CIO.de: Sie haben sich ein Jahr lang auf die Suche nach dem Glück begeben. Sind Sie heute glücklicher?
Christoph Koch: Ich denke schon. Weil man das selbst aber immer nur schwer beurteilen kann und gerade im Vergleich mit der Vergangenheit zu Verzerrungen neigt, habe ich auch am Anfang und am Ende meines Selbstversuchs eine Reihe wissenschaftlicher Tests und Fragebögen ausgefüllt. Und in der Tat: Bei allen davon, war mein "Glückslevel" nach dem Jahr voller Glücksexperimente höher als vorher.
CIO.de: Wie hat das Glücksexperiment ihr Leben verändert? Was machen Sie heute anders?
Christoph Koch: Ich nehme zum Beispiel kleine Dinge bewusster wahr. In "Sternhagelglücklich" habe ich zwischen den einzelnen Kapiteln kurze Listen mit winzigen, scheinbar unbedeutenden Glücksmomenten gesammelt. "Merken, dass die Milch sauer ist, BEVOR man sie in den Kaffee schüttet", "Abends in ein Bett steigen, von dem man vergessen hat, dass man es am Morgen frisch bezogen hat." Solche Sachen. Das sind vermeintliche Petitessen, aber unser Leben ist voll davon - und wenn wir sie ignorieren, verschenken wir schon mal eine ganze Menge Chancen, zumindest für einen Moment etwas glücklicher zu sein.
CIO.de: Welche Erlebnisse während Ihres Experiments haben Sie besonders glücklich gemacht?
Christoph Koch: Die beiden glücklichsten Momente innerhalb dieses Jahres waren sicherlich die beiden Hochzeiten - einmal in Las Vegas und einmal mit einem großen Fest im Kreis von Freunden und Familie. Aber jetzt kann man nun mal nicht jedes Mal, wenn einem nach ein wenig mehr Glück zumute ist, heiraten - das sehe ich ein. Deutlich besser wiederholbar ist da ein Ehrenamt: Ich gehe zum Beispiel einmal die Woche in ein Seniorenheim und besuche dort zwei alte Menschen. Einkaufen, plaudern, dem anderen einfach ein wenig Zeit schenken. Ich war selbst erstaunt, wie froh mich das macht - und gehe deshalb immer noch jede Woche, auch wenn das Buch-Experiment längst vorbei ist.
Ein Hopserlauf hilft gegen schlechte Laune
CIO.de: Sie haben während des Experiments oft die persönliche Komfortzone verlassen und sind zum Beispiel im Hopserlauf zum Supermarkt gelaufen. Wie hat sich das angefühlt und waren Sie danach glücklicher?
Christoph Koch: Dazu musste ich mich schon sehr überwinden. Der Hopserlauf war mir von einem New Yorker empfohlen worden, der mit über 400 aufgestellten Guinness-Weltrekorden der Rekordhalter im Rekordhalten ist - ein beeindruckender Allroundsportler, der auf mich einen extrem zufriedenen Eindruck machte. Er sagte mir: "Wenn du wie ein Kind die Straße herunterhopst, kannst du gar nicht mehr schlecht drauf sein." Als ich mich ein paar Monate später aufgrund einer, sagen wir: steuerlich prekären Situation in einem Moment großer Verzweiflung befand, fiel mir sein Satz wieder ein. Ich nahm meinen Mut zusammen, hopste die Straße entlang - und musste tatsächlich so sehr über mich selbst lachen, dass ich meine Sorgen zumindest für eine Weile vergaß. So eine Weile reicht jedoch oft schon, um aus so einem Marianengraben der schlechten Laune wieder herauszukommen.
Trotzdem: Einen ganzen Marathon im Hopserlauf, wie ihn der Weltrekordhalter absolviert hat, habe ich mir dann doch nicht zugemutet.
CIO.de: Welche Glücksmomente lassen sich auch im Terminkalender eines Managers unterbringen?
Christoph Koch: Von den zahlreichen Rezepten, die ich für "Sternhagelglücklich" ausprobiert habe, ist das Dankbarkeitstagebuch das mit dem vermutlich besten Kosten-Nutzen-Verhältnis: Einfach Notizbuch und Stift aufs Nachtkästchen legen und jeden Abend drei Dinge aufschreiben, für die man an dem Tag dankbar ist, die gut gelaufen sind. Fühlt sich zuerst seltsam und nach Teenager an, aber mich hat es schon nach wenigen Tagen deutlich glücklicher gemacht: Weil es ein simpler Trick ist, um mit positiven Gedanken einzuschlafen statt über eventuelle Fehlschläge, Konflikte oder die morgige To-Do-Liste zu brüten.
Ausgleich durch Ehrenamt oder Gartenarbeit
CIO.de: Der Beruf spielt bei ihrer Suche nach dem Glück keine wirkliche Rolle. Weshalb ist das so?
Christoph Koch: Ich habe das große Glück, als Journalist und Buchautor einen Beruf zu haben, der mich erfüllt, mich herausfordert und mir etwas bietet, was mir persönlich sehr wichtig ist: Freiheit und Abwechslung. Darüber bin ich mir im Klaren und dafür bin ich sehr dankbar. Die Bedürfnisse sind da aber sehr verschieden, deshalb ist jemand anderes eben auch in einem komplett anderen Beruf glücklich. Aus diesem Grund habe ich das Thema ein wenig ausgeklammert: Es ist sehr individuell - wohingegen viele andere Glücksfaktoren erstaunlich viele Menschen ähnlich beeinflussen. Einer dieser Faktoren hat indirekt mit dem Beruf zu tun: Geld macht nahezu alle Menschen viel weniger glücklich, als sie das gemeinhin annehmen. Wer also einen Job nur des Geldes wegen macht, macht sich auf Dauer unglücklich.
CIO.de: Im Buch hat man das Gefühl, dass "Ausgleichssport" Sie besonders glücklich gemacht hat - etwa durch das Ehrenamt oder die Laufrunde. Halten Sie Ausgleich/Abwechslung für wirksame Glücksrezepte?
Christoph Koch: Unbedingt - jemand, der beispielsweise vorwiegend geistig arbeitet, kann extremes Glück verspüren, wenn er sich in seiner Freizeit körperlich betätigt, zum Beispiel indem er am Wochenende im Garten buddelt. Jemand der als Gärtner arbeitet und dem man am Sonntag auch noch sagt, er möge bitte zur Schaufel greifen, wird sicherlich deutlich weniger Zufriedenheit darüber verspüren und uns die Schaufel unter Umständen eher über den Schädel ziehen.
Mehr Auswahl macht nicht glücklicher
CIO.de: Sie haben während des Jahres nicht nur im Selbstexperiment ihr Glück gesucht, sondern viele Fakten zur Glücksforschung zusammengetragen und zu Glückstheorien recherchiert. Gibt es Theorien, die Sie besonders beeindruckt haben? Welche waren das?
Christoph Koch: Da gab es zahlreiche! Besonders eindrucksvoll fand ich zum Beispiel die Erkenntnis, dass uns mehr Auswahl nicht automatisch glücklicher macht. Die Studie mit den Marmeladensorten ist einigen vielleicht bekannt: Je mehr Marmeladensorten an einem Probierstand im Supermarkt angeboten wurden, umso überforderter fühlten sich die Kunden und umso weniger kauften sie.
Ein ähnliches Experiment gab Studenten die Möglichkeit, nach einem Fotokurs eines ihrer Bilder als Poster abziehen zu lassen. Alle mussten sich auf jeweils ein Lieblingsfoto festlegen, dann bekam ein Teil der Studenten nach ein paar Tagen noch einmal die Möglichkeit sich umzuentscheiden. Das Frappierende: Die Studenten, die sich nicht umentscheiden durften, waren am Ende mit ihrer Wahl zufriedener, als die, die noch mal wechseln durften.
Christoph Koch arbeitet als Journalist für Magazine wie NEON, brand eins und GQ. 2010 erschien sein SPIEGEL-Bestseller "Ich bin dann mal offline - Leben ohne Internet und Handy". In seinem neuesten Buch "Sternhagelglücklich - wie ich versuchte, der zufriedenste Mensch der Welt zu werden" (Blanvalet Verlag, 288 Seiten, 14,99 Euro) widmet er sich der Suche nach dem Glück.
Internet: www.christoph-koch.net / Twitter: @christophkoch