Herr Wechsler, seit 2015 sind Sie bei ProSiebenSat.1 nicht nur CIO, sondern auch Chef der Fernsehtechnik, also aller Kameras, Scheinwerfer und Schnittsysteme. Was ist die Strategie dahinter?
Johannes Wechsler: Bei ProSiebenSat.1 ist die IT ein wichtiger Innovationstreiber. Die "klassische" Fernsehtechnik, die sich ausschließlich um unser TV-Geschäft kümmert, gibt es nicht mehr. Seit 2010 bündeln wir die Unternehmens-IT und die Fernsehtechnik in einem Bereich. Grund dafür istdas Zusammenwachsen von TV- und Digitalgeschäft Diese Zusammenlegung war es für uns ein wichtiger Schritt.
Wofür dann auch mehr Mitarbeiter mit entsprechendem IT-Know-how nötig sind. Wie viele IT-Mitarbeiter wollen Sie in diesem Jahr neu einstellen?
Johannes Wechsler: Über alle Beteiligungsgesellschaften haben wir derzeit rund 1.000 IT-Mitarbeiter. Wir planen, dass inklusive Praktikanten etwa 200 Mitarbeiter dazukommen.
Welche Profile suchen Sie verstärkt?
Johannes Wechsler: Ein Drittel der aktuell bei ProSiebenSat.1 ausgeschriebenen Stellen hat mit IT und Daten zu tun. Gerade im Datenbereich sind wir in den letzten Jahren stark gewachsen. Wir wollen unsere Werbung stärker personalisieren und unseren Werbekunden mehr Targeting-Angebote machen. Dazu benötigen wir die entsprechenden Technologien - und natürlich auch Mitarbeiter, die sich auf dieses Thema spezialisiert haben. In den Fachbereichen werden mehr Data-Scientists gesucht, in meinem Bereich eher Data-Engineers, also Mitarbeiter, die Software entwickeln.
Der IT-Jobmarkt ist hart umkämpft. Mit welchen Mitbewerbern konkurrieren Sie am meisten um die Talente?
Johannes Wechsler: Wir treten im Münchner Umfeld eher gegen BMW und Audi als gegen Microsoft, Google und Co. an. Auch diese Firmen, die in der Vergangenheit vor allem Hardware entwickelt haben, wandeln sich zunehmend zu Softwareunternehmen. Wer autonomes Fahren entwickeln will, muss nicht primär Autos bauen, sondern braucht erst einmal die Software dahinter.
Um sich von der Konkurrenz abzuheben und auf sich als IT-Arbeitgeber aufmerksam zu machen, haben Sie eine Employer-Branding-Kampagne ins Leben gerufen. Frau Riedel, Sie sind Head of Recruiting and Employer Branding, und arbeiten eng mit Herrn Wechsler zusammen. Wie kam es zu der gemeinsamen Initiative?
Yvonne Riedel: Den Impuls hat die IT gegeben. Johannes kam mit der Frage auf mich zu, wie wir das Recruiting in seinem Bereich noch erfolgreicher gestalten können. Und wie wir IT-Talente am besten auf die Karrieremöglichkeiten bei ProSiebenSat.1 aufmerksam machen.
Johannes Wechsler: HR und IT waren die gemeinsamen Treiber bei der Initiative. Yvonne weiß, wie man potenzielle Bewerber am besten anspricht. Die konkreten Botschaften kamen von der IT. Denn es hilft ja nichts, irgendwelche Claims nach außen zu geben, die vom Bewerber sofort enttarnt werden, sobald er einen Job bei uns angenommen hat. Authentizität stand in unserer Kampagne an erster Stelle.
Als CIO arbeiten Sie sehr eng mit HR zusammen. Warum das große Engagement?
Johannes Wechsler: Wir hatten drei große Treiber, warum wir uns mehr um Employer Branding kümmern wollten: Erstens wird unser Kerngeschäft TV immer digitaler, wie schon eingangs erwähnt. Zweitens wächst auch unser Digital-Geschäft stark: Wir haben uns in den vergangenen Jahren an mehreren Unternehmen im Bereich Digital Commerce beteiligt.
Dadurch haben wir uns ein Portfolio großer digitaler Handelsplattformen aufgebaut, zu denen beispielsweise auch bekannte Marken wie Verivox oder Parship zählen. In diesem Bereich haben wir einen steigenden Bedarf an spezialisierten Mitarbeitern, vor allem für die Softwareentwicklung.
