Digitale Geschäftsmodelle erfordern neben Flexibilität, eine adaptive Time-to-Market-Strategie sowie ein kontinuierliches Innovationsklima. Basierend auf diesen zentralen Geschäftsanforderungen identifizierte BearingPoint Frequenz, Volumen, Technologie und Reaktivität als Treiber für die digitale Transformation in Unternehmen, und als wesentliche Stellschrauben innerhalb des IT-Betriebsmodells.
Dadurch werden die IT-Herausforderungen der traditionellen IT bestehend aus Service-Kontinuität, Kostenoptimierung und Effizienz ergänzt um Agilität, Mehrwert und Innovation. Die Agilität der IT wird somit zum zentralen Erfolgsfaktor für Unternehmen, in der digitalen Welt zu bestehen.
Digitale Ökosysteme brauchen agile IT-Organisationen
Den Sprung von der klassischen linearen Wertschöpfungskette hin zu einem digitalen Ökosystem wird Unternehmen nur gelingen, wenn sie es schaffen parallel zu ihrem linearen Geschäftsmodell ein digitales Ökosystem mit differenzierten Geschäftsmodellen innerhalb einer zentralen digitalen IT-Plattform anzubieten. BearingPoint hat hierfür den Begriff Digital Ecosystem Management als neue IT-Management-Disziplin geprägt.
Dabei definiert Digital Ecosystem Management die proaktive Koordination einer Gemeinschaft von Kunden, Mitarbeitern, Lieferanten, Partnern, Erfindern und anderer zur Entwicklung innovativer, neuer Lösungen für einen bestimmten Markt oder verschiedene Märkte unter Anwendung digitaler Technologien und einer Plattformökonomie.
Durch das Modell des Digital Ecosystem Managements ergeben sich IT-organisatorische Spezifika, die so in der Welt der linearen Geschäftsmodelle nicht berücksichtigt werden. Um diese Herausforderungen zu meistern, sind strukturelle Änderungen innerhalb der IT-Organisation erforderlich, um die Agilität der IT zu gewährleisten.
Jüngst hat Gartner mit der Vorstellung einer bimodalen IT-Organisation das Thema Agilität und Flexibilität in der IT aufgegriffen und ein konkretes High-Level-Organisationsmuster entworfen, das die Themenkomplexe der digitalen IT-Transformation adressiert. Laut Gartner ist zum Betrieb eines Digitalen Ökosystems eine bimodale IT-Organisation bestehend aus traditioneller und agiler IT notwendig.
Bimodale IT-Organisationen verbinden traditionelle und agile IT-Prozesse
Bei der bimodalen IT unterscheidet Gartner die IT-Organisation in Mode 1, dem klassischen IT-Planungs- und Arbeitsmodus (traditionelle IT), und Mode 2, dem agilen und flexiblen Modus (zum Beispiel bei Innovationsprojekten für mobile Endgeräte).
Mode 1 hat das primäre Ziel der Zuverlässigkeit und Betriebssicherheit, ist Plan-getrieben auf Zustimmungsbasis und führt typischerweise klassische Projekte durch, die IT-zentriert sind und lange Zyklen aufweisen.
Mode 2 will primär die Agilität vorantreiben. Dies geschieht durch kontinuierliche Verbesserung und Erweiterung (im Gegensatz zu klassischen IT-Projektvorgehensmodellen) unter Einsatz agiler Software-Entwicklungsansätze, wie zum Beispiel Scrum und Kanban, die zu kurzen Durchlaufzyklen führen. Im Mode 2 stehen das Geschäftsmodell und der Endkunde stärker im Fokus (nicht streng IT-zentriert) und der Wert zeichnet sich durch positive Auswirkungen auf die Marke und das Kundenerlebnis aus.
Die meisten IT-Organisationen scheitern an der Festlegung der IT-Prozesse und Verantwortlichkeiten im Übergang von traditioneller bzw. agiler IT hin zu einer bimodalen IT. Mode 1 und Mode 2 stehen aber nicht getrennt voneinander. Mode 1 bildet mit den klassischen Infrastrukturen die Basis für die Arbeit, die in Mode 2 verrichtet wird.
