Dass Unternehmen zur Steuerung Kennzahlen benötigen, ist heute unstrittig. Die Herausforderung liegt darin, festzulegen, wie viele und welche Zahlen die verschiedenen Management-Ebenen brauchen und wie sie in einem integrierten System zusammengeführt werden können.
Die Schwierigkeit erwächst aus der doppelten Anforderung an Kennzahlen: Differenzierung und Identität. Die gilt ganz besonders für die IT.
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Differenzierung: KPI müssen auf den individuellen Bedarf diverser Zielgruppen zugeschnitten sein. Während das operative Management permanent eine Vielzahl von Einflussgrößen zur genauen Justierung kennen muss, wird auf der Geschäftsleitungsebene eher eine Handvoll verdichteter Zahlen ausreichen. Bei Bedarf kann die Geschäftsleitung per Drill Down auf Detailebenen zugreifen.
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Identität: Dazu muss sichergestellt sein, dass bei verschiedenen Sichtweisen - ob operativ oder strategisch, ob technische, organisatorische oder Finanzsicht - tatsächlich die selben Fakten zugrunde liegen.
Wie viele Kennzahlen sind sinnvoll?
Bei der Erfassung der Fakten auf der technischen Ebene gibt es kaum noch Grenzen. Immer leistungsfähigere Business-Intelligence-Werkzeuge, die teilweise direkt in die operativen Geschäftsanwendungen integriert sind ("Embedded Analytics"), können das Reporting zum Großteil automatisieren. Die Kunst besteht darin, aus dieser Fülle eine überschaubare Menge herauszufiltern. Insbesondere gilt es, aggregierbare Messgrößen zu identifizieren, die sich auf höherer Ebene zu sinnvollen Aussagen verdichten lassen. Dabei muss eine pragmatische Auswahl das Modell beherrschbar halten. Eine Auswertung der Compass-Datenbank zeigt, dass Kennzahlensysteme heute im Durchschnitt aus 5 bis 6 Dimensionen bestehen, die sich jeweils aus bis zu 20 mehrstufig aggregierten Kennzahlen zusammensetzen (vgl. Abbildung 1 und 2).
Das Hauptproblem ist die Sicherung der Identität. Die Zahlen werden häufig in verschiedenen Systemen gewonnen und gepflegt. Damit steigt das Risiko, dass nicht die gleichen Einflussgrößen erfasst werden, wenn beispielsweise im IT-Bereich Kategorien wie "Managed MIPS", "Management-Service" oder "Administrations-Support" betrachtet werden. Sie können dann weder verglichen noch sinnvoll verdichtet werden. Deshalb ist ein integriertes System mit übergreifender Aggregierbarkeit notwendig.
Die weitere Evolution der Kennzahlensysteme wird die Voraussetzungen zur Integration auf der technischen Ebene schaffen (siehe Abbildung 3). Das allein bringt die Unternehmen jedoch nicht weiter, wenn nicht zugleich die Herausforderungen auf der logischen Ebene gemeistert werden: einheitliche Definitionen, was einzelne Kennzahlen bedeuten, aus welchen Eingabewerten sie sich zusammensetzen, welcher Dimension sie zuzuordnen sind und nach welcher Methode aggregiert wird. Nur so erhält man belastbare - das heißt vergleichbare - Zahlen.
Welche KPI benötigen Unternehmen?
Welche Art von KPI die Unternehmensleitung benötigt, hängt primär von der Anforderung der Business-Seite an die IT ab. Ist deren Funktion eine "IT Fabrik", die stückkostenorientierte Einzelteile liefert, sind klassische technische Kennzahlen sinnvoll: Kosten pro MIPS, GB etc. Nun hat sich die Rolle der IT in den letzten Jahren aber weiterentwickelt; sie wird immer stärker an ihrem Beitrag zur Leistungserbringung des Gesamtunternehmens gemessen. Dazu werden umfassendere Kennzahlen benötigt, die nicht nur die IT-Komponenten, sondern auch Services und teilweise sogar betriebswirtschaftliche Aspekte einbeziehen.
So finden wir heute KPI unterschiedlicher Reife. Die Compass-Datenbank zeigt folgende Verteilung: 54% systemorientiert (technische Komponenten), 36% service- und kundenorientiert (vollständige Dienste wie etwa E-Mail-Service) sowie 8% business-orientiert (Applikation mit allen notwendigen Services). Ansatzweise (2%) finden wir bereits an der Wertschöpfungskette orientierte Kennzahlen, die den Beitrag der IT für wichtige Business-Größen darstellen, z.B. bei der Fabrikation eines PKW.
Die IT-Bereiche eines Unternehmens wissen oft nicht, auf welcher Ebene sie überhaupt positioniert sind. Auch sind im selben Unternehmen teilweise unterschiedliche Positionierungen notwendig, etwa für Anwendungsentwicklung und IT-Betrieb. Deshalb ist es wichtig, dass Unternehmen eine entsprechende Struktur aufbauen.
Wie werden KPI gewonnen?
Nach welchen Methoden sollte man nun KPI unterschiedlichen Reifegrads definieren und zusammensetzen? Wie so oft stehen auch hier Unternehmen vor der Entscheidung: make or buy.
Die vollständige individuelle Entwicklung stößt nicht nur auf zeitliche Probleme, sondern kämpft auch oftmals mit den unterschiedlichen Interessen und Vorstellungen der einzelnen Bereiche. Deshalb hat es sich bewährt, erfolgreiche Marktstrategien zu adaptieren. Entsprechende Projekte nutzen normierte Modelle, die klassische Unternehmensziele abbilden und auf den Erfahrungen tausender Unternehmensanalysen basieren. Sie werden an die individuellen Bedingungen des Unternehmens angepasst. Da standardisierte Komponenten verwendet werden, können Unternehmen wettbewerbsfähige Zielwerte für sich ableiten, die zudem benchmarkfähig bleiben. Und nicht zuletzt wird durch die Standardisierung die Einbindung und Wiederverwendung von KPI im Rahmen einer SOA möglich.
Entscheidend ist die klare und unmissverständliche Definition der Begriffe. Sie bildet die Grundlage für die Normierung und damit die Aggregierbarkeit, Vergleichbarkeit und Benchmarkfähigkeit der KPI.
Die teilweise automatisiert gewonnenen Basisfakten werden auf normierte Standardgrößen heruntergebrochen und in einem funktionalen IT-Modell abgebildet. Dabei können IT- und betriebswirtschaftliche Aspekte verknüpft werden; so erhält man strategische, taktische und operative KPI.
Bei verschiedenen Perspektiven werden nun wirklich dieselben Fakten betrachtet. Beispielsweise lassen sich die IT-Kosten für die Fachbereiche business-orientiert darstellen, die IT-Leitung wiederum kann sich die Kosten pro Bereitstellung einer Anwendung, pro MIPS, pro Server etc. anschauen und so die tatsächlichen Kostentreiber identifizieren.
Da sich im Laufe der Unternehmensentwicklung der Bedarf ändert, muss das Modell flexibel bleiben. Auch das ist möglich, wenn es aus Standardkomponenten zusammengesetzt ist.
Dr. Martin Lippert ist Geschäftsführer der Compass Deutschland GmbH, Wiesbaden.