Drittens ist ProSiebenSat.1 für viele Bewerber nach wie vor primär ein TV-Konzern, gerade in den kreativen Berufen sind unsere Bewerberzahlen daher großartig. Viele Bewerber kennen aber unseren IT-Bereich noch zu wenig. Daher haben wir beschlossen, die Leute hinter die Kulissen blicken zulassen und ihnen zu zeigen, mit welchen Technologien wir arbeiten und warum der Bereich so spannend ist.
Yvonne Riedel: Viele denken: Warum sollten wir Recruiting-Engpässe haben? Zu ProSiebenSat.1 wollen doch alle. Das gilt aber vor allem für den kreativen Bereich: Auf eine Volontariatsstelle im Redaktionsumfeld bekommen wir schon mal 100 Bewerbungen, während das bei IT-Stellen oft nur um die 20 sind. Wir haben also zunächst überlegt, warum sich Menschen für einen Arbeitgeber entscheiden. Und das ist häufig die Unternehmenskultur.
Und wie ist Ihre Unternehmenskultur?
Yvonne Riedel: Wir bieten einerseits die Vorzüge eines börsennotierten Konzerns, andererseits erinnert unsere Unternehmenskultur oft an ein Startup - mit flachen Hierarchien, einer großen Innovationskultur und viel Gestaltungsfreiraum, um Verantwortung zu übernehmen, Dinge auszuprobieren und Projekte schnell umzusetzen. Synergien sind für uns das A und O, deshalb arbeiten unsere Teams oft abteilungsübergreifend zusammen. Dementsprechend haben wir unseren Claim definiert: Connect. Code. Create.
Sie haben mit tech.prosiebensat1.com eine spezielle Online-Plattform für diese Initiative ins Leben gerufen, auf der Sie diese Kultur vermitteln wollen.
Johannes Wechsler: Wir haben dort einen Blog, auf dem wir über aktuelle spannende technische Themen berichten, an denen wir gerade arbeiten, wie zum Beispiel "Video on Rails". Das ist unser Video-on-Demand-Portal maxdome, das man auch im ICE nutzen kann. Video-Streaming erfordert normalerweise eine funktionierende Internet-Verbindung, die im Zug nicht vorhanden ist. Also haben wir in den Zügen einen Server installiert, auf dem der Content gespeichert ist und der das Streaming übernimmt.
Yvonne Riedel: Der Bewerber interessiert sich aber nicht nur dafür, was wir machen, sondern auch für die Menschen, die hier arbeiten und unsere Kultur. Entscheidend ist, mit welchen emotionalen Geschichten wir die Bewerber berühren.
Die Website ist auf Englisch gehalten. Ist die Unternehmenssprache bei ProSiebenSat1 Englisch?
Johannes Wechsler: Unsere Unternehmenssprache ist Deutsch. Wir haben die Seite jedoch auf Englisch gestaltet, da wir einen größeren Talent-Pool ansprechen wollen. Sowollen wir internationalen Bewerbern zeigen, dass sie hier absolut willkommen sind.
Wie lange hat die Entwicklung der Employer-Branding-Plattform gedauert und gibt es schon messbare Erfolge?
Yvonne Riedel: Anfang 2017 haben wir uns für ein erstes Brainstorming zusammengesetzt. Im Herbst sind wir dann mit der Seite live gegangen. Seitdem haben wir über 10.000 Seitenaufrufe verzeichnet. In Bewerbungsgesprächen beziehen sich mittlerweile viele Kandidaten auf die Website - das zeigt, wie sehr deren Bekanntheit steigt.
Wie haben Sie Traffic auf die Seite bekommen?
Yvonne Riedel: Wir haben die Aktion gezielt über soziale Medien wie Facebook, Instagram, Xing und LinkedIn beworben. Gerade auf LinkedIn sind wir sehr aktiv, weil die Plattform sehr stark wächst und wir hier eine internationale Zielgruppe ansprechen können. Zudem verweisen wir in unseren Stellenanzeigen oder bei der Direktansprache auf die neue Website.
Wie sieht es mit der Innenwirkung der Kampagne aus: Sie haben mit einigen IT-Mitarbeitern den "Brand" für die Kampagne erarbeitet, aber wie nimmt man die restlichen rund 1000 IT-Mitarbeiter und die Company insgesamt mit?
Yvonne Riedel: Wir hatten einige interne Aktionen, mit denen wir die Kollegen auf die Kampagne aufmerksam gemacht haben. Wir haben kleine Flyer, Gadgets, Aufkleber und Bücher mit unserem Claim ausgeteilt - und Kuchen mit dem Motto "Tech a piece of cake". Das kam sehr gut an - und die meisten Mitarbeiter haben sogar ihren Laptop mit unseren Aufklebern beklebt.
