Digitalchef im Interview

Wie Repsol seinen Datenschatz hebt

02.11.2022 von Esther Macías
Der spanische Ölkonzern Repsol steckt mitten in der digitalen Transformation. Digitalchef Enrique Fernández Puertas setzt auf eine zentrale Datenplattform, die auch an Dritte vermarktet werden soll.
Repsol will sich zu einem datengesteuerten Unternehmen entwickeln. Datenplattformen, KI und Cloud Computing spielen dabei eine Schlüsselrolle.
Foto: Repsol - shutterstock.com

"Mit unserem digitalen Wandel haben wir uns vorgenommen, ein weitgehend datengesteuertes Unternehmen zu werden", sagt Enrique Fernández Puertas, Direktor für Digitalisierung und Architektur bei Repsol, in einem Interview mit unserer Schwesterpublikation "CIO España". Der Energiesektor befinde sich inmitten eines "perfekten Sturms". Verbraucher konsumierten anders, viele würden selbst zu Energieerzeugern. Neue Wettbewerber träten auf den Plan und der regulatorische Druck nehme ständig zu. Das alles geschehe vor dem Hintergrund einer komplexen geopolitischen und wirtschaftlichen Lage.

CIO: Repsol begann seine digitale Transformation vor fünf Jahren mit dem Plan, das Unternehmen technisch zu modernisieren und die Herausforderungen der Energiewende und der Nachhaltigkeit zu bewältigen. Haben Sie Ihre Ziele erreicht?

Puertas: Die Bilanz ist auf jeden Fall positiv. Ein Schlüssel zum Erfolg war es, die verschiedenen Unternehmensbereiche gleichermaßen in den Mittelpunkt unseres Umbaus zu stellen. Es handelte sich nicht um eine Aufgabe, die nur von einem Bereich oder einer Funktion gesteuert werden kann. Wir sind eine großer Konzern mit verschiedenen Geschäftsfeldern, und wir haben es geschafft, die Digitalisierung in allen Bereichen anzugehen, ohne jemanden zurückzulassen.

Die Verbraucher und auch die Gesellschaft im Allgemeinen nehmen Repsol inzwischen verstärkt als Technologieunternehmen wahr. Unsere Produkte und digitalen Ressourcen sind im Markt präsent. Wir sind so zufrieden mit den Ergebnissen, dass wir nun eine zweite Welle starten wollen, um die Digitalisierung des Unternehmens auf die nächste Stufe zu heben.

CIO: Was planen Sie dafür?

Puertas: Die offizielle Ankündigung wird wahrscheinlich bis Ende des Jahres erfolgen, der neue Plan reicht dann von 2023 bis 2025. Es wird keinen radikalen Bruch zwischen der ersten und der zweiten Digitalisierungswelle geben. Unsere Plattformen werden wie bisher laufen, aber wir werden sie weiterentwickeln.

CIO: Wieviel haben Sie in ihre bisherige Digitalstrategie investiert und was werden Sie für die Fortsetzung ausgeben?

Puertas: In den vergangenen fünf Jahren haben wir im Durchschnitt zwischen 100 und 120 Millionen Euro pro Jahr in unsere digitale Transformation gesteckt. Wir erwarten, dass wir in der nächsten Welle einen ähnlichen Betrag investieren. Es war eine außergewöhnlich rentable Investition, sie hat sich in weniger als einem Jahr amortisiert.

CIO: Sie haben von Plattformen gesprochen. Ich nehme an, eine davon ist ARiA, die für Big Data/Analytics-Zwecke konzipiert wurde. Sie haben ARiA einmal als das "digitale Gehirn" von Repsol bezeichnet …

Puertas: Ja, so ist es. Eines unserer Hauptprinzipien im Transformationsprozess ist es, Repsol zu einem datengesteuerten Unternehmen zu machen. Das erfordert im Wesentlichen drei Dinge: All unsere Unternehmen und Bereiche müssen den Wert und die Rolle der künstlichen Intelligenz (KI) für ihre Strategien verstehen. Dafür brauchen wir Use Cases. Wir haben inzwischen mehr als 350 Anwendungsfälle identifiziert, die wir durch Hackathons vorantreiben.

