Einst eine rein technische Entwicklung, hat sich Digitalisierung längst zu einem entscheidenden Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit und Wertschöpfung von Unternehmen entwickelt. Digitalisierung um der Digitalisierung willen ist allerdings nicht zielführend. Deshalb steht die digitale Wertsteigerung immer häufiger im Fokus. Doch wie genau lässt sich diese erreichen und welche Voraussetzungen braucht es dafür?
Mit dieser Frage beschäftigt sich eine aktuelle Studie, die Struktur Management Partner in Zusammenarbeit mit SAP, Exxeta sowie der WHU - Otto Beisheim School of Management durchgeführt hat. In deren Rahmen konnte bislang ein differenziertes Bild über mehr als 1.000 Unternehmen gewonnen werden, die im Besitz von Family Offices als auch Private Equity-Investoren sind. Folgender Beitrag wirft einen Blick auf die ersten Erkenntnisse.
Wertsteigerung durch Digitalisierung
Der Begriff der digitalen Wertsteigerung ist grundsätzlich viel weiter gefasst als der Begriff der Digitalisierung, der sich lediglich auf den Prozess der Umwandlung von analogen Informationen in ein digitales Format, beziehungsweise die Nutzung digitaler Daten zur Vereinfachung und Verbesserung von Geschäftsprozessen bezieht.
Digitale Wertsteigerung unterscheidet sich auch grundlegend vom Begriff der digitalen Transformation. Im Fokus steht die Wirksamkeit der jeweiligen Maßnahmen, das heißt die tatsächliche Steigerung der finanziellen Leistung, beziehungsweise des Wertes eines Unternehmens durch die Verwendung digitaler Technologien und Ansätze.
Dies kann grundsätzlich auf zwei Wegen geschehen, nämlich:
über die Steigerung der Profitabilität durch mehr profitablen Umsatz oder eine höhere Effizienz.
über eine sogenannte Multiple Expansion, also die Erhöhung des Bewertungsfaktors eines Unternehmens (mit welchem der Gewinn eines Unternehmens bei der Unternehmensbewertung multipliziert wird).
Bei der Frage nach den Erwartungen an den Einsatz digitaler Möglichkeiten liegt Option Eins vorne: 84 Prozent der Befragten erwarten hier durch den Einsatz digitaler Technologien vor allem eine signifikante Steigerung der Effizienz. Gleichzeitig sehen es aber auch 76 Prozent als bedeutend an, mit digitalen Technologien die Prozesse innerhalb des Unternehmens zu beschleunigen und 72 Prozent finden es entscheidend, mit der digitalen Weiterentwicklung auch neue Einnahmequellen erschließen zu können.
Letztlich geht es bei allen Maßnahmen um das finanzielle Ergebnis von Digitalisierung beziehungsweise digitaler Transformation. Am Ende muss es sich rechnen – und laut Studienteilnehmer tut es das auch:
57 Prozent der Befragten erreichten eine Steigerung der EBIT-Marge um 0,5-2,5 Prozentpunkte,
Bei 27 Prozent lag die Steigerung sogar darüber.
46 Prozent gaben an, dass durch Maßnahmen zur digitalen Wertsteigerung eine EBITDA-Multiple-Expansion von bis zu 1x erreicht werden konnte,
43 Prozent gaben einen EBITDA-Multiple-Ausbau zwischen 1x und 2x an und
11 Prozent der Befragten konnten sogar mehr als 2x erreichen.
Grundlagen für digitale Wertsteigerung
Bevor Unternehmen Wertsteigerung durch digitale Maßnahmen generieren können, sollten sie den Blick auf die zentralen „Enabler“ richten, die dafür der Schlüssel sind: IT-Architektur & IT-Systeme, Cybersicherheit, grundlegende Fachkompetenzen, Organisationsdesign, kulturelle Aspekte bzw. die entsprechende Mentalität, das digitale Ökosystem, die richtigen Partner, und, da solche Initiativen oft mit großen Umstellungen und Veränderungen verbunden sind, gelungenes Change-Management.
Diese Einflussfaktoren müssen sehr sorgfältig bedacht werden, da digitale Wertschöpfungsinitiativen in der Regel erhebliche Veränderungen in mindestens einem dieser Bereiche erfordern, um erfolgreich zu sein. Bezüglich der Bedeutung dieser verschiedenen Bereiche ergab die Studie folgendes Ergebnis:
Rund 67 Prozent der Befragten sehen einen kulturellen und organisatorischen Wandel als wichtigste Grundlage an.
Für rund 46 Prozent ist ERP (Enterprise Resource Planning) die entscheidende Grundlage.
34 Prozent betrachten die Implementierung eines Data Warehouse als grundlegende Voraussetzung für digitale Wertsteigerung.