Es besteht also in Zukunft höherer Abstimmungsbedarf in Unternehmen mit digitalen Geschäftsmodellen oder Ökosystemen. So bietet sich die Möglichkeit per zentraler Plattform, Mode 2 gelegentlich von externen Dienstleistern (beispielsweise App-Entwicklern) aktiv zu schalten, denn Mode 2 muss nicht zwingend vollständig innerhalb der eigenen IT-Organisation vorhanden sein. Der erhöhte Abstimmungsbedarf heißt im Umkehrschluss, dass in einer Demand-Supply IT-Organisation EAM (Enterprise Architecture Management) als IT-Management Disziplin eine noch größere Rolle zukommt.
Lücken mit stringenten EAM-Ansatz überbrücken
EAM ist die Schlüsselkompetenz um die Transformationen der Digitalisierung erfolgreich meistern zu können. EAM gibt sowohl die Rahmenbedingungen als auch IT-Architekturstandards vor, in denen sich Mode 1 und Mode 2 IT-Projekte bewegen, und ergänzt diese durch Verantwortlichkeiten sowie Prozessabläufe, so dass Synergien der beiden Modi entstehen.
4 Herausforderungen für EAM
Damit EAM erfolgreich eine zukunftsfähige IT-Organisation in der digitalen Geschäftswelt unterstützen und führen kann, sind die Lücken zu schließen, die sich durch den Transformationsprozess der Digitalisierung auftun. Daher ergeben sich bei einer bimodalen IT-Organisation für das Enterprise Architecture Management vier wesentliche Herausforderungen:
Wie sieht ein Mode 1 und Mode 2 umfassendes Architekturframework aus?
Wie lässt sich ein übergreifendes Technologiemanagement standardisieren?
Wie kann die Einhaltung der Bebauungsplanung übergreifend sichergestellt werden?
Wie erfolgt die Realisierungsunterstützung für Mode 1 und Mode 2 Projekte einheitlich?
1. Architekturframework
Ziel einer bimodalen IT-Organisation ist die Integration von Agilität und Innovation unter gleichzeitiger Berücksichtigung der traditionellen IT. Integration bedeutet in diesem Fall sowohl die erfolgreiche Festlegung von Prozessen und Verantwortlichkeiten als auch die zukünftige Planung der beiden Domänen, die sich trotz der unterschiedlichen Natur innerhalb der gesetzten Rahmenbedingungen der jeweiligen Aufbauorganisation bewegen müssen.
Die Rahmenbedingungen werden durch das Architekturmanagement, im speziellen durch ein formuliertes Architekturframework vorgegeben. Durch die Struktur der bimodalen IT sind die Leitlinien und Rahmenbedingungen des Architekturmanagements zu prüfen und neu auszurichten, um die Antworten auf aktuelle Anforderungen konkret abzubilden.
2. Technologiemanagement
Im Bereich Technologiemanagement ergeben sich sehr gute Möglichkeiten zur Integration in die beiden Modi der bimodalen IT. Durch die eindeutige Teilung der Domänen werden bestimmte Technologien zu großen Teilen auch nur in einem der Gebiete aktiv eingesetzt, dies erleichtert den Technologieverantwortlichen die Arbeit bei der IT-Standardisierung und der Einhaltung der Technologielebenszyklen.
Die strikte Trennung der Verantwortlichkeiten sowie die Festlegung bestimmte Technologien überhaupt aktiv zu managen sind nach wie vor feste Bestandteile eines proaktiven Architekturmanagements im Unternehmen.
3. Bebauungsplan
Kern der Bebauungsplanung in der bimodalen IT-Organisation ist die Abstimmung der Implementierungspläne beider Bereiche. Insbesondere die Möglichkeiten für Synergien sind innerhalb des Architekturmanagementzyklus zu betrachten.
Damit beide Modi gleichermaßen dazu beitragen, die im Soll-Bebauungsplan vereinbarte IT-Zielarchitektur zu unterstützen, sind die einzelnen Transformationsvorhaben zunächst getrennt nach den beiden Modi zu konzeptionieren und dann in der aktuellen Bebauungsplanung priorisiert zusammenzufassen.