Welche Employer-Branding- und Recruiting-Maßnahmen setzen Sie zusätzlich ein?
Johannes Wechsler: Auf der Website sind alle Informationen zu uns als IT-Arbeitgeber zu finden, aber sie ist auch eng verzahnt mit unseren Offline-Events wie Konferenzen, Hackathons, Meet-ups und Kooperationen mit Universitäten.
Bilden Sie auch selbst aus?
Johannes Wechsler: Wir bieten schon seit längerem eine Ausbildung zum Fachinformatiker für Systemintegration an. Ab Herbst 2018 haben wir zudem eine Ausbildung zum Fachinformatiker für Systementwicklung in unser Programm aufgenommen. Zudem bieten wir ab Herbst einige Plätze im Rahmen des Dualen Studiums an - in Partnerschaft mit der Berufsakademie Friedrichshafen und der Hochschule für angewandtes Management in Erding/Ismaning.
Apropos Universitäten: Wie knüpfen Sie Kontakte zu den Informatikstudenten?
Johannes Wechsler: Ich habe in Mannheim Wirtschaftsinformatik studiert und an der TU München in Betriebswirtschaftslehre promoviert. An beiden Universitäten bin ich noch in Form von Gastvorträgen aktiv. Wir arbeiten zudem mit den Münchner Universitäten an Forschungsprojekten zusammen wie etwa mit der TU im Bereich Video-Mining.
Worum geht es dabei?
Johannes Wechsler: Video-Mining heißt Generierung von strukturierten Metadaten aus Videos. Ein Video kann man normalerweise nicht so einfach durchsuchen wie einen Text. Wir haben hier an einer Lösung gearbeitet, damit man einen Film beispielsweise nach einem bestimmten Schauspieler durchsuchen kann. Für uns ist das ein zentrales Thema, da wir so unseren Nutzern Filme vorschlagen können, in denen beispielsweise ihr Lieblingsschauspieler vorkommt. Das Projekt wird übrigens vom Freistaat Bayern mit einer Million Euro gefördert.
Woran arbeiten Sie mit der LMU?
Johannes Wechsler: Mit der LMU und einigen Studenten starten wir im Herbst ein Projekt zum Thema "Blockchain" und wie man die Technik für Digital Advertising nutzen kann. Es ist leichter, über ein gemeinsames technisches Projekt Kontakt zu den Studenten zu knüpfen.
Yvonne Riedel: Für Unternehmen ist es heutzutage unerlässlich, schon früh an den Hochschulen mit zukünftigen Talenten in Kontakt zu treten.
Nun kann Herr Wechsler nicht alle Termine an den Universitäten oder auf Konferenzen alleine wahrnehmen. Wen schicken Sie da? Bilden Sie Influencer aus?
Yvonne Riedel: Wenn es um Hochschulmarketing geht, suchen wir gezielt Mitarbeiter aus den Fachbereichen aus, die dann zu Vorträgen, Karrieremessen oder auf Meet-ups gehen. Wir haben derzeit etwa 100 Kollegen, die ProSiebenSat.1 auf solchen Events vertreten. Ziel ist es, alle Mitarbeiter zu Botschaftern des Unternehmens zu machen.
Inwieweit setzen Sie beim Recruiting Personalvermittlungen ein?
Yvonne Riedel: Vor einigen Jahren haben wir noch zahlreiche Headhunter beauftragt, mittlerweile haben wir aber ein eigenes Recruiting-Team gegründet, das erfolgreich unsere Stellen besetzt. Der Großteil der IT-Talente sucht heute nicht aktiv nach einem Job - ist aber trotzdem offen für Angebote.
Wir sehen, dass eine "Post & Pray" Mentalität im Recruiting nicht mehr funktioniert und wir durch eine Direktansprache viele Stellen schneller - und kostengünstiger - besetzen können. Zudem schätzen es ITler mehr, vom Unternehmen direkt angesprochen zu werden als von irgendeinem Headhunter. Daher legen wir besonderen Wert auf Authentizität und die richtige Zielgruppenansprache.
Zum Thema Ansprache der Bewerber: Hat sich da etwas geändert?