Entwicklung einer "digitalen DNA"
Der wichtigste Enabler, der kulturelle und organisatorische Wandel, beinhaltet vor allem die Entwicklung einer „digitalen DNA" – für 67 Prozent der Befragten eine Top-Priorität. Nach unserer Definition besteht sie aus drei Elementen, nämlich:
Kundenzentrierung: Die konsequente Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen mit Fokus auf den Kunden. Das Ziel dabei ist, den Kunden durch einen klaren Nutzen und eine hohe Benutzerfreundlichkeit ein hervorragendes Erlebnis zu bieten. Was trivial klingen mag, ist in der Praxis oft schwer zu erreichen. Traditionelle Produktentwicklungsprozesse müssen oft völlig neu gedacht und gestaltet werden, um die Bedürfnisse der Kunden in den Mittelpunkt zu stellen. Das stellt einen Paradigmenwechsel dar, den erfahrungsgemäß viele Manager unterschätzen.
Datengetriebene Entscheidungen: Entscheidungen im Unternehmen werden auf Basis aussagekräftiger Daten getroffen und basieren nicht auf Bauchgefühlen, persönlichen Vorlieben oder hierarchischen Strukturen.
Agilität: Arbeit muss iterativer werden. Anstatt neue Produkte zu perfektionieren, bevor sie auf den Markt kommen, werden Funktionalitäten schrittweise nach den wichtigsten Kundenanforderungen und ohne Anspruch auf Vollständigkeit entwickelt, beginnend mit einem Minimum Viable Product (MVP). Dies erfordert interdisziplinäre, abteilungsübergreifende und sich selbst organisierende Teams.
Alle drei Elemente der digitalen DNA entfalten erst in Kombination ihre volle Kraft: Auf dem Weg zu mehr Kundenorientierung muss das Unternehmen eine große Menge an verlässlichen Daten sammeln und diese Erkenntnisse anschließend in agilen Entwicklungsprozessen nutzen.
Digitale Werthebel nutzen
Wenn es um die Umsetzung geht, stehen Unternehmen folgende drei digitale Werthebel zur Verfügung, um mit digitalen Technologien und Ansätzen einen finanziellen Mehrwert zu schaffen:
Prozessdigitalisierung: Dies umfasst alle Maßnahmen, die die Abläufe und Prozesse innerhalb eines Unternehmens schneller, kostengünstiger und weniger fehleranfällig machen, indem digitale Technologien wie die Prozessautomatisierung (RPA), Workflow-Tools und künstliche Intelligenz zum Einsatz kommen. Dieser Werthebel zeichnet sich durch kurze Umsetzungs- und Amortisationszeiten aus und ist verhältnismäßig wenig risikobehaftet. 82 Prozent der Befragten sehen in diesem Bereich großes Potenzial, digitale Wertsteigerung zu erreichen.
Digitales Marketing & Sales: Hier geht es um den (effizienten) Verkauf von Produkten und Dienstleistungen über unternehmenseigene digitale Kanäle sowie die von Drittanbietern und umfasst Aspekte wie E-Commerce (z. B. via Webshop oder Online-Marktplätze), Online-Marketing, D2C und digitale Vertriebsunterstützungstools. Mit 77 Prozent liegt dieser Bereich auf Platz 2, was das zugeschriebene Potenzial für die Wertsteigerung angeht.
Digitale Services & Geschäftsmodelle: Dieser Aspekt bezieht sich auf die Schaffung neuer Einnahmequellen, entweder durch digitale Zusatzdienste zu bestehenden Produkten (z. B. ein Autohersteller, der digitale Apps für seine Fahrzeuge anbietet), die Umgestaltung bestehender Geschäftsmodelle (z. B. ein Unternehmen, das ein Pay-per-Use-Modell einführt) oder die Einführung völlig neuer digitaler Geschäftsmodelle. Da solche Innovationen oft mit viel Unsicherheit behaftet sind und eine tiefgreifende Transformation des Unternehmens erfordern, sind dabei die Umsetzungs- und Amortisationszeiten typischerweise am längsten. 74 Prozent der Befragten stimmen der Aussage zu, dass hier großes Potenzial für digitale Wertsteigerung liegt.
Was die eigene Expertise in diesen Bereichen betrifft, ergibt die Befragung ein interessantes Ergebnis: Während sich 44 Prozent der befragten Unternehmen im Bereich Digitale Services und Geschäftsmodelle die höchsten Kompetenzen zuschreiben, liegt dieser Wert hinsichtlich der Prozessdigitalisierung bei nur 33 Prozent.
Oder anders ausgedrückt: Je höher das wahrgenommene Potenzial, desto geringer die wahrgenommene eigene Kompetenz.
Gleichzeitig schätzen