Die Berater von EY (Ernst&Young) üben sich in Dramatik: ob die digitale Arbeitswelt Chance sei oder "Jobkiller", stellen sie ihrer Befragung von mehr als 1000 deutschen Arbeitnehmern voran. Teilgenommen haben sowohl Abteilungs- und Teamleiter als auch Sachbearbeiter. Die Ergebnisse zeigen Nachholbedarf an Information auf. Insgesamt bereiten Unternehmen ihre Mitarbeiter nicht ausreichend vor, so das Fazit von Ernst&Young.
Die Einschätzung der Digitalisierung hängt vom Alter und der Hierarchie-Ebene ab. So erklären 64 Prozent der jungen Befragten (18 bis 29 Jahre), ihr Arbeitsplatz sei durch die Digitalisierung insgesamt attraktiver geworden. Dieser Prozentsatz sinkt bei den über 50-Jährigen auf 36 bis 37 Prozent ab. 58 Prozent der Abteilungs- und 55 Prozent der Teamleiter sprechen von gestiegener Attraktivität des Jobs, aber nur 40 Prozent der Sachbearbeiter.
Insbesondere jüngere Mitarbeiter versprechen sich von der Digitalisierung bessere Vereinbarkeit (Familie und Beruf), freie Zeiteinteilung, bessere Arbeitsergebnisse und anspruchsvollere Aufgaben. Auch in diesen Fragen sinkt der Optimismus mit zunehmenden Lebensjahren.
Definition von Digitalisierung sehr unklar
Allerdings scheinen die Begrifflichkeiten Digitalisierung/Industrie 4.0 noch weitgehend unklar zu sein. EY hat die Studienteilnehmer gefragt, ob sie wissen, was Industrie 4.0 bedeutet. Eine relative Mehrheit von 44 Prozent verneint das offen. 33 Prozent haben eine ungefähre Vorstellung und lediglich 23 Prozent bejaht die Frage. Diese 23 Prozent verbinden mit Industrie 4.0 vor allem Digitalisierung/Informatisierung sowie Vernetzung von Maschinen und Anlagen und intelligente, selbstlernende Systeme beziehungsweise computergesteuerte Produktion und Prozesse.
Trotz der Unklarheit über den Begriff erklären 44 Prozent aller Befragten, die Digitalisierung habe "viel" unmittelbaren Einfluss auf ihren Arbeitsplatz. Weitere 41 Prozent sprechen von "etwas" Einfluss.
Stress und Komplexität
Diese Auswirkungen können die Studienteilnehmer auch benennen. 39 Prozent konstatieren mehr Stress - 24 Prozent andererseits weniger. 46 Prozent sagen, Arbeitsprozesse seien komplexer geworden, 42 Prozent behaupten das Gegenteil. Knapp jeder Zweite stellt Auswirkungen auf seine Identifikation mit der Arbeit fest: 25 Prozent identifizieren sich stärker mit ihren Aufgaben - 29 Prozent jedoch schwächer.
Dem im Studientitel erwähnten Jobkiller-Klischee folgen die Befragten kaum. 89 Prozent sehen ihren Arbeitsplatz nicht bedroht. Es hapert jedoch an der Vorbereitung auf die neuen Herausforderungen. 47 Prozent erklären, vom Unternehmen "gar nicht" bis "etwas" informiert zu werden. Was den direkten Vorgesetzten betrifft, gilt das sogar für 51 Prozent. Auch durch Arbeitnehmervertreter und Betriebsrat fühlen sich die Befragten nicht genug aufgeklärt.
41 Prozent der Angestellten fügen an, es gebe in ihrem Unternehmen keine Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen, um sich auf veränderte Bedingungen einstellen zu können. Hierbei zeigt ein Blick auf die unterschiedlichen Firmengrößen, dass insbesondere kleine Betriebe mit weniger als hundert Mitarbeitern solche Angebote selten bereitstellen.
Keine "deutsche Angst"
Obwohl das Phänomen Digitalisierung für die Befragten insgesamt diffus erscheint, trauen sie dieser Entwicklung Potenzial zu. So erklärt eine deutliche Mehrheit von 85 Prozent, die Digitalisierung werde interne Abläufe verbessern. 80 Prozent erwarten das auch für die Kundenbeziehungen und 75 Prozent für den Kontakt zu Lieferanten.
"Von der viel beschworenen Angst der Deutschen ist bei diesem Thema nichts zu spüren", resümiert Nelson Taapken, Partner und HR-Experte bei Ernst&Young. Firmen sollten die positive Grundhaltung nutzen, um ihre Belegschaft frühzeitig auf die konkreten Auswirkungen der Digitalisierung vorzubereiten. Taapken: "Die Stimmungslage ist ein perfekter Zeitpunkt, um alle Mitarbeiter mitzunehmen bzw. Veränderungen gemeinsam zu realisieren."