"Mit unserem digitalen Wandel haben wir uns vorgenommen, ein weitgehend datengesteuertes Unternehmen zu werden", sagt Enrique Fernández Puertas, Direktor für Digitalisierung und Architektur bei Repsol, in einem Interview mit unserer Schwesterpublikation "CIO España". Der Energiesektor befinde sich inmitten eines "perfekten Sturms". Verbraucher konsumierten anders, viele würden selbst zu Energieerzeugern. Neue Wettbewerber träten auf den Plan und der regulatorische Druck nehme ständig zu. Das alles geschehe vor dem Hintergrund einer komplexen geopolitischen und wirtschaftlichen Lage.
CIO: Repsol begann seine digitale Transformation vor fünf Jahren mit dem Plan, das Unternehmen technisch zu modernisieren und die Herausforderungen der Energiewende und der Nachhaltigkeit zu bewältigen. Haben Sie Ihre Ziele erreicht?
Puertas: Die Bilanz ist auf jeden Fall positiv. Ein Schlüssel zum Erfolg war es, die verschiedenen Unternehmensbereiche gleichermaßen in den Mittelpunkt unseres Umbaus zu stellen. Es handelte sich nicht um eine Aufgabe, die nur von einem Bereich oder einer Funktion gesteuert werden kann. Wir sind eine großer Konzern mit verschiedenen Geschäftsfeldern, und wir haben es geschafft, die Digitalisierung in allen Bereichen anzugehen, ohne jemanden zurückzulassen.
Die Verbraucher und auch die Gesellschaft im Allgemeinen nehmen Repsol inzwischen verstärkt als Technologieunternehmen wahr. Unsere Produkte und digitalen Ressourcen sind im Markt präsent. Wir sind so zufrieden mit den Ergebnissen, dass wir nun eine zweite Welle starten wollen, um die Digitalisierung des Unternehmens auf die nächste Stufe zu heben.
CIO: Was planen Sie dafür?
Puertas: Die offizielle Ankündigung wird wahrscheinlich bis Ende des Jahres erfolgen, der neue Plan reicht dann von 2023 bis 2025. Es wird keinen radikalen Bruch zwischen der ersten und der zweiten Digitalisierungswelle geben. Unsere Plattformen werden wie bisher laufen, aber wir werden sie weiterentwickeln.
CIO: Wieviel haben Sie in ihre bisherige Digitalstrategie investiert und was werden Sie für die Fortsetzung ausgeben?
Puertas: In den vergangenen fünf Jahren haben wir im Durchschnitt zwischen 100 und 120 Millionen Euro pro Jahr in unsere digitale Transformation gesteckt. Wir erwarten, dass wir in der nächsten Welle einen ähnlichen Betrag investieren. Es war eine außergewöhnlich rentable Investition, sie hat sich in weniger als einem Jahr amortisiert.
CIO: Sie haben von Plattformen gesprochen. Ich nehme an, eine davon ist ARiA, die für Big Data/Analytics-Zwecke konzipiert wurde. Sie haben ARiA einmal als das "digitale Gehirn" von Repsol bezeichnet …
Puertas: Ja, so ist es. Eines unserer Hauptprinzipien im Transformationsprozess ist es, Repsol zu einem datengesteuerten Unternehmen zu machen. Das erfordert im Wesentlichen drei Dinge: All unsere Unternehmen und Bereiche müssen den Wert und die Rolle der künstlichen Intelligenz (KI) für ihre Strategien verstehen. Dafür brauchen wir Use Cases. Wir haben inzwischen mehr als 350 Anwendungsfälle identifiziert, die wir durch Hackathons vorantreiben.
Der zweite Punkt ist die Verfügbarkeit von Daten und der Zugang dazu. Wichtig ist die Art und Weise, wie wir Daten organisieren und Informationen so strukturieren, dass wir sie vielfach verwenden können. Wir wollen das Rad nicht immer wieder neu erfinden müssen. In diesem Sinne ist ARiA unsere Daten- und Analyseplattform.
Und last, but not least geht es darum, dass die Menschen an der Spitze des Unternehmens das richtige Know-how haben. Sie müssen die Informationen, die in dieser Ära der Demokratisierung der KI entstehen, verstehen und analysieren können. Deshalb steht das Thema Ausbildung von Fach- und Führungskräften weit oben auf unserer Agenda.
CIO: Wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben sie im Datenumfeld fortgebildet?
Puertas: Dank ISDI, einem unserer Partner, konnten über 1.200 Mitarbeitende die Data School absolvieren.
CIO: Repsol verkauft seine ARiA-Plattform gemeinsam mit Accenture auch an andere Unternehmen. Haben Sie dafür schon Kunden gewonnen?
Puertas: Wie gesagt, ARiA hilft uns dabei, unsere Daten in immer neuen Anwendungsfällen wieder und wieder zu nutzen. Wir konnten die Bereitstellung und auch die Modellierung automatisieren. Deshalb glauben wir: Was bei uns gut funktioniert, kann auch anderen helfen. Wir haben mit Accenture einen Vertrag für die nächsten vier Jahre geschlossen, um diese Plattform gemeinsam zu vermarkten. Obwohl wir viele Gespräche auf nationaler und internationaler Ebene führen, kam bisher aber noch kein umfassender Vertrag für die Plattform selbst zustande. Es gibt aber Unternehmen, die einige Bestandteile (Modelle, Dateneingaben etc.) verwenden.