Der zweite Punkt ist die Verfügbarkeit von Daten und der Zugang dazu. Wichtig ist die Art und Weise, wie wir Daten organisieren und Informationen so strukturieren, dass wir sie vielfach verwenden können. Wir wollen das Rad nicht immer wieder neu erfinden müssen. In diesem Sinne ist ARiA unsere Daten- und Analyseplattform.

Und last, but not least geht es darum, dass die Menschen an der Spitze des Unternehmens das richtige Know-how haben. Sie müssen die Informationen, die in dieser Ära der Demokratisierung der KI entstehen, verstehen und analysieren können. Deshalb steht das Thema Ausbildung von Fach- und Führungskräften weit oben auf unserer Agenda.

CIO: Wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben sie im Datenumfeld fortgebildet?

Puertas: Dank ISDI, einem unserer Partner, konnten über 1.200 Mitarbeitende die Data School absolvieren.

CIO: Repsol verkauft seine ARiA-Plattform gemeinsam mit Accenture auch an andere Unternehmen. Haben Sie dafür schon Kunden gewonnen?

Puertas: Wie gesagt, ARiA hilft uns dabei, unsere Daten in immer neuen Anwendungsfällen wieder und wieder zu nutzen. Wir konnten die Bereitstellung und auch die Modellierung automatisieren. Deshalb glauben wir: Was bei uns gut funktioniert, kann auch anderen helfen. Wir haben mit Accenture einen Vertrag für die nächsten vier Jahre geschlossen, um diese Plattform gemeinsam zu vermarkten. Obwohl wir viele Gespräche auf nationaler und internationaler Ebene führen, kam bisher aber noch kein umfassender Vertrag für die Plattform selbst zustande. Es gibt aber Unternehmen, die einige Bestandteile (Modelle, Dateneingaben etc.) verwenden.

