Arbeit ist mehr als ein Job

Wie man selbstbestimmt arbeitet

27.09.2013 von Andrea König
Wer fremdbestimmt arbeitet, muss sich über seine Unzufriedenheit nicht wundern. Autorin Catharina Bruns erläutert, wie eine bereichernde Arbeit klappen kann.
Buchautorin Catharina Bruns
Foto: Sophie Pester

CIO.de: Ihr Buch trägt den Titel "work is not a job". Was verstehen Sie darunter?

Catharina Bruns: Im Prinzip genau das, was der Satz aussagt. Die eigene Lebensleistung spielt sich doch zweifelsohne häufig abseits vom klassischen Angestelltendasein ab. Wenn die Arbeit fremdbestimmt ist und sie abseits von persönlicher Bedeutung und Interessen stattfindet und, wie in zahlreichen Jobs, nur ein sehr kleiner Teil des eigenen Potenzials abgefragt wird, dann sollte es uns nicht wundern, dass sie uns nicht besonders bewegt. Die Arbeit als mehr als einen Job sehen zu können, ist eine große Emanzipation. Hin zu mehr Eigenständigkeit und Gestaltungsfreiheit. Viele Menschen fühlen sich in Jobs nicht gut, auch wenn sie angeblich sicher und tatsächlich gut bezahlt sind. Wir müssen beginnen zu begreifen, dass unsere Arbeit mehr sein kann, als das wofür irgendjemand uns eingestellt hat.

Selbstbestimmter arbeiten
Unzufriedene Mitarbeiter
Viele Menschen fühlen sich in solchen Jobs nicht gut, auch wenn sie angeblich sicher und tatsächlich gut bezahlt sind.
Selbstbestimmte Arbeit
Bruns sieht Arbeit als ein Gestaltungsmittel, als Mittel sein Leben unabhängig und selbstbestimmt zu gestalten. Jeder sollte selbstständig arbeiten können und wissen, was er gestalten möchte.
Manager sind Vorreiter
Damit diese Form von Arbeit im gesamten Unternehmen funktioniert, müssten Manager die ersten sein, die in Unternehmen diese Haltung zur Arbeit vorleben.
Geldsorgen sind unbegründet
Bruns hat die Erfahrung gemacht, dass der Lohn für die Arbeit, die einem bedeutungsvoll ist, das Leben weitaus reicher macht, als nur eine Gehaltsabrechnung am Ende des Monats. Sie sieht vielfältige Möglichkeiten, mit wenig Startkapital als Akteur und Anbieter die Wirtschaft mitzugestalten.
5 Faktoren
Sie nennt in ihrem Buch fünf Faktoren, von denen abhängt, ob man sich in einer neuen, selbstbestimmten Arbeitswelt wohler fühlt.
Arbeit an einem selbst
Wer selbstbestimmter arbeiten möchte, muss im ersten Schritt erkennen, was er tun möchte.
Gestaltungswille unerlässlich
Der Erfolg dieses Arbeitsmodells hängt auch davon ab, ob es einem gelingt, seine Arbeit selbst zu organisieren.
Lebenslanges Lernen
Damit man sich in dieser Arbeitswelt wohl fühlt, muss man Veränderung als etwas Positives verstehen und bereit sein, mit Routinen zu brechen.
Netzwerk nutzen
Wer auf ein unterstützendes Netzwerk von Freunden und Geschäftspartnern zurückgreifen kann, hat Vorteile.
Ängste überwinden
Der Erfolg des Arbeitsmodells hängt auch davon ab, ob man Zukunftsängste überwinden kann und sich von ihnen nicht so sehr beeinträchtigen lässt, dass man in alte Arbeitsmuster zurückfällt.
Buchautorin Catharina Bruns
Die Aussagen stammen aus dem Buch "work is not a job" und einem Gespräch mit der Autorin. Das Buch erscheint im September 2013 im Campus Verlag.

CIO.de: Was macht Arbeit für Sie aus?

Catharina Bruns: Ich sehe Arbeit als ein Gestaltungsmittel, als Mittel mein Leben unabhängig und selbstbestimmt zu gestalten. Für mich ist es als Beobachterin eine Tragödie, wenn Menschen einen Job haben, der ihnen nichts bedeutet. Es wundert mich sehr, dass so viele Menschen sich so klein machen, die Rahmenbedingungen der Arbeitswelt nicht in Frage stellen und sogar noch mehr an vorgegebenen Strukturen einfordern. Viele machen in ihrer Freizeit bereits tolle Sachen, trauen sich aber nicht, sie größer zu denken. Ich möchte gar nicht behaupten, dass das einfach ist. Gerade wenn man eine Familie hat, ist das oft ein Riesenschritt. Aber es geht nicht ausschließlich darum, mit allem was man tut Geld verdienen zu müssen. Es geht darum, etwas zu gestalten, das Bedeutung hat.

