Nach dem Chefwechsel bei HP steigt nach Einschätzung von Analysten die Wahrscheinlichkeit, dass der IT-Gigant seine PC-Sparte doch nicht abstößt. Von Meg Whitman, die am vorigen Donnerstag als Nachfolgerin von Leo Apotheker das Ruder bei dem Unternehmen übernahm, erwarten Marktexperten Stabilität und einen kommunikativen Führungsstil.
Die Auswechslung von Apotheker sei überfällig gewesen, sagt Wafa Moussavi-Amin, Geschäftsführer bei IDC Central Europe für Deutschland und die Schweiz. Apotheker sei ein "Alleinherrscher" gewesen, Whitman sei im Unterschied zu ihm kommunikationsstark und habe "ein Ohr für die alt eingesessenen HP-Manager".
Führungsteam ohne einheitliche Richtung
Auch Moussavi-Amins Kollege Crawford Del Prete, Chief Research Officer bei IDC, hebt die kommunikativen Fähigkeiten der neuen HP-CEO hervor. Sie habe eine "klare, konzise und vertrauenswürdige Art", schreibt der Analyst.
Schlechte Verständigung im Führungsteam und innerhalb des Unternehmens war einer der Gründe, warum Leo Apotheker nach nur elf Monaten an der Spitze von HP gehen musste. Das wurde auch deutlich aus den Äußerungen von Ray Lane, dem Aufsichtsratsvorsitzenden des Unternehmens, in einer Telefonkonferenz. Die Art, wie Apotheker im August den geplanten Verkauf der PC-Sparte und die Übernahme von Software-Hersteller Autonomy ankündigte, habe viele vor den Kopf gestoßen, sagte Lane. Dem Führungsteam um den einstigen SAP-Chef habe zudem eine einheitliche Richtung gefehlt.
Lane, der im Zuge der Umbesetzung an der HP-Spitze vom Non-Executive Chairman zum Executive Chairman wurde, gestand Leo Apotheker allerdings zu, eine Vision für HP entwickelt zu haben. "Wir danken ihm dafür, dass er dazu wichtige Beiträge geleistet hat", sagte er. Ähnlich äußert sich Mark Fabbi von Marktforscher Gartner: "Leo hatte gute Ideen, aber er hatte Probleme mit der Umsetzung."
Apotheker hat Vertrauen verspielt
Damit habe er unter Investoren wie auch Kunden viel Vertrauen verspielt, so Fabbi weiter. Das wiederherzustellen, sei nun Whitmans dringlichste Aufgabe. "Und ich glaube, dass sie das gut machen wird", sagte Fabbi.
Auch Del Prete von IDC berichtet von Vertrauensverlusten gegenüber HP. Er habe im Gespräch mit Firmenkunden "Unsicherheit bei geplanten Käufen festgestellt, die HPs Absatzchancen beeinträchtigen werden", so der Chief Research Officer.
Aufsichtsratschef Ray Lane bezeichnete Whitman in einer Unternehmensmitteilung als "Visionären der Technologiebranche". Sie habe sich in den vergangenen acht Monaten als Mitglied des Board of Directors schon gut mit den Produkten und Märkten von HP vertraut gemacht.
Crawford del Prete von IDC gesteht der neuen HP-Chefin "wertvolle Erfahrung" zu, ein komplexes, großes Technologieunternehmen zu führen. Sie habe in ihrer bisherigen Laufbahn viele Erfolge erzielt.
Experton: Whitman hat wenig Erfahrung im B2B-Geschäft
Schon als am vorigen Mittwoch Gerüchte aufkamen, Whitman würde die Führung des IT-Giganten übernehmen, stieg der Kurs von HP an der New Yorker Börse um 7,6 Prozent.
Analysten der Experton Group indes bremsen in einer Stellungnahme zu dem Führungswechsel die Begeisterung über die neue HP-Chefin. Das Unternehmen wieder auf Kurs zu bringen, werde für sie "keine leichte Sache" werden. Meg Whitman habe von 1998 bis 2008 sehr erfolgreich Ebay geführt. "Damit bringt sie jedoch überwiegend Erfahrung aus dem B2C-Geschäft mit, wogegen HP seinen meisten Umsatz im B2B-Bereich - und das mit Großkunden - macht", geben die Analysten zu bedenken.