Big Data, KI, IoT und Cloud sind Schlüsseltechnoloien
CIO: Würden Sie zustimmen, dass für Repsol Big Data, KI, das Internet of Things (IoT) und Cloud Computing Schlüsseltechnologien sind?
Puertas: Ja, das ist die Basis. Es fehlt aber noch die Blockchain, eine Technologie die anfangs viel Staub aufgewirbelt hat, jetzt aber tatsächlich interessante Projekte ermöglicht - zum Beispiel rund um das Konzept der souveränen digitalen Identität. Blockchain ermöglicht eine echte Rückverfolgbarkeit. Es lässt sich beispielsweise herausfinden, ob Zertifizierungen valide sind. Die Inhaber können entscheiden, wem sie vorgelegt, ob sie widerrufen und wie sie verwendet werden.
Deshalb haben wir wichtige Konsortialprojekte angeschoben, in denen wir intensiv an der Blockchain arbeiten, um solche Initiativen im großen Maßstab umzusetzen. In diesem Herbst wird es viele Aktivitäten rund um digitale Identitäten und Blockchain geben.
CIO: Repsol ist an der europäischen Gaia-X-Initiative beteiligt. Was sind Ihre Beweggründe?
Puertas: Bei Gaia-X geht es um gemeinsame Datenräume, und die sind für datengetriebene Unternehmen wie unseres ein zentrales Thema, aber auch eine Herausforderung. Um KI und Modellierung vorantreiben zu können, braucht man Daten. Meistens befinden sich diese im eigenen Unternehmen, oft aber auch in den Händen Dritter. Manche Daten bieten für sich keinen Wettbewerbsvorteil, das ändert sich erst, wenn sie mit den Daten Dritter kombiniert werden. Gerade in der industriellen Welt, wenn es um die Wartung von Anlagen, Turbinen und Kompressoren oder um die Logistikrouten geht, bietet die gemeinsame Nutzung von Daten viele Chancen, weshalb auch die EU hinter Gaia-X steht.
CIO: Warum ist das Cloud-Modell für die digitale Transformation von Repsol bedeutsam?
Puertas: Mehr als 75 Prozent unserer Workloads werden bis Ende dieses Jahres in der Cloud abgewickelt. Wir sind nicht nur aus Effizienz- und Kostenaspekten überzeugt davon, sondern auch wegen der Geschwindigkeit, mit der Innovationen und Verbesserungen umgesetzt werden können. Man kann die Cloud als die bessere Alternative zur eigenen IT-Infrastruktur sehen. Wir folgen aber einer anderen, anspruchsvolleren Vision: Die Cloud ist Beschleuniger unserer digitalen Transformation, weil sie ständig neue Funktionen, Programme und Plattformdienste für uns bereitstellt. Wenn es gelingt, die eigenen Systeme zu "appifizieren" und eigene sowie öffentlich verfügbare APIs zu verbreiten und zu nutzen, beschleunigt das die Inbetriebnahme neuer Lösungen erheblich.
CIO: Repsol arbeitet mit Hyperscalern wie Amazon Web Services (AWS) und Microsoft zusammen, die beide jetzt auch Cloud-Regionen in Spanien in Betrieb nehmen wollen. Warum ist das wichtig?
Puertas: Für uns sind lokale Regionen gut, nicht so sehr aus regulatorischen Gründen, sondern wegen des Signals dieser Unternehmen, unseren Standort ernst zu nehmen und bei uns zu expandieren. Wir sprechen aber auch mit anderen Cloud-Anbietern, um in naher Zukunft Vereinbarungen mit ihnen zu unterzeichnen.
CIO: Der Energiesektors steht in Sachen Stromerzeugung, -speicherung, -bereitstellung und -nutzung vor besonderen Herausforderungen. Neue Wettbewerber treten auf den Plan, der regulatorische Druck wächst und die geopolitische Lage ist - gelinde gesagt - komplex. Inwieweit hilft Ihnen IT, diese Herausforderungen zu bewältigen?
Puertas: Es stimmt, der Energiesektor befindet sich inmitten eines perfekten Sturms. Während der Pandemie hielt sich die Nachfrage in Grenzen, aber jetzt steigt sie exponentiell an. Auf der Angebotsseite ist die Lage angesichts der geopolitischen Konflikte zunehmend angespannt. Und wir müssen die Energiewende voranbringen, die das Erreichen von Nullemissionen im Jahr 2050 anpeilt. Das bedeutet, dass wir in diesem Prozess jedes Jahr Fortschritte erzielen müssen.
Welche Rolle spielen neue Technologien? Ich würde sagen: eine entscheidende. Auf der Angebotsseite arbeiten wir etwa an einer Optimierung des Energiemixes, einer möglichst effizienten Produktion und der Optimierung unserer Logistik. Repsol hat außerdem schon jetzt eine herausragende Position in der Welt der erneuerbaren Energien, wo während des gesamten Lebenszyklus' sehr intensiv digitalisiert wird.
Auf der Nachfrageseite ist das veränderte Bewusstsein der Verbraucher von grundlegender Bedeutung. Letztendlich ist die effizienteste Energie diejenige, die nicht verbraucht wird. Wir setzen uns dafür ein, dass unsere Kunden nachhaltige Verbrauchsgewohnheiten entwickeln, also Energie sparen. Wir wollen ihnen ihre Gewohnheiten aufzeigen und erklären, wie sie ihren Energieverbrauch reduzieren können. Mit unserer Waylet-App können sie zum Beispiel nicht nur an den Tankstellen bezahlen und einkaufen, sondern auch ihren CO2-Fußabdruck für jede Tankfüllung ausgleichen.