Irgendwann trifft es jeden. Da bringt eine Google-Suche ein unliebsames Dokument unserer Vergangenheit zutage, das wir lieber heute als morgen aus dem Web verschwinden lassen möchten.
Rund um das Auslöschen negativer Informationen im Internet hat sich eine gesamte Industrie - Online Reputations-Management - entwickelt, die Privatmenschen und Unternehmen ihre Dienste anbietet. Dabei wird nicht nur gelöscht, sondern auch aufpoliert.
Aber wie kann man ungeliebte Informationen aus dem Netz verschwinden lassen? Hat ein Einzelner die dafür nötigen Mittel? Unsere amerikanische Schwesterpublikation Computerworld hat versucht, es herauszufinden. Drei Fälle sollten innerhalb einer Woche gelöst werden.
1. Eine Uni-Absolventin mit einem ausgefallenen Nachnamen möchte einen Blog-Eintrag löschen lassen. Darin wird sie mit Drogen und Sex in Verbindung gebracht. Bei einer Google-Suche taucht der Eintrag stets an vierter oder fünfter Stelle auf. Das ist vor allem jetzt ein Problem für die junge Frau, da sie sich in der Bewerbungsphase befindet.
2. Eine freiberufliche Autorin wird fälschlicherweise als Filmkritikerin auf der Filmbewertungsseite Rotten Tomatoes gelistet. Gegen die Seite an sich hat sie nichts, aber sie befürchtet falsche Schlüsse. Vor allem nicht mit dem Portal bekannte ältere Kunden könnte es abschrecken, dass beim Googeln neben ihrem Namen das Wort "rotten" erscheint.
3. Vor einigen Jahren gab eine IT-Expertin der Computerworld ein sehr launiges Interview. Vor kurzem kontaktierte sie die Redaktion und bat um Löschung ihres Namens. Begründung: "Ich möchte erreichen, dass zu meinem Namen keine Einträge mehr existieren."
Unsere Suche nach dem richtigen Umgang mit der digitalen Vergangenheit begannen wir mit einem Besuch bei einigen Experten für das Online-Auftreten. Wenn man versucht, einen Netz-Eintrag über sich löschen zu lassen, denkt man häufig darüber nach, rechtliche Schritte einzuleiten. "Machen Sie das nicht", rät Michael Fertik, der CEO von Reputation Defender, einem kalifornischen Unternehmen für Reputations-Management im Internet.
Wieso? Rechtliche Schritte sind wegen der nicht-physikalischen Struktur des Internets häufig äußerst kompliziert. Oft befinden sich die Betroffenen, der Verleumder und der Host in unterschiedlichen Ländern, das macht es dann noch viel verzwickter.
Das Internet ist mehr als Google
Auch Google darf man nicht unterschätzen. Wenn etwas nicht mehr bei der Google-Suche gelistet wird, existiert es nicht mehr im Web. Richtig? Falsch! "Wenn Inhalte bei Google oder anderen Suchmaschinen entfernt werden, existieren sie nach wie vor im Internet", so ein Google-Sprecher. Besser: Den Webmaster der Homepage oder das Hosting-Unternehmen benachrichtigen.
Computerworld schilderte den Reputationsexperten die drei Fälle. Optimistisch waren sie lediglich beim ersten Fall - dem der jungen Frau, deren Name in einem schlüpfrigen Blog-Eintrag auftauchte.
Noch einmal zum dritten Beispiel: Eine IT-Managerin gibt sich in einem Computerworld-Interview betont lässig - und bereut es später. Bei diesem Fall waren sich die Experten nicht einig. Todd Gitlin, Journalismus-Professor an der Columbia Universität, vertrat die Meinung, Publikationen würden seiner Erfahrung nach keine nachträglichen Änderungen an Artikeln vornehmen. Michael Fertik von Reputation Defender widerspricht. Bei der New York Times wäre das wohl unwahrscheinlich, aber kleinere Redaktionen könnten durchaus auf Änderungswünsche eingehen.
Der Google-Cache
Der Suchmaschinengigant bietet auf seinen Seiten Werkzeuge an, die bei dringenden Anliegen helfen. Etwa wenn Kreditkarten- oder Sozialversicherungsnummern im Internet erscheinen. Man sollte allerdings unbedingt sicherstellen, dass die Informationen auch aus dem Cache verschwinden.
Wenn rechtliche Schritte alles nur verkomplizieren und Google oder andere Suchmaschinen nicht helfen können - wer kann es dann? Ein häufig unterschätztes Mittel sind eigene Recherche und der altmodische direkte Kontakt zu anderen Menschen.
Chris Martin, der Gründer von ReputationHawk.com, versucht stets, direkten Kontakt zu einer Person aufzubauen, entweder zum Autor selbst oder zum Host. "Wenn der Host dem Autor Rechnungen stellt, verfügt er über dessen Kontaktdaten", so Martin.
Schlägt das fehl, suchen er und seine Mitarbeiter den Kontakt über soziale Netzwerke wie MySpace oder Facebook. Das Ziel ist der direkte Kontakt am Telefon. Denn der ist deutlich effektiver als eine E-Mail.
Sowohl ReputationHawk als auch Reputation Defender werben damit, dass sie deutlich erfolgreicher sind als Individualaktionen. Das Team von Reputation Defender hat sich bereits mit mehr als 1.000 beschäftigt, mit einer Erfolgsquote von 85 Prozent. Mit jedem Fall erweitern die Mitarbeiter ihr Netz an Kontakten.
Geringe Aussichten auf Erfolg sahen die von uns befragten Experten beim Namen der Autorin auf dem Portal Rotten Tomatoes. Zahlreiche E-Mails an die Web-Seite blieben unbeantwortet. Auch auf die auf einem Anrufbeantworter hinterlassenen Nachrichten gab es keine Reaktionen.
Positive Inhalte schaffen
Die Journalistin ist am besten damit beraten, positive suchmaschinenoptimierte Inhalte zu schaffen und so den negativen Eintrag im Ranking nach hinten zu schieben.
Der Versuch, den Blogeintrag löschen zu lassen, in dem die junge Hochschulabsolventin vorkommt, erwies sich schwieriger als von den Experten erwartet. Die Verfasserin des Eintrags war nicht ausfindig zu machen und auch der direkte Kontakt mit der Web-Seite gestaltete sich schwierig. Über Umwege landeten wir bei einem Unternehmen, bei dem hunderte von Domains registriert sind - darunter zahlreiche Porno-Seiten. Dort hinterließen wir Nachrichten auf Anrufbeantwortern, bekamen aber keine Antwort.
Die Deadline
Wir steuerten unaufhaltbar auf unsere selbst auferlegte Deadline zu. Wir verschickten eine letzte E-Mail, in der wir um Antwort baten. Nichts. Bei der Google-Suche stellten wir dann allerdings fest: Der Eintrag war verschwunden. Wir versuchten, direkt auf die Seite zu gehen: auch verschwunden. Wir hatten keine Ahnung welche unserer E-Mails das ausgelöst hatte, aber die Seite war vom Netz genommen worden.
Diesen Fall hatten wir gelöst, bei den anderen beiden konnten wir nichts erreichen. Unser Fazit: Online-Spuren zu beseitigen kostet viel Zeit, Ausdauer und eine große Portion Glück.