Hohes Schilf, dichte Pflanzen, bei genauem Hinschauen ist dazwischen etwas Wasser zu erkennen - eigentlich sieht es aus wie große zugewachsene Teiche. Doch der Geruch ist zeitweise ungewöhnlich. Kein Wunder, denn die mit Schilf bewachsenen Becken in der kleinen unterfränkischen Gemeinde Theres (Landkreis Haßberge) bei Schweinfurt sind eine Kläranlage, genauer gesagt eine Pflanzenkläranlage.
Bei Pflanzenkläranlagen wird das Abwasser in Becken mit Kies und Sand geleitet, die mit Pflanzen wie Schilfrohr bepflanzt sind. Feststoffe wie Kot werden in der Regel zuvor in einer Vorklärung entfernt, zum Beispiel indem sie sich in einem sogenannten Absetzteich absetzen. Gereinigt wird das Wasser durch ein Zusammenspiel von Pflanzen, Bodenmaterialien, Luft und vor allem Mikroorganismen. Oft gibt es mehrere Becken, wobei nie alle gleichzeitig betrieben werden, damit sich die Biologie in den Ruhephasen wieder mineralisieren kann.
Mikroorganismen machen die Arbeit
Experten sprechen statt von Pflanzenkläranlagen eher von bepflanzten Bodenfiltern. "Die Reinigung kommt gar nicht wie man gemeinhin denkt von den Pflanzen, sondern von den Mikroorganismen", sagt Roland Müller, der beim Leipziger Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) lange zu den naturnahen Kläranlagen geforscht hat. Die Pflanzen sorgen vielmehr dafür, dass sich der reinigende Biofilm bilden kann. Ist das Wasser wieder sauber, kann es zum Beispiel in den nächstgelegenen Bach geleitet werden oder einfach versickern.
Müller hat den Eindruck, dass die Anlagen immer mehr nachgefragt werden. Nicht nur wegen des ökologischen Images, sondern auch weil sie geringe Betriebskosten haben. Pflanzenkläranlagen haben verschiedene Vorteile. Laut der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft (DWA) brauchen sie wenig Energie, es fällt weniger Klärschlamm an und die Pflanzen verbessern das Kleinklima. Die Anlage in Theres kommt ganz ohne Strom aus. Auch Personal ist wenig nötig.
Pflanzenkläranlagen finden sich daher nicht nur bei Befürwortern ökologischer Lebensweise, wie im Ökodorf Sieben Linden in Sachsen-Anhalt, sondern auch in ländlichen Siedlungen ohne Anschluss an größere Abwassersysteme wie in Theres oder auf manchen Campingplätzen. Die meisten Anlagen sind eher klein und reinigen nur das Abwasser von bis zu 50 Einwohnern (so genannte Kleinkläranlagen). Offziell spricht man von Einwohnerwerten - das heißt Einwohner plus Gewerbeabwasser. Aber möglich ist auch mehr. Im Ausland gibt es sogar Anlagen im großen Stil, sagt Müller. "Die wohl weltweit größte mit mehreren Hundert Hektar steht im Oman." Dort reinigt sie belastetes Wasser aus der Erdölgewinnung.
Option für arme Länder
Auch für eher arme Länder scheinen Pflanzenkläranlagen eine Möglichkeit. Denn in vielen Gegenden der Welt sind Toiletten und Abwasserentsorgung bisher nicht vorhanden, was zur Verbreitung von Krankheiten führen kann. "Gerade in Gebieten mit wenig Geld, Strom und Know-How, aber dafür viel Fläche, sind Pflanzenkläranlagen relativ einfach zu betreiben", sagt Martina Stockbauer, stellvertretende Sprecherin der Arbeitsgruppe "Abwasserteichanlagen" beim Bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU). Aber auch in Frankreich sind Pflanzenkläranlagen relativ weit verbreitet.
"Bei Anlagen der Größenklasse 1 können Pflanzenkläranlagen genauso gut reinigen wie eine technische Anlage", sagt Stockbauer. Größenklasse 1 entspricht bis zu 1.000 Einwohnerwerten. Auch Arzneimittelrückstände ließen sich laut Stockbauer eventuell mit Pflanzenkläranlagen in Kombination mit Aktivkohle herausbekommen. Inwiefern Kläranlagen mit einer sogenannten Vierten Reinigungsstufe für Stoffe wie Arzneimittel ausgestattet werde müssen, wird derzeit in der EU beraten. Während es beim Umweltbundesamt noch Skepsis gibt, ob Pflanzenkläranlagen solche Mikrostoffe schaffen, ist Forscher Müller optimistisch. "Manche Bakterien können auch exotische Sachen knacken."
Aber bepflanzte Bodenfilter haben auch Nachteile: Sie brauchen relativ viel Platz - wobei neuere platzsparender geworden sind, das Wasser bleibt lange in den Becken und schwankende Wassermengen sind schwierig. "Außerdem kann man bei den naturnahen Anlagen weniger eingreifen und zum Beispiel die Belüftung ändern", sagt Stockbauer. Darüber hinaus sollten Menschen bisher nur biologisch-abbaubare Körperpflege- und Reinigungsmittel verwenden, wenn das Wasser in eine Pflanzenkläranlage soll.
Auch alle Arten von landwirtschaftlichem Abwasser bekommen der Abwasseranlage schlecht, heißt es vom Bayerischen Landesamt für Wasserwirtschaft. Das merkt die Gemeinde Theres. Von landwirtschaftlichen Flächen ausgeschwemmtes Wasser führt laut Bürgermeister Matthias Schneider gelegentlich zu einer Verkrustung. "Wir betteln daher gerade die Eigentümer angrenzender Grundstücke an, dass das Wasser aus der Landwirtschaft anders abgeleitet wird", erzählt Schneider.
Die Anlage im bayerischen Theres hat 2016 einen Innovationspreis erhalten. Eine Neuheit sind Pflanzenkläranlagen allgemein aber nicht. "Um 1870 wurden wohl die ersten Überlegungen zu den Vorläufern der Pflanzenkläranlagen angestellt, konkretere wissenschaftliche Ansätze kamen um 1960 auf, ab 1980 häuften sich dann die Untersuchungen zum Thema", sagt Stockbauer. In Bayern seien ab 1990 die ersten kommunalen Anlagen gebaut worden. Einige seien bis heute in Betrieb.
Wie viele es derzeit in Deutschland gibt, wissen weder das Bundesumweltamt, noch die Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft (DAW). Rheinland-Pfalz berichtete 2020 von 31 kommunalen Pflanzenkläranlagen. Nicht mitgezählt sind private Kleinkläranlagen.
Die Teichanlage in Theres funktioniert laut ihrem Bürgermeister Matthias Schneider tadellos und hat offenbar Vorbildcharakter. "Immer wieder erkundigen sich andere Kommunen und möchten eine Führung", so Schneider. Trotz vieler Vorteile sind Pflanzenkläranlagen aber keine Selbstläufer, meint Stockbauer vom LfU. "Manche Gemeinden unterschätzen, dass auch naturnahe Anlagen Betreuung und Wartung brauchen, zum Beispiel muss Fremdbewuchs entfernt werden." (dpa/rs)