Was die nächsten Schritte in der Firmenstrategie von HP angeht, erwarten die Marktbeobachter, dass das IT-Unternehmen unter der neuen Führung die Abstoßung seiner PC-Sparte zumindest nochmals überdenken wird. Unter Apothekers Führung hatte Hewlett-Packard Mitte August bekannt gegeben, dass es über Verkauf oder Ausgliederung seiner Personal Systems Group (PSG) nachdenke, die PCs, Smartphones und Tablets verkauft.
Whitman sagte in der Telefonkonferenz am Donnerstag nun, die Entscheidung über die Zukunft der Einheit werde in den nächsten drei Monaten fallen. Wir "erwarten, dass das Board eine Festlegung trifft bis zum Ende des Kalenderjahres, wenn nicht früher. Grundlage für die Entscheidung wird einzig der Wert für unsere Investoren und Kunden sein", sagte Whitman.
"HP ist der größte PC-Hersteller der Welt, und der profitabelste nach Apple. Dass sie laut über eine Ausgliederung sprachen, ohne eine Lösung zu haben, war überraschend", sagte Ezra Gottheil, Analystin bei Technology Business Research, gegenüber dem IDG News Service. Auch Roger Kay, Chef des Marktforschungs- und Beratungsunternehmens Endpoint Technologies Associates, sieht das PC-Geschäft als wichtig für HP an: Es sei die nach wie vor größte Umsatzquelle.
Völlige Trennung von PC-Sparte unwahrscheinlich
"Ich kann mir nicht vorstellen, dass Meg Whitman die Idee einer kompletten Trennung von PSG verfolgt", sagt Wafa Moussavi-Amin von IDC. Dass HP sein Geschäft stärker auf Software und Services ausrichte, darauf habe das Unternehmen schon seit drei oder vier Jahren hingearbeitet. Mit einem Verkauf des PC-Bereichs habe man dieses Vorhaben nun womöglich sichtbar untermauern wollen. "Die stärkere Ausrichtung auf Software und Services geht aber auch ohne eine solche Abstoßung", sagt der Analyst.
Moussavi-Amin gibt zu bedenken, dass HP das einzige IT-Unternehmen sei, das "alles aus einer Hand anbietet". Mit diesem Pfund könne HP weiterhin wuchern, wenn es die Rechnersparte PSG behalte. Im Unterschied zur nicht mehr aufhaltbaren Übernahme von Autonomy sei mit Apothekers lautem Nachdenken über den PSG-Verkauf noch nichts weiter geschehen. "Das lässt sich schnell revidieren, und das erwarte ich auch", so der IDC-Analyst.
Die drei Monate, die sich Whitman für die endgültige Entscheidung ausbedungen habe, hält er für zu lang. "Diese Zeit gibt ihr der Markt nicht, auch weil das HP-Geschäftsjahr im November endet."
Für unwahrscheinlich hält auch Mark Fabbi von Gartner die Trennung von der PC-Sparte. "Ich weiß nicht, an wen überhaupt sie PSG verkaufen sollten, wer das Geld hätte", so Fabbi. Kein Mitbewerber auf dem Markt käme in Frage, und für ein Private-Equity-Unternehmen wäre PSG aus Fabbis Sicht ein zu großer Brocken.
Das muss aus seiner Sicht allerdings nicht heißen, dass alles bleibt wie bisher. Möglich sei zum Beispiel, dass HP die PSG zu einem eng mit der Mutterfirma verbundenen Partnerunternehmen mache.
HP nicht zur Kopie von IBM machen
Die Analysten der Experton Group halten ebenfalls kleinere Anpassungen für wahrscheinlicher als "dass alles umgekrempelt werden muss". HP müsse eben eine konsequente Strategie entwickeln auf Grundlage der eigenen Stärken, und diese "sauber kommunizieren".
Der falsche Weg wäre es aus Sicht von Moussavi-Amin jedenfalls, wenn HP den von Apotheker vorgezeichneten Weg weitergehen würde, das Unternehmen zu "einer Kopie von IBM" zu machen. (CIO/bw)
Mit Material unserer Nachrichtenagentur IDG News Service (Agam Shah, Chris Kanaracus)