schritt in Richtung Dezentralisierung und damit vor allem ein Zugewinn an Sicherheit und Vertrauen ist es allemal.

Beispiel Assets: Was bereits digital vorliegt oder sich digital abbilden lässt, kann auf der Blockchain abgewickelt werden, seien es Zahlungen, Rechte oder Besitzverhältnisse. Nicht weit von diesem Anwendungsfall entfernt ist der Einsatz der Blockchain zum Nachweis der Urheberschaft oder Echtheit.

2. Technische Umsetzung

Auf Basis der Use Cases gilt es abzuwägen, welches eine geeignete technische Umsetzung ist und welche Blockchain die gestellten Anforderungen am besten erfüllt. Hier gilt es Grundsatzentscheidungen zu treffen:

Wichtige Daumenregel dabei: Je höher die Sicherheitsanforderung, desto geringer die Transaktionsgeschwindigkeit. Natürlich spielt hier auch die Komplexität der abzubildenden Transaktion eine Rolle: Wenn Sie Smart Contracts etablieren möchten, sind Plattformen wie Ethereum besser geeignet.

Für interne Prozesse ist eine private Blockchain zu empfehlen, welche Sie dezentral in Rechenzentren betreiben (lassen) können. Haben Sie konkrete Anwendungsfälle, hat vielleicht bereits ein Startup die passende Lösung für Sie implementiert.

Aus gutem Grund haben sich branchenspezifische Konsortien gebildet: Die Finanzindustrie hat prinzipiell hohe Sicherheitsanforderungen an ihre Transaktionen sowie eine hohe Verantwortung, was Vertrauen angeht. Klar, dass hier die Blockchain die ersten konkreten Use Cases hervorbringt. Die richtige Plattform für Use Cases der Finanzbranche sowie dem gesteigerten Sicherheitsanspruch von Finanztransaktionen bietet Corda.

3. Betriebsmodelle

Eine weitere Grundsatzfrage ist Ihnen schon aus anderen Zusammenhängen bekannt: Entwickeln und betreiben Sie selbst, soll dies jemand anderes für Sie übernehmen? Und wenn ja, an welchen Schnittstellen wollen oder müssen Sie noch involviert sein? Geben Sie einen gesamten Geschäftsprozess in die Blockchain? Implementieren sich einen eigenen individuellen Prozess und überlassen die Validierung durch eine Mutter-Blockchain einem Anbieter?

Was die Betriebsmodelle betrifft, gibt es eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute zuerst: Im Zeitalter von Digitalisierung und Cloud läuft vieles darauf hinaus, Blockchain-as-a-Service einzukaufen. Die schlechte: Ausgereifte Betreibermodelle sind (noch) Mangelware.

4. Partnerwahl

Potenzielle Partner gibt es dafür wie Sand am Meer, seien es Startups oder die großen IT-Dienstleister. Während erstere die Technologie liefern verfügen beide Seiten über Integrations-Know-how. Und der Betrieb, so deutet es sich an, wird eher bei den bekannten großen Dienstleistern verortet sein. So gilt es bei der Partnerwahl diese Aspekte im Kontext zu betrachten. Wie immer im Sourcing gibt es kein "richtig" oder "falsch", sondern nur ein mehr oder weniger "passend".

5. Der Vertrag

Ein schwaches Vertragswerk führt bekanntermaßen im Betrieb zu Sorgenfalten, ein gutes hingegen holen Sie nie aus der Schublade. Der Dienstleister weiß, warum. Auch hier verhält es sich nicht anders als bei anderen IT-Services: Sie benötigen eine umfassende Leistungsbeschreibung, geeignete Kennzahlen, gepaart mit einem verlässlichen Betriebsmodell und einer fähigen Mannschaft auf Dienstleisterseite. Also auch die Struktur und die generellen Anforderungen an das Vertragswerk sind bei einer Blockchain weder neu noch Raketenwissenschaft oder Quantenfeldtheorie - wieder ein Indiz, dass wir auch an dieser Stelle schnell in ruhiges Fahrwasser eintauchen können.

Sind die Themen geschäftskritisch für Sie, sollten Sie sich überlegen, wie Sie sich insgesamt in der IT aufstellen. Um ganzheitlich eine passende Lösung für Ihre Fragestellung zu finden, sind Themen wie (Fortschreibung der) IT-Strategie, Architektur, Sourcing und wiederholte Designzyklen wichtig, um marktreife (Eigen-)Produkte zu entwickeln.

Blockchain kann ganz regulär in den IT-Zyklus eingebaut werden

Die Technologie ist reif für den Einsatz und konkrete Anwendungsfälle sind bereits hinreichend identifiziert. Es ist jetzt an der Zeit, die neuen Möglichkeiten im eigenen Unternehmen anzuwenden und zu etablieren. Helfen könnten dabei auch Integrationen in bereits bekannte Strukturen mit den etablierten Schnittstellen: Blockchain als Middleware oder Blockchain als revisionssicheres Archiv.

Der Weg führt nicht nur über Digitalisierung-Labs und eine IT der zwei Geschwindigkeiten, sondern kann ganz regulär in den IT-Zyklus eingebaut werden.

Am Ende kocht die Blockchain auch nur mit Wasser und Salz und ist wie viele andere nur eine Technologie für verschiedene IT-Services und damit ebenso gut händelbar. Strukturiert man die Blockchain-Anwendungen wie jeden anderen IT-Service, kann sie für die passende Fragestellung somit zeitnah einen echten Mehrwert liefern.