Der Erfolg von Outsourcing-Projekten hängt nicht nur von Aktivitäten ab, die im Vorfeld des ausgelagerten Betriebs stattfinden wie die Entscheidung für einen Outsourcing-Provider oder die Vertragsgestaltung. Wesentlicher Faktor ist auch das Management bereits bestehender Outsourcing-Beziehungen. Schwierig wird es, wenn geplante Einsparungsziele nicht erreicht werden: Dann versuchen beide Vertragsparteien meist intensiv, vorhandene Grauzonen zum eigenen Vorteil auszunutzen. Eine kompetitivere und aufwändigere Kooperation ist die Folge.
Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten bringt die optimale Behandlung von Claims, also Nachforderungen, wesentliche Herausforderungen mit sich. Um sich als auslagerndes Unternehmen optimal positionieren zu können, ist ein systematisches Claims Management notwendig.
Was sich hinter Claims und Claims Management verbirgt
Claims sind mögliche Änderungen einer Vertragsbeziehung, die finanzielle, zeitliche oder service-bezogene Aspekte zum Inhalt haben können und zumindest von einer Vertragspartei gefordert werden. Claims können durch Unterlassungen, Abweichungen und Problemstellungen bei der Vertragserfüllung hervorgerufen werden; Beispiele sind Verstöße in Bezug auf Servicevolumen und Beistellleistungen, nicht jedoch Verstöße gegen KPI-Vereinbarungen, diese werden über die definierten SLA-Prozesse bearbeitet.
Das Management von Claims verfolgt unter anderem diese Ziele:
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Transparenz von potenziellen und existierenden Claims, um rechtzeitig eine vorteilhafte Ausgestaltung gewährleisten zu können
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Klärung vage formulierter/inkonsistenter vertraglicher Verpflichtungen mit vollständigen, fundiert bewerteten und nachprüfbaren Claims
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Verbesserung von Standardisierung und Konsolidierung, um Verhandlung und Abstimmung von Claims sowie generell die Optimierung des Vertragsmanagement zu erleichtern
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Sicherstellung der Adressierung aller Claims mit finanziell signifikanten Auswirkungen
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Adäquate Einbettung des Claims Management in die übergeordnete Provider-Steuerung, insbesondere hinsichtlich der Informationszulieferung
Welche Bereiche ein erfolgreiches Claims Management adressieren sollte
Ein erfolgreiches Claims Management erfordert die Berücksichtigung von vier unterschiedlichen Komponenten:
Die Claims-Strategie beinhaltet Erweiterung und Verbesserung des Vertragsmanagements des Unternehmens. Sie setzt über regelmäßige Überprüfungs- und Verbesserungsmechanismen den grundlegenden Rahmen für das Claims Management. Die Claims-Strategie erarbeitet und illustriert wesentliche Vorgehensweisen und Richtlinien zum Umgang mit Nachforderungen sowie zur Kommunikation mit dem Provider und stellt die Umsetzung über entsprechende Templates sicher.
Im Rahmen der Identifikation von Verpflichtungen werden zunächst die individuellen strategischen Zielsetzungen eines jeden Outsourcing-Vertrags herausgearbeitet, um zielgerichtet wesentliche vertragliche Verpflichtungen herauszufiltern und zu dokumentieren. Diese Komponente stellt die operative Grundlage für ein erfolgreiches Claims Management dar und sollte in seiner Komplexität nicht unterschätzt werden – viele Unternehmen scheitern bereits an der Dokumentation aller Vertragspflichten.
Die Identifikation und Entwicklung von Claims setzt auf den herausgearbeiteten wesentlichen Verpflichtungen auf und ermittelt und überprüft deren Nichteinhaltung. Darauf basierend werden Nachforderungen formuliert, die mittels vordefinierter und standardisierter Kriterien bewertet werden, um ihre weitere Handhabung zu priorisieren und festzulegen. Dies schließt eine einheitliche Dokumentation mit ein.
Die operative Abwicklung von Nachforderungen erstreckt sich im Gegensatz zu den zuvor geschilderten Komponenten nicht nur auf Claims seitens des eigenen Unternehmens, sondern berücksichtigt zusätzlich auch die Abstimmung von Vertragspartnern kommunizierter Claims. Sie umfasst Planung und Durchführung der Verhandlungen bis zur jeweils abschließenden Einigung der Vertragspartner.
Wie sich Claims identifizieren und bewerten lassen
Das Management von Claims ist alles andere als trivial und stellt die Verantwortlichen vor unterschiedliche Herausforderungen: Ist ein Verstoß des Vertragspartners gegen eine wesentliche Verpflichtung einmal identifiziert, kann häufig nur schwer bewertet werden, ob sich daraus eine Nachforderung ergibt. Zur Beantwortung sollte eine Orientierung an grundlegenden Fragestellungen erfolgen, die sich in klassische Projektmanagement-Dimensionen untergliedern lassen und in Abbildung 2 (siehe unten) dargestellt werden.
Bei der Beurteilung der finanziellen Auswirkungen eines Verstoßes ist eine vollständige Kostenerfassung sicherzustellen, wobei unterschiedliche Kostenblöcke in Betracht gezogen werden müssen. Dazu zählen Kosten für zusätzliche Arbeitsaufwände (z.B. Wiederherstellungskosten), Materialkosten, Finanzierungskosten, Opportunitätskosten, Claims-Management-Kosten, entgangener Umsatz, Kosten für Datenverlust sowie Kosten für Gerichtsverfahren.
Zur Priorisierung identifizierter Claims bieten sich klassischerweise die bewährten Kriterien Wahrscheinlichkeit einer positiven Realisierung und Signifikanz der Auswirkung des zugrunde liegenden Verstoßes an. Jede Nachforderung wird in Bezug auf beide Kriterien bewertet. Claims, die in Kombination beider Kriterien die höchsten Ausprägungswerte vorweisen, sollten bevorzugt abgearbeitet werden.
Zusammenfassung
In wirtschaftlichen Abschwungphasen müssen sich Unternehmen mit Claims/Nachforderungen auseinander setzen, um eine nachteilige Positionierung bei bestehenden Outsourcing-Verträgen zu verhindern. Hierbei ist eine systematische Herangehensweise erforderlich. Ein erfolgreiches Claims Management sollte eine Rahmen gebende Strategie vorweisen, wesentliche vertragliche Verpflichtungen als Grundlage für die darauf folgende Ableitung von Claims erfassen und bei der Abwicklung auch Nachforderungen seitens der Anbieter berücksichtigen. Die Identifikation von Claims sollte an qualitativen, temporären und monetären Faktoren ausgerichtet sein, die Reihenfolge ihrer Abarbeitung sollte sich an Erfolgswahrscheinlichkeit und Ausmaß der Auswirkungen orientieren. Nur so können Outsourcing-Vertragsbeziehungen auch in stürmischen Zeiten "auf Kurs gehalten werden“.
Jürgen Lademann ist Berater bei Deloitte