Für Unternehmen, die regelmäßig mit externen IT-Beratern und IT-Freelancern zusammenarbeiten, gehört die Projektbesetzung zu den Standardprozessen der Projektvorbereitung. Wobei: Was bedeutet Standard eigentlich in diesem Zusammenhang? Wird dieser Prozess in Bezug auf die Besetzungsquote, die Besetzungsgeschwindigkeit und - viel wichtiger - die Qualität, überhaupt gemessen? Oder handelt es sich um einen unbeschriebenen, nicht transparenten Prozess?
Ein Dauerproblem für Unternehmen des gehobenen Mittelstandes und große Unternehmen stellt in diesem Zusammenhang die Tatsache dar, dass die Projekte aufgrund der internen Budgetierungs- und Freigabeprozesse zunehmend kurzfristig besetzt und gestartet werden müssen. Dementsprechend kommt es für den Prozess der Projektbesetzung darauf an, in kurzer Zeit die am besten geeigneten Kandidaten zu finden und für das Projekt zu beauftragen. Zeitdruck und Budgetdruck sind dabei feste Konstanten. Dass dabei die Qualität gefährdet ist, liegt auf der Hand.
Nur ein Teilproblem gelöst
Aus Sicht des Einkaufs- und Beauftragungsprozesses haben die meisten größeren Unternehmen, die regelmäßig mit IT-Freelancern zusammenarbeiten, auf diese Entwicklung reagiert, indem sie über Rahmenverträge in Verbindung mit Preiskategorien für Skill Levels die formale Beauftragung beschleunigt haben. Die Beschleunigung der Auftragsvergabe löst indes nur ein Teilproblem im Zusammenhang mit rückläufigen Besetzungsquoten oder verspäteten Projektbesetzungen. Denn die Auftragsvergabe setzt erst nach der Suche, der Vorauswahl und der Auswahl der geeigneten IT-Freelancer ein. Zudem wurden die Suche und die Beauftragung verstärkt auf Anbieter von Rekrutierung, Vermittlung und Steuerung von IT-Freelancern verlagert.
Der Mehrwert für die Auftraggeber durch diese Verlagerung: Die Anbieter von Rekrutierung, Vermittlung und Steuerung von IT-Freelancern reduzieren den hohen Zeitaufwand für die Suche nach den richtigen Spezialisten für die Projektanforderungen, beschleunigen den Besetzungsprozess und steigern die Reichweite in der Zielgruppe der geeigneten Kandidaten.
Warengruppenstrategien der Dienstleister
Zusätzlich spielen Aspekte wie Transparenz bei den Honoraren, Professionalisierung des IT-Einkaufs und Warengruppenstrategien eine Rolle. Der Begriff "Warengruppenstrategien" wird in diesem Zusammenhang häufig benutzt, um die externen Dienstleistungspartner zu kategorisieren in strategische Partner, Partner der Stufe zwei, die ebenfalls direkt vom Einkauf betreut werden, und sogenannte "nicht strategische Dienstleister". Darunter fallen typischer-weise die vielen kleinen IT-Beratungsunternehmen mit 50 oder weniger Mitarbeitern sowie die wohl mehr als 85.000 IT-Freelancer in Deutschland.
Dabei signalisiert der Begriff "Warengruppenstrategien", dass die Beschaffung von Dienstleistungen einschließlich der Rekrutierung von Freelancern für die IT-Projektbesetzung ein vergleichsweise neues Feld für die Einkaufsfunktion der Auftraggeberunternehmen darstellt.
Dienstleister arbeiten intransparent
Nachdem die Anforderungen an das Projekt und die gesuchten IT-Experten vom Fachbereich definiert und an die externen Rekrutierungspartner übermittelt wurden, erhalten die Projektleiter dann Profile, die es fachlich zu bewerten und zu vergleichen gilt. Für die Auftraggeberunternehmen bleibt dabei in der Praxis unklar, wie die Suche und das Matching seitens des jeweiligen externen Partners erfolgte. Diese Methoden und Modelle werden als Geschäftsgeheimnis gehütet.
Dass dieses Modell durchaus funktioniert, belegt die Tatsache, dass die Umsätze der führenden Anbieter von Rekrutierung, Vermittlung und Steuerung freiberuflicher IT-Experten seit Jahren kontinuierlich steigen. Dennoch fehlt aus Kundenperspektive in diesem rein auf persönlicher Empfehlung beruhenden Modell eine empirische und transparente Vergleichbarkeit, wie sie beispielsweise bei der Rekrutierung für fest angestellte Mitarbeiter für viele Kandidatengruppen durch Eignungs-, Verhaltens- und Persönlichkeitstests in Online- oder Präsenz-Assessments umgesetzt wird.