4. Realisierungsunterstützung
Das aufgebaute Wissen im Bereich Unternehmensarchitektur sowie die produktiven IT-Anwendungslandschaften sind essenzielle Hilfen für die Realisierungsunterstützung. Durch die bimodale IT-Organisation gewinnen Referenzarchitekturen noch stärker an Bedeutung, da sich diese wie modulare Baukästen zusammensetzen lassen und damit eine Architekturbasis für agile IT-Projekte schaffen. Referenzarchitekturen genießen derzeit einen hohen Stellenwert in jeder IT-Organisation, allerdings ist die konkrete Erarbeitung und Umsetzung der Referenzarchitekturen meist niedriger priorisiert.
5 Maßnahmen zur Etablierung von EAM als Bindeglied zwischen traditioneller und agiler IT
Um EAM im Unternehmen erfolgreich für den digitalen Wandel vorzubereiten, sind fünf wesentliche Maßnahmen zur Etablierung von EAM als Bindeglied zwischen traditioneller IT undagiler IT umzusetzen:
1. Ergänzung des zentralen Architekturframeworks um Mode 2 Prozesse & Artefakte
Das eingesetzte Architekturframework und die relevanten Rahmbedingungen und Vorgehensweisen darin sind um Mode 2 relevante Prozesse und Artefakte zu ergänzen. Zusätzlich ist das Architekturframework so auf Mode 2 IT-Projekte auszurichten, dass agile Vorgehensweisen nicht im Konflikt zu traditionellen IT-Prozessen stehen.
2. Ausbau des zentralen Technologiemanagements um Mode 2 Technologiezyklen
Im Rahmen des Technologiemanagements gelten für Mode 2 Technologien andere Anforderungen, speziell mit Blick auf Release-Zyklen und Einsatzumgebung. EAM stellt Regeln für den Umgang mit agilen Technologien bereit und ermöglicht eine flexible Planung der Technologiezyklen. Zusätzlich übernimmt EAM die Aufgabe, den Abgleich der technologischen Basis für Mode 1 und Mode 2 sicherzustellen, um Synergien in Form von Technologiestandards abzuleiten und das technologische Fundament des Unternehmens kontinuierlich weiterzuentwickeln.
3. Kontinuierliche Erweiterung der Bebauungsplanvorgaben gemäß Mode 1 und Mode 2
Es muss ein Verfahren etabliert werden, um die jährlichen Soll-Bebauungsplanvorgaben für Mode 1 IT-Projekte zu aktualisieren und die Änderungen aus den unterjährigen Mode 2 IT-Vorhaben miteinfließen zu lassen. Hierbei ist im Rahmen der Bebauungsplanung insbesondere die Einhaltung der Vorgaben der IT-Zielarchitektur für Mode 1 und Mode 2 IT-Projekte durch eine quartalsweise Überprüfung sicherzustellen.
4. Aufnahme von Mode 2 Architekturbausteinen im EA Repository
Um agile IT-Projekte optimal zu unterstützen und deren Time-to-Market zu reduzieren, ist es eine zentrale Aufgabe des EAM entsprechende Referenzarchitekturen für Mode 2 Vorhaben anzubieten. Dazu sind die Daten in einem Enterprise Architecture Repository entsprechend kontinuierlich zu aktualisieren und Referenzarchitekturen sowie Architekturbausteine als modularen Baukasten speziell für Mode 2 Lösungsarchitekturen bereitzustellen.
5. Integration von EA Quality Gates in agile Projektmethoden
Eine weitere Kernmaßnahme ist die Integration von Architekturmanagement-Reviews in Form von "Enterprise Architecture Quality Gates" in die agilen Projektmethoden (z.B. Scrum, Kanban) zur Realisierung von Mode 2 IT-Projekten. Dabei ist darauf zu achten, dass die Architekturprüfungen parallel zur Umsetzung der Mode 2 IT-Projekte erfolgen. Ziel ist es nicht, durch ein EA Quality Gate die Umsetzung eines Mode 2 Vorhabens zu stoppen, sondern die Einhaltung der Architekturvorgaben gemäß der existierenden IT-Standards, Referenzarchitekturen und der Soll-Bebauungsplanung zu verifizieren sowie erforderliche Änderungen entsprechend zu dokumentieren.
Durch die stringente Umsetzung der genannten Maßnahmen wird EAM zum zentralen Bindeglied zwischen traditioneller IT und agiler IT, und somit zum entscheidenden Erfolgsfaktor bei der Umsetzung der digitalen Businessstrategie und IT-Transformation im Unternehmen.