Die Marktbedingungen für Energiekonzerne sind dieser Tage echt anspruchsvoll. Die Ölpreise im freien Fall, mit den USA ein starker Rückkehrer am Markt und ein extrem verschärfter Wettbewerb. Da rutschen auf der Agenda der CIOs Produktivität und Agilität automatisch noch weiter nach oben. Genau diesen Ansatz verfolgt Shell’s seit Juli amtierender CIO Jay Crotts konkret mit zwei Hebeln: SAP HANA und Sharepoint.
Beim Thema HANA ist Shell der Vorzeigekunde nicht nur von T-Systems, sondern auch von SAP selbst. 2014 verkündeten die Softwerker aus dem Badischen stolz, dass man mit Shell im Bereich Wells, Reservoir and Facility Management (WRFM) "co-innovieren" wolle: Bei dem Projekt arbeiten Ingenieure, Geologen und Data Scientists daran, bessere Informationen aus der Unmenge an Daten zu ziehen, die Bohrungen und andere Quellen erzeugen.
Aus mehr als 20 Systemen werden dafür Daten in HANA überführt, darunter Echtzeitinformationen von Sensoren sowie Zeitreihenanalysen aus den Systemen des Softwareanbieters OSIsoft. Crotts vergleicht eine Bohrung mit einem chirurgischen Eingriff: "Da gibt es eine Million Möglichkeiten, die Dinge besser oder schlechter zu machen."
Business Objects Design Studio von SAP soll helfen, die bessere Seite zu treffen. Auf Basis von HTML 5 werden diese Million Möglichkeiten auf eine intuitive Oberfläche gehievt, dort die Ergebnisse dann in weniger als zwei Sekunden angezeigt. So eine Realtime-Analyse sei vorher nie möglich gewesen.
Shell | Strom und Gas für Deutschland |
Der Mineralölkonzern Shell will jetzt auch Strom und Gas in Deutschland verkaufen. Shell hat dazu eine Partnerschaft mit dem britischen Energieversorger First Utility geschlossen, der in Großbritannien bereits mehr als 850.000 Kunden hat. In seinen rund 2200 Tankstellen in Deutschland bewirbt Shell das Angebot. First Utility wird die Verträge mit den Kunden schließen, während Shell die Beschaffung und Bereitstellung des Stroms und Gases übernimmt. |
"Die multiplen Anfragen sind rechenaufwendig - egal, ob bei Wasser, Gas oder Öl", betont Crotts. Und sie sind auch dann noch aufwendig, wenn ein Ölfeld schon erschlossen ist. Die Zahl der aktiven Sensoren mache die Optimierung der Arbeit noch rechenintensiver. Seit HANA in das WRFM implementiert ist, fließen die Informationen trotzdem zehnmal so schnell, heißt es bei SAP.
Treasury und Kundendaten
Aber nutzt diese Geschwindigkeit dem Anwender tatsächlich? "Jedes Mal, wenn Sie eine Entscheidung treffen, wird es einfacher, wenn Sie rechtzeitig die richtigen Informationen haben", sagt Crotts. Dabei geht es in Sachen HANA bei Shell vor allem um zwei Bereiche: erstens Treasury und zweitens Kundendaten.
Shells Treasury-Abteilung kalkuliert die finanziellen Risiken, die sich vor allem aus Zinsänderungen und Wechselkursen ergeben. Um diese von Menschenhand geschaffenen Verwerfungen im Finanzbereich zu analysieren, bietet Crotts HANA an: "Die IT hat die neuen Möglichkeiten zuerst in die Treasury-Abteilung gebracht. Da wusste noch keiner, dass HANA überhaupt existiert." Und dann sind da noch die unerforschten Weiten der Kundendaten. "Shell betreibt weltweit 43.000 Tankstellen", sagt Crotts. "Das Wissen, wer wann was kauft, ist dabei in weiten Teilen noch ungenutzt."
In beiden Fällen kommt es auf Geschwindigkeit an. Während SAP erst beginnt, sinnvolle Einsatzszenarien für tolle Analysen in Millisekunden-Schnelle zu zeigen, fällt Shell genau das bei Treasury und Kundendaten tatsächlich leicht: "Speed ist ein Vorteil", betont der CIO – ohne näher ins Detail zu gehen. Ferri Abolhassan springt für ihn ein: "Batch-Prozesse über Nacht laufen zu lassen, wird nicht mehr helfen", sagt der T-Systems-Geschäftsführer: "Beim Hochfrequenzhandel von Banken an den Börsen etwa entscheiden Mikrosekunden über Gewinn oder Verlust."