CIO.de: Kann denn so eine selbstbestimmte und bereichernde Arbeit überhaupt in einem Angestelltenverhältnis funktionieren?

Catharina Bruns: Das kann funktionieren. Denn es ist zunächst eine Frage der persönlichen Haltung. Ich fordere nicht, dass sich jeder selbstständig machen sollte. Aber jeder sollte selbstständig arbeiten können und wissen, was er gestalten möchte. Aber die Unternehmen müssen sich auch verändern lassen - und das funktioniert dort, wo Menschen mit neuen Werten gründen und offen für eine neue Arbeitskultur sind. Und natürlich wenn mehr Menschen bereit sind, ein klassisches Angestelltendenken aufzugeben. Ich selbst merke es ständig in meinen Unternehmen - die beste Zusammenarbeit findet dann statt, wenn gemeinsame Überzeugungen vorliegen. Wenn das so ist, dann investieren alle Beteiligten ihr Können und ihre Zeit gerne, wenn das nicht der Fall ist, dann möchte jeder bestenfalls für sein Engagement oder Anwesenheit entschädigt werden. Es sollte nicht mehr darum gehen, für wen möchte ich arbeiten, sondern mit wem möchte ich arbeiten.

Manager müssen die Haltung vorleben

CIO.de: Es kann also bei Angestellten funktionieren. Wie ist es bei Managern?

Catharina Bruns: Im Prinzip müssten sie die ersten sein, die in Unternehmen diese Haltung zur Arbeit vorleben. Dazu ist ein neuer Typ von Führungskraft gefordert. Aber sich zwanghaft mit einem Unternehmen identifizieren zu müssen, hat nichts mit einer gesunden Haltung gegenüber der eigenen Arbeit zu tun. Letztendlich muss man für sich selbst wissen - ob nun Manager oder nicht - ob man richtig ist wo man ist und ob die Arbeit dort im Einklang mit Werten, Träumen und persönlichem Lebensentwurf stattfinden kann. Selbstführung ist das Stichwort.

CIO.de: Muss man auf dem Weg zu einer bereichernden und selbstständigen Arbeit Kompromisse beim Geld eingehen?

Catharina Bruns: Der Antrieb ist ein anderer. Man muss sich doch mal über seine Prioritäten klar werden. Will ich mehr haben oder will ich mehr sein? Natürlich ist das einfachste Mittel regelmäßig Geld überwiesen zu bekommen, die abhängige Beschäftigung. Aber man sollte sich die Arbeit nicht allein nach der besten Bezahlung aussuchen. Umgekehrt ist man aber auch nicht unabhängig, wenn man nicht genug Geld verdient. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass der Lohn für die Arbeit, die einem bedeutungsvoll ist, das Leben weitaus reicher macht, als nur eine Gehaltsabrechnung am Ende des Monats. Und selbstverständlich lässt sich auch die finanzielle Unabhängigkeit über die Selbstständigkeit erreichen. Tatsächlich ist es so, dass die Möglichkeiten heute sehr vielfältig sind, mit wenig Startkapital als Akteur und Anbieter die Wirtschaft mitzugestalten. Warum unternehmen wir eigentlich nicht mehr?

CIO.de: Was halten Sie von der oft thematisierten Work-Life-Balance?

Catharina Bruns: Work-Life-Balance halte ich für absolut gerechtfertigt für Menschen, die in Jobs stecken, die ihnen nicht gefallen. Alle anderen empfinden ihr Leben nicht aus der Balance, wenn sie arbeiten. Wenn man die Arbeit vom Leben trennt, befindet man sich immer auf der einen oder anderen Seite. Bei der Arbeit sehnt man sich nach dem Wochenende und am Wochenende gruselt es schon vor dem Montag. Ich glaube nicht, dass dieser ewige Kampf besonders dazu beiträgt, das Meiste aus sich zu machen. Auch Arbeitszeit ist Lebenszeit - man hat schließlich nur ein Leben und es von dem zu trennen, was ich tue, empfinde ich als absurd. Es ist ein Riesenunterschied, ob man sich etwas aufbaut und gestaltet, oder etwas zu tun bekommt, das im Zweifel kaum etwas mit einem selbst zu tun hat. Selbstverständlich will man sich damit dann nicht auch noch in seiner Freizeit beschäftigen. Aber warum sich nicht ein (Arbeits-)leben gestalten, von dem man nicht ständig fliehen will?

Catharina Bruns ist Designerin, Medienwissenschaftlerin und Gründerin von "workisnotajob" - einem Kreativ- und Designstudio mit der Mission, eine neue, positive Definition des Arbeitsbegriffs zu inspirieren und die Lust am eigenen Schaffen zu wecken. Sie lebt in Berlin. Ihr Buch work is not a job ist im September 2013 im Campus Verlag erschienen (240 Seiten; 19,99 Euro).