Die wichtigsten CIOs der deutschen Energiebranche
Damian Bunyan
Damian Bunyan ist seit Januar 2016 CIO der E.ON-Abspaltung Uniper in Düsseldorf. In dem Unternehmen werden die E.ON-Bereiche konventionelle Stromerzeugung, Energiehandel und Exploration & Produktion gebündelt. Von 2006 bis 2013 war Bunyan Mitglied der Geschäftsführung des E.on Business Services.
Sebastian Weber
Seit 1. Juli verantwortet Sebastian Weber als CTO bei Eon den IT-Betrieb. Er soll auch die digitalen Plattformen des Konzerns ausbauen. Zudem hat er gemeinsam mit Christopher d'Arcy in einer Doppelspitze die Geschäftsführung der IT-Tochter Eon Digital Technology GmbH übernommen. Beide berichten direkt an Digitalvorständin Victoria Ossadnik.
Martin Hölz
Ab 1. April 2020 wird Martin Hölz CIO der Energie Baden-Württemberg AG (EnBW) mit Sitz in Karlsruhe. Er löst Frank Krickel ab, der seit Juni 2017 die Position des Leiter der Funktionaleinheit Informationstechnologie (C-TI) innehatte und das Unternehmen auf eigenen Wunsch verlässt.
Philip Lübcke
Philip Lübcke ist seit September 2019 Geschäftsbereichsleiter IT der TEAG Thüringer Energie. Er berichtet an den Vorstand Personal und IT Wolfgang Rampf. Zuvor war Lübcke sechseinhalb Jahre lang CIO der Frankfurter Mainova AG. Insgesamt brint er 15 Jahre Erfahrung aus der Energiebranche mit.
Jan-Wilm Buschkamp
Jan-Wilm Buschkamp ist seit August 2019 Bereichsleiter IT der Mainova AG. Seitdem hat das Team um den CIO mit „hybrIT2023“ ein IT-Transformationsprogramm erarbeitet, um den Frankfurter Energieversorger zukunftsfähig zu machen. Ziel des Programms ist es unter anderem, mehr Wert zu generieren, das Unternehmen lean und agil aufzustellen sowie Prozesse end-to-end zu gestalten.
Oliver Herzog
Zum 1. September 2023 übernimmt Oliver Herzog den CIO-Posten bei der Thüga. Seine Vorgängerin Annette Suckert scheidet altersbedingt aus dem Unternehmen aus.
Thorsten Steiling
Thorsten Steiling ist seit Februar 2019 CIO Oerlikon Group & Managing Director Oerlikon IT Solutions AG. Er berichtet an Boris von Bieberstein, Head of Group Business Services. Zuvor war Steiling von September 2017 bis Januar 2019 CIO/Head of Corporate IT beim Automobilzulieferer Veritas AG in Gelnhausen.
Marcus Schaper
Marcus Schaper ist CIO bei der neuen RWE-Tochter Innogy. Er kommt von der Mutter RWE. Er war zuvor Head of IT bei der RWE Supply & Trading. Schaper hat an der WWU Münster Wirtschaftsinformatik studiert und war seit dem Jahr 2000 bei McKinsey. Zu RWE kam er im April 2010. Bis zum Börsengang der neuen RWE-Tochter fungierte Schaper als CIO für beide Konzernteile, seitdem ist er CIO der neuen Tochtergesellschaft. Übergreifende IT-Aufgaben in der RWE AG werden derzeit von Winfried Bröring wahrgenommen.
Jan Leitermann
Seit Juni 2017 ist Jan Leitermann Group CIO beim österreichischen Öl- und Erdgaskonzern OMV in Wien. Leitermann war zuvor Managing Director und Board Member beim Beratungsunternehmen Accenture AG Schweiz.
Jürgen Skirde
Jürgen Skirde ist CIO der RAG. Gleichzeitig hat er die operativ ausgerichtete Funktion des IT-Leiters inne. Im Konzern arbeitet der Diplom-Ingenieur schon seit 1985 - zunächst zehn Jahre auf Bergwerken, seither im IT-Management. Unter anderem leitete er SAP-Einführungsprojekte, von 2004 bis 2011 war er für die Infrastruktur verantwortlich.
Jan-Hendrik Semkat
Seit November 2017 ist Jan-Hendrik Semkat neuer Bereichsleiter Innovations- & IT-Management bei Natgas. Der gebürtige Oldenburger war mehrere Jahre in den Bereichen Softwareentwicklung, Projektmanagement und Beratung in der Energiewirtschaft tätig. Zuletzt war er Geschäftsführer der SIV Utility Services.
Jörg Ochs
Jörg Ochs (51) hat am 2. September die Leitung der Informationstechnologie der Stadtwerke München (SWM) übernommen. Er berichtet an den technischen Geschäftsführer der SWM Helge-Uve Braun. Ochs ist bereits seit 2017 Geschäftsführer der SWM Infrastruktur GmbH, der SWM Infrastruktur Region GmbH und der RegioNetzMünchen GmbH. Insgesamt ist er bei der SWM seit 2003 beschäftigt, unter anderem als Senior-Manager IT-Security, Leiter IT-Security und Datacenter/Infrastruktur und als Leiter Telekommunikation bei der SWM Services GmbH.
Michael Seiferth
Im Oktober 2021 hat Michael Seiferth die Geschäftsführung der N-Ergie IT übernommen. Vorgänger Klaus Vogl hat das Unternehmen verlassen.
Sebastian Träger
Seit April 2024 leitet Sebastian Träger die IT des Energieversorgers Enercity. Er soll unter anderem das ERP-System modernisieren.

Big Data, KI, IoT und Cloud sind Schlüsseltechnoloien

CIO: Würden Sie zustimmen, dass für Repsol Big Data, KI, das Internet of Things (IoT) und Cloud Computing Schlüsseltechnologien sind?

Puertas: Ja, das ist die Basis. Es fehlt aber noch die Blockchain, eine Technologie die anfangs viel Staub aufgewirbelt hat, jetzt aber tatsächlich interessante Projekte ermöglicht - zum Beispiel rund um das Konzept der souveränen digitalen Identität. Blockchain ermöglicht eine echte Rückverfolgbarkeit. Es lässt sich beispielsweise herausfinden, ob Zertifizierungen valide sind. Die Inhaber können entscheiden, wem sie vorgelegt, ob sie widerrufen und wie sie verwendet werden.

Deshalb haben wir wichtige Konsortialprojekte angeschoben, in denen wir intensiv an der Blockchain arbeiten, um solche Initiativen im großen Maßstab umzusetzen. In diesem Herbst wird es viele Aktivitäten rund um digitale Identitäten und Blockchain geben.

CIO: Repsol ist an der europäischen Gaia-X-Initiative beteiligt. Was sind Ihre Beweggründe?