Yvonne Riedel: Früher funktionierte das nach dem Gießkannenprinzip, heute ist Persona-Marketing angesagt: Einen Investment-Banker muss ich anders ansprechen als einen ITler. Einen Entwickler interessiert vielleicht eher die Arbeitsatmosphäre, mit welchen Tools er arbeitet und ob er seine Ideen einbringen kann. Jede Zielgruppe muss anders angesprochen werden. Das macht unsere Arbeit im Employer Branding deutlich komplexer als sie es vor ein paar Jahren noch war.
Wonach fragen die IT-Spezialisten denn konkret im Bewerbungsgespräch?
Johannes Wechsler: Sie fragen nach dem Technologie-Stack, den Arbeitsmethoden, ob sie Cloud-Angebote nutzen dürfen oder ob es freies WLAN auf dem Campus gibt. Arbeitsumfeld, Technologien, Kultur - das ist wichtiger als die klassischen Statussymbole wie Dienstwagen oder Einzelbüro.
Wie punkten Sie gegen Ihre Mitbewerber um die Talente?
Johannes Wechsler: Ich sehe zwei Punkte, in denen wir besonders stark sind. Erstens können Mitarbeiter bei uns schnell Verantwortung übernehmen, sie sind also nicht nur ein kleines Rädchen im Riesenkonzern. Bei uns baut beispielsweise ein kleines Team von vielleicht zehn Leuten eine eigene App. Diese Nähe zum Produkt, die Verantwortung dafür und die unmittelbare Sichtbarkeit, das zeichnet uns aus. Hier können Entwickler wirklich Produkte erschaffen, die auch sehr schnell auf den Markt kommen. Stichwort "Create".
Der zweite Punkt ist "Connect": Wir haben als Medienunternehmen eine tolle Kultur, sind kreativ, innovativ und haben flache Hierarchien, arbeiten agil und funktionsübergreifend zusammen. Bei einer TV-Show etwa sitzen heute nicht nur die TV-Redakteure am Tisch, sondern es wird direkt überlegt, wie die Geschichte online verlängert werden kann, welche Social-Media-Kanäle sich dazu eignen und welche Vermarktungsangebote wir unseren Werbekunden machen können.
Wie häufig treffen Sie beide sich, um über gemeinsame Themen zu sprechen?
Yvonne Riedel: Zu bestimmten Themen wie Hochschulmarketing haben wir regelmäßige Jour fixes. Für die Employer-Branding-Kampagne haben wir uns alle zwei Wochen gesehen.
Was steht in Sachen Employer Branding in diesem Jahr an?
Yvonne Riedel: Wir werden unsere IT-Employer-Branding-Aktivitäten dieses Jahr weiter ausbauen. Wir sind beispielsweise wieder Hauptsponsor der Stylight IT Konferenz "Daho.am", die am 24. Juli 2018 in München stattfinden wird. Zudem planen wir im Herbst unseren dritten Hackathon "Code Twenty Four".
Bei dem Wettbewerb treffen sich Entwickler, Designer und Kreative aus aller Welt, um innerhalb von 24 Stunden eine funktionierende Anwendung zu programmieren. Am Ende des Hackathons präsentieren die Teams ihre Ideen vor einer Jury. Außerdem werden wir weiterhin regelmäßige Meet-Ups zu diversen Tech-Themen wie zum Beispiel Machine Learning, Docker oder ReactJS veranstalten.
Herr Wechsler, was steht bei Ihnen künftig an? Am 1. Juli wechseln Sie zu Media Markt Saturn. Werden Sie sich dort in Sachen Employer Branding auch wieder aktiv einklinken?
Johannes Wechsler: Ab Juli werde ich Teil der Geschäftsführung der MediaMarktSaturn IT Solutions, die als Technologie-Kompetenzzentrum den Weg von MediaMarktSaturn zu einem technologieorientierten Handelsunternehmen unterstützt. Dabei übernehme ich die Verantwortung für Infrastructure und Operations der gruppenweiten Retail- und Commerce-Plattform sowie die IT aller Landesgesellschaften.
Auch bei MediaMarktSaturn nimmt das Recruiting talentierter Mitarbeiter einen hohen Stellenwert ein. Daher werde ich mich in meiner Rolle sicher auch im Employer Branding engagieren. Ich freue mich sehr auf die neue Herausforderung, aber natürlich fällt es mir nicht leicht, das tolle ProSiebenSat.1-Team zu verlassen.
Mitarbeiter: Hauptsitz: Drei Geschäftssegmente: Töchter: |
Im Juli wird Johannes Wechsler neuer Geschäftsführer von MediaMarktSaturn IT Solutions. Mehr erfahren