Dass Frauen in der IT auf Vorbehalte stoßen, hat Sahar Moussa kurz nach ihrem Berufseinstieg erlebt. Ein Projektverantwortlicher wies ihr Tätigkeiten zu, die eine Sekretärin hätte erledigen können und für die kein Informations-Management-Studium nötig gewesen wäre. Dabei war die im Libanon geborene Beraterin davon ausgegangen, "dass man in einem akademischen Beruf nicht zwischen männlich und weiblich unterscheiden würde". Wenig später kündigte sie.
Heute entwickelt Moussa bei Capgemini Individualsoftware und vermittelt bei einem Automobilhersteller zwischen drei Kulturen: "Bei den deutschen Kunden betreue ich die Implementierung der Software. Dazu gehört die Zusammenarbeit mit unseren polnischen Kollegen, die die Software vorher testen, und mit den indischen Kollegen, die die Programme entwickeln." Die Abstimmungen erfolgen über Telefon- und Videokonferenzen, E-Mail oder persönliche Treffen.
Ihren Aufenthalt bei den Testern in Polen habe sie genossen, da die Zusammenarbeit mit den Kollegen dort ausgesprochen gut gewesen sei, berichtet Moussa. Ihr nächstes Projekt möchte die IT-Expertin, die Deutsch, Englisch und Arabisch spricht, in China absolvieren. Um das zu erreichen, trägt sie sich in eine konzerneigene Liste mit vakanten Projektstellen ein, die nach Ländern geordnet ist.
Moussa ist mit ihrer Berufswahl mehr als zufrieden: "Ich bin ungeplant zu meinem Traumberuf gekommen und versuche meine Begeisterung weiterzugeben." Auf Hochschulmessen diskutiert sie mit Bewerbern über das Consulting-Geschäft und ermuntert junge Frauen zum Einstieg. Sie seien dafür prädestiniert, weil gerade hier Soft Skills und Empathie einen hohen Stellenwert hätten. Für ihre eigene Zukunft hofft Moussa, weiterhin "mit der IT um die Welt zu ziehen".
Projektstart in der Automobilwelt
Moussas Kollegin Jennifer Sancho Vargas hat ihr Interesse für die IT früh entdeckt. Mit 22 absolvierte sie ein duales Studium: drei Monate arbeiten und drei Monate studieren. "Die IT hat mich schon damals interessiert, weil ich wissen wollte, wie sie in Unternehmen zum Einsatz kommt und für unterschiedliche Kunden angepasst wird." Sancho Vargas möchte nicht nur die Anwendungsmöglichkeiten verstehen, sie interessiert sich auch dafür, wie die Kommunikation zwischen IT und Anwendern optimal gestaltet werden kann.
Nach einem Praktikum bei ihrem aktuellen Arbeitgeber entschied sie sich, dort in Festanstellung zu bleiben. Als sie kurz nach ihrem Jobantritt für einen Monat nach Indien geschickt wurde, hat sie vier Wochen lang nicht nur die komplette technische Ausbildung durchlaufen, sondern auch interkulturelle Zusammenarbeit kennen und schätzen gelernt.
Ihr erstes eigenes Projekt führte Sancho Vargas in die Automobilwelt. Die Test-Managerin für Business-Intelligence-Projekte begleitete bis vor Kurzem den Umbau des Qualitäts-Reportings eines großen Automobilherstellers. Dafür musste sie die Abläufe verstehen und vor Ort präsent sein - in der Werkshalle: "Also habe ich die Pumps gegen Arbeitsschuhe und den Hosenanzug gegen den Blaumann getauscht."
Aufgabe des Capgemini-Teams sei es gewesen, die Software für die Montage zu optimieren. Die Softwareexpertin verbrachte dafür ein Jahr bei dem Automobilhersteller und begleitete das Projekt von der Analyse bis zur Implementierung: "Ich lernte hautnah, wie ein Auto entsteht - von der Planung bis zur Endmontage." Geschätzt hat die Expertin auch die gute Zusammenarbeit über alle Hierarchieebenen hinweg.
Sancho Vargas räumt ein, dass manche Kunden zu Beginn ihrer Beratungstätigkeit skeptisch reagiert hätten: "Diese abwartende Haltung ist aber typisch - egal welches Alter, welche Gehaltsklasse, welche Erfahrung, welches Geschlecht die Consultants haben." Die Skepsis sei aber rasch guter Zusammenarbeit gewichen.
Erst war sie im Blaumann unterwegs, jetzt beschäftigt sich Sancho Vargas bei einem anderen Kunden mit Konsolidierung und Finanzreporting - und tritt dafür im Kostüm auf. Ihr Fazit: "Weibliche Berater werden vor allem wegen ihrer Vermittlungsfähigkeiten geschätzt, und das finde ich positiv."