Zu Echtzeitdaten bringt Abolhassan auch ein Beispiel aus der Logistik: "Die Hamburg Port Authority rechnet mit 50 Prozent mehr Frachtumschlag in zehn Jahren. Der Hafen kann aber räumlich nicht wachsen." So gelte es, mit einer Logistiklösung die Abläufe zu optimieren - mit vernetzten Sensoren und SAP HANA. "Die Produktivität ist schon nach kurzer Zeit um zwölf Prozent gestiegen. Mit unserer Lösung erhält die Hamburg Port Authority auf Knopfdruck ein Lagebild, und die LKW-Fahrer schaffen acht Touren pro Tag statt sieben."
Crotts schätzt es, dass sein Dienstleister ihm solche Geschichten aus dem Business-Umfeld erzählt. T-Systems ist eben nicht nur der Cloud-Lieferant, der Sharepoint und SAP-Systeme offeriert - obwohl die einschlägigen Zahlen beeindrucken: 713.000 SAPS liefert T-Systems aus der Cloud an Shell. Der SAP Application Performance Standard ist eine Maßeinheit, der die Leistung des SAP-Systems hardwareunabhängig beschreibt (2000 "fully processed order line items per hour" entsprechen 100 SAPS). Außerdem schaufelt T-Systems für den Öl-Konzern gerade 150 Terabyte an geschäftskritischen Legacy-Daten in eine Sharepoint-Umgebung.
Sharepoint aus der Cloud
Hinzu kommen 45 Sharepoint-Anwendungen aus einer hybriden Cloud. Sie verknüpft 500 Server in den vier T-Systems-Rechenzentren in Houston, München, Amsterdam und Malaysia mit on Premise angelegten Sharepoint-Farmen. Über eine von T-Systems integrierte Search Engine erhalten die Sharepoint-User nahtlosen Zugriff auf Geschäftsdaten. Außerdem spielt noch die Microsoft-Public-Cloud Office 365 mit: Insgesamt arbeiten täglich knapp 143.000 Menschen, also nicht nur die 94.000 Shell-Mitarbeiter selbst, sondern auch Zulieferer und Kunden in der Shell-Cloud.
Crotts schätzt es auch, dass sein Dienstleister aus einem Land kommt, in dem Datensicherheit und Datenschutz groß geschrieben wird: „Das ist extrem wichtig für uns.“ Vor dem Hintergrund findet er irrelevant, ob die Daten bei Shell liegen oder bei einem Dienstleister. Was sich zuletzt dadurch ausgedrückt hat, dass Shell die Cloud-Lösung „E2 Process Management“ des Anbieters E2open für sein Supply-Chain-Management nutzt.
Crotts hält die Cloud für sicher – wenn man sie richtig aufsetzt. Immer wieder gebraucht er im Zusammenhang mit Sicherheitsfragen den Slogan „fit for purpose“ – also: dem Zweck angemessen. Crotts ist einer der wenigen CIOs, die den Zielkonflikt klar benennen, den Sicherheitsanbieter gerne verleugnen: "Security macht Innovation langsam!" Versöhnlich fügt er hinzu: „Aber eine Cyber-Attacke macht Innovation noch langsamer."
Der CSO berichtet an den CIO
Müßig zu erwähnen, dass es Cyber-Attacken gegen Shell reichlich gibt. Unter anderem Industriespione geben sich an der Firewall die Klinke in die Hand. Deswegen berichte der CSO auch an ihn, erklärt Crotts. Das sei auch wichtig, denn nur innerhalb der IT-Abteilung könne kompetent erklärt werden, ob sich hinter tausend gescheiterten Log-on-Versuchen ein Sicherheitsthema oder ein technisches Kapazitätsproblem verbirgt.
Unternehmen | Royal Dutch Shell |
Hauptsitz Den Haag Umsatz 421 Milliarden Dollar (2014) Mitarbeiter 94.000 in mehr als 70 Ländern |
Shell in der Cloud 143.000 Menschen greifen auf die Shell-Cloud zu 713.000 SAPS liefert T-Systems aus der Cloud |
IT-Verantwortung CIO Jay Crotts (weltweit) CIO Klaus Dieter Bortel (Deutschland) |
Der Shell-CIO und T-Systems-Chef Abolhassan treffen sich einmal im Quartal, um über die Services zu reden, die Shell seit 2008 von T-Systems bezieht. 2013 haben sie ihren Vertrag verlängert.
"Es war nicht immer eine problemfreie Beziehung, so viel kann man sagen", meint der ehemalige Infrastrukturverantwortliche und jetzige CIO Crotts. Aber mittlerweile haben beide ihren Weg gefunden. Die Ampel steht meistens auf grün bei den 200 Key Performance Indicators (KPIs), die T-Systems seinen Kunden zur Kontrolle anbietet.
Crotts greift sich nie mehr als fünf davon heraus und rotiert diese von Treffen zu Treffen durch. Nur einen KPI findet er gleichbleibend wichtig: "Der Endkunde muss uns gute Noten geben. Das messen wir kontinuierlich. Und wir gucken da besonders auf das mittlere Management, die sind erfahrungsgemäß an dem Punkt sehr aufmerksam."