Puertas: Bei Gaia-X geht es um gemeinsame Datenräume, und die sind für datengetriebene Unternehmen wie unseres ein zentrales Thema, aber auch eine Herausforderung. Um KI und Modellierung vorantreiben zu können, braucht man Daten. Meistens befinden sich diese im eigenen Unternehmen, oft aber auch in den Händen Dritter. Manche Daten bieten für sich keinen Wettbewerbsvorteil, das ändert sich erst, wenn sie mit den Daten Dritter kombiniert werden. Gerade in der industriellen Welt, wenn es um die Wartung von Anlagen, Turbinen und Kompressoren oder um die Logistikrouten geht, bietet die gemeinsame Nutzung von Daten viele Chancen, weshalb auch die EU hinter Gaia-X steht.

CIO: Warum ist das Cloud-Modell für die digitale Transformation von Repsol bedeutsam?

Puertas: Mehr als 75 Prozent unserer Workloads werden bis Ende dieses Jahres in der Cloud abgewickelt. Wir sind nicht nur aus Effizienz- und Kostenaspekten überzeugt davon, sondern auch wegen der Geschwindigkeit, mit der Innovationen und Verbesserungen umgesetzt werden können. Man kann die Cloud als die bessere Alternative zur eigenen IT-Infrastruktur sehen. Wir folgen aber einer anderen, anspruchsvolleren Vision: Die Cloud ist Beschleuniger unserer digitalen Transformation, weil sie ständig neue Funktionen, Programme und Plattformdienste für uns bereitstellt. Wenn es gelingt, die eigenen Systeme zu "appifizieren" und eigene sowie öffentlich verfügbare APIs zu verbreiten und zu nutzen, beschleunigt das die Inbetriebnahme neuer Lösungen erheblich.

CIO: Repsol arbeitet mit Hyperscalern wie Amazon Web Services (AWS) und Microsoft zusammen, die beide jetzt auch Cloud-Regionen in Spanien in Betrieb nehmen wollen. Warum ist das wichtig?

Puertas: Für uns sind lokale Regionen gut, nicht so sehr aus regulatorischen Gründen, sondern wegen des Signals dieser Unternehmen, unseren Standort ernst zu nehmen und bei uns zu expandieren. Wir sprechen aber auch mit anderen Cloud-Anbietern, um in naher Zukunft Vereinbarungen mit ihnen zu unterzeichnen.

CIO: Der Energiesektors steht in Sachen Stromerzeugung, -speicherung, -bereitstellung und -nutzung vor besonderen Herausforderungen. Neue Wettbewerber treten auf den Plan, der regulatorische Druck wächst und die geopolitische Lage ist - gelinde gesagt - komplex. Inwieweit hilft Ihnen IT, diese Herausforderungen zu bewältigen?

Puertas: Es stimmt, der Energiesektor befindet sich inmitten eines perfekten Sturms. Während der Pandemie hielt sich die Nachfrage in Grenzen, aber jetzt steigt sie exponentiell an. Auf der Angebotsseite ist die Lage angesichts der geopolitischen Konflikte zunehmend angespannt. Und wir müssen die Energiewende voranbringen, die das Erreichen von Nullemissionen im Jahr 2050 anpeilt. Das bedeutet, dass wir in diesem Prozess jedes Jahr Fortschritte erzielen müssen.

Welche Rolle spielen neue Technologien? Ich würde sagen: eine entscheidende. Auf der Angebotsseite arbeiten wir etwa an einer Optimierung des Energiemixes, einer möglichst effizienten Produktion und der Optimierung unserer Logistik. Repsol hat außerdem schon jetzt eine herausragende Position in der Welt der erneuerbaren Energien, wo während des gesamten Lebenszyklus' sehr intensiv digitalisiert wird.

Auf der Nachfrageseite ist das veränderte Bewusstsein der Verbraucher von grundlegender Bedeutung. Letztendlich ist die effizienteste Energie diejenige, die nicht verbraucht wird. Wir setzen uns dafür ein, dass unsere Kunden nachhaltige Verbrauchsgewohnheiten entwickeln, also Energie sparen. Wir wollen ihnen ihre Gewohnheiten aufzeigen und erklären, wie sie ihren Energieverbrauch reduzieren können. Mit unserer Waylet-App können sie zum Beispiel nicht nur an den Tankstellen bezahlen und einkaufen, sondern auch ihren CO2-Fußabdruck für jede Tankfüllung ausgleichen.