Wissensabhängigkeit und Scheinselbständigkeit
Gerade, wenn IT-Freelancer und andere externe IT-Berater das erste Mal beauftragt werden sollen und Erfahrungswerte aus vorherigen Projekten fehlen, ist die Unsicherheit groß. In solchen Konstellationen steigt die Zahl der Interviews vor Beauftragung typischerweise zusätzlich an. Viele Unternehmen vertrauen daher ersatzweise in hohem Maße auf IT-Freelancer, mit denen sie seit Jahren zusammenarbeiten und riskieren damit andere Probleme von der Wissensabhängigkeit einzelner Personen bis hin zur Scheinselbständigkeit. Die richtige Balance zu finden ist schwer - und das bei steigenden Anforderungen an die Governance und die Dokumentation.
Dabei könnten Eignungstests und Online-Assessments an verschiedenen Stellen die Besetzungszeit verkürzen, Kosten durch weniger und bessere Interviews reduzieren sowie die Gefahr von eignungsbegründeten Projekteskalationen reduzieren und damit einen großen Mehrwert durch mehr Recruiting-Excellence erzeugen. Das zeigt das aktuelle Trendpapier "IT-Projektbesetzung: Qualität durch Standardisierung von Profilen und Prozessen" der Lünendonk GmbH in Zusammenarbeit mit der Geco AG.
Standardisierung und Online-Assessments
Die Analyse des Rekrutierungsprozesses der Projektbesetzung mit IT-Freelancern ergibt aus der Prozessperspektive zwei wichtige Stufen, die stark durch Standardisierung und Online-Assessments profitieren: die Erstellung der Anforderungsprofile für die IT-Freelancer sowie die Phase der Vorauswahl der Profile für persönliche Interviews.
Geht man davon aus, dass die Zeit der Projektleiter, die am Ende des Rekrutierungs- und Besetzungsprozesses die Auswahl treffen, für das Unternehmen höheren Wert besitzt als die Kosten für Online-Assessments zur Kandidatenvorqualifizierung, bietet sich durch den Einsatz hochwertiger Testverfahren die Chance, die Qualität der Kandidaten deutlich zu steigern und gleichzeitig die Zahl persönlicher Interviews pro Besetzung zu reduzieren.
Qualifikationen besser vergleichen
Gerade bei fachlichen Standardqualifikationen können die Auftraggeberunternehmen zudem die Testergebnisse innerhalb von Qualifikationsgruppen vergleichen und Mindestanforderungen definieren, die die Kandidaten erfüllen sollen. Im Laufe der Zeit entsteht auch die Chance, das Niveau der Kandidaten in der Entwicklung zu vergleichen. Das kann beispielsweise wiederum als wertvolle Information für die Auswahl der externen Anbieter von Rekrutierung, Vermittlung und Steuerung freiberuflicher IT-Experten genutzt werden.
Die Anforderungen an moderne Assessment-Lösungen, die heutzutage überwiegend als Software-as-a-Service angeboten werden, sind vielfältig. Wichtige Zentralfunktionen sind etwa das Kandidatenmanagement, Standardisierte Eignungsdiagnostik, individuell gestaltbare fachliche Tests sowie automatisierte Analyse- und Reporting-Funktionen. Als hilfreich erweisen sich dabei Vergleiche mit dem empirischen Durchschnitt aller Kandidaten, oder auch Vergleiche innerhalb bestimmter Kandidatengruppen. Ein Testwert von 85 Prozent richtigen Antworten bekommt erst dadurch einen Bezug, wenn sichtbar wird, dass der Durchschnitt der Ergebnisse beispielsweise bei 65 Prozent lag oder bei 90 Prozent. Damit wird die Besetzungsauswahl sehr transparent.
Bauchgefühl und Erfahrung des Projektleiters
Am Ende des Auswahlprozesses bleibt eine Entscheidung, bei der das Bauchgefühl und die Erfahrung des Projektleiters eine zentrale Rolle spielen. Bei den Zwischenschritten gilt: Je besser die Vorauswahl als Prozess standardisiert wird, desto besser wird die Grundlage für die Besetzungsqualität.
Hartmut Lüerßen ist Partner bei der Lünendonk GmbH.