Man muss nicht gleich von einer "smarten" mobilen Technologie sprechen, wie es die Analysten von Ernst & Young in Anlehnung an IBMs Smart-Kampagnen tun, wenn man die Folgen der mobilen Revolution in der IT für das Gesundheitswesen beurteilen will. Ein klarer Bezug auf die Fakten reicht schon aus. So sagt denn auch Mal Postings, Global CTO/IT Advisory bei Ernst & Young: "Was wir als erstes erkennen müssen, ist die Tatsache, dass 'mobile' heute ein wesentlicher Bestandteil des täglichen Lebens der gesamten Menschheit ist. Wenn man heute nicht die existierenden mobilen Lösungen mit in Betracht zieht, dann übersieht man einen wesentlichen Bestandteil des Ganzen."
1. Der mangelhafte Status quo des Gesundheitswesens
Ernst & Young konstatiert in seiner neuen Studie "mHealth – Mobile technology poised to enable a new era in health care", dass in fast allen Ländern der Healthcare-Bereich einer dringenden Transformation bedarf. Dies liege nicht nur an den überall explodierenden Kosten der medizinischen Versorgung, sondern auch an dem weiter anhaltenden Wachstum der weltweiten Bevölkerung und der generellen Verlängerung des durchschnittlichen Lebensalters. Gleichzeitig verlangen die Menschen in den Entwicklungsländern nach einem verbesserten Zugang zu den Gesundheitsinstitutionen.
2. Mobile Technologie ist überall auf dem Vormarsch
In vielen Geschäftsbereichen und im Privatleben vieler Menschen haben mobile Geräte und eine Unzahl an Applikationen Einzug gehalten. Mobile Geräte fungieren bereits als Auslöser für andere technologische und gesellschaftliche Veränderungen, ist man bei Ernst & Young überzeugt.
Man kann jederzeit und überall auf geschäftskritische oder private Informationen zurückgreifen, je nach individuellen und organisatorischen Anforderungen. Erzeugt werden sie immer mehr über soziale Netzwerke oder über analytische Ansätze – zum Beispiel bei Retail oder Marketing. Gespeichert und bereitgestellt werden sie in privaten oder public Cloud-Lösungen. Und verteilt werden sie über eine vielfältige Masse von mobilen Geräten und Apps.
3. Healthcare ist da, wo der Patient ist
Laut der von Ernst & Young 2012 vorgestellten Studie "Progressions, The third place: Health care everywhere" ist davon auszugehen, dass sich die Verhaltensweisen von Patienten und medizinischem Personal unter dem Eindruck der mobilen Technologien stark verändern werden: Die Gesundheitsversorgung werde sich aus den Arztpraxen und Krankenhäusern weg bewegen – dorthin, wo sich die Patienten aufhalten.
Das bedeute in der Folge dann zweierlei: Die Ergebnisse der Gesundheitsversorgung werden sich deutlich verbessern, und gleichzeitig lassen sich die Kosten des Gesundheitssystems herunterfahren. Laut Ernst & Young befanden sich im Jahr 2010 schon 90 Prozent der Weltbevölkerung in der Reichweite mobiler Netzwerke. Dieses Reservoir ist erst zum Teil für die Gesundheitsversorgung genutzt.
4. mHealth als exzellente Geschäftsidee
Ernst & Young geht davon aus, dass viele IT-Hersteller auf den Zug von mHealth aufspringen werden, weil sich auf diesem Sektor noch vergleichsweise hohe Wachstumsraten erzielen ließen. Schon bisher haben Unternehmen wie Dell, HP oder IBM erkannt, dass im Gesundheitsbereich noch viel zu holen ist. Zum einen sind viele Arztpraxen und Krankenhäuser chronisch unterausgestattet mit IT-Hard- und Software. Zum anderen ist das noch immer zu großen Teilen staatlich und über Krankenkassen finanzierte Gesundheitswesen letztlich substantiell solide.
Private Krankenhausketten, zu 100 Prozent gewinnorientiert, erobern überdies in fast allen Ländern größere Marktanteile und investieren überdurchschnittlich viel in IT. Das zunehmende Engagement von Herstellern in Healthcare-IT und -Services werde, so ist man bei Ernst & Young überzeugt, der mobilen Revolution im Gesundheitswesen weiteren Schwung verschaffen.
5. Die Kosten für chronische Krankheiten drücken
In seinem "Progession"-Report hat Ernst & Young dargelegt, wie stark überall die Kosten für das Gesundheitswesen explodiert sind. Vor allem in den USA haben sie bereits einen Anteil von 17,9 Prozent am Bruttosozialprodukt erreicht. In den meisten Ländern Europas bewegen sie sich um die 8 bis 9 Prozent, und in China haben sie 4,5 Prozent erreicht und wachsen weiter sehr stark.
75 Prozent dieser Kosten werden in diesen drei Regionen inzwischen durch die Betreuung und Behandlung chronischer Krankheiten verursacht. Hält dieser Kostendruck an, werden die Gesundheitssysteme zusammenbrechen, mahnt Ernst & Young. Mobile Technologien wären ein Ausweg, da sie mehr auf eine netzbasierte Behandlung statt auf Vor-Ort-Aufenthalte bei Ärzten und Krankenhäusern setzten.
6. Remote Monitoring
Über das Internet zu Patienten in Kontakt zu treten, wird aber erst relativ selten praktiziert. Das liegt auch an der Zurückhaltung der Ärzteschaft gegenüber der IT-Technologie. Doch mit Smartphones, Tablets und dem Apple- und Samsung-Touch vieler Geräte geraten immer mehr Ärzte und weitere Teile des medizinischen Personals in direkten Kontakt mit dieser Entwicklung, und die Barrieren sind im Begriff zu brechen. Bring Your Own Device (BYOD) ist in Kliniken kein unbekanntes Kürzel mehr und wird die Adoption mobiler Geräte voranbringen.
7. Big Data: Gesundheits-Apps auf dem Vormarsch
Datenaustausch in großem Stil ist neben der unmittelbaren Kontrolle der Patienten der wesentliche Vorteil von mHealth. Apps der neuesten Generationen können Informationen über Blutdruck oder Diabetes aufnehmen und weitergeben oder sonstige individuelle Gesundheitsfaktoren überprüfen. Doch diese personalisierten, patientenspezifischen Daten können darüber hinaus anonymisiert in Big-Data-Lösungen eingespeist werden und somit später dann wieder den einzelnen Patienten von Nutzen sein, wenn sie in Healthcare-Apps einfließen. CTO Mal Postings von Ernst & Young spricht von einer "Vision, in der die mobilen Geräte so etwas wie die Nervenenden eines großen Informationsnetzwerks zu gesundheitlichen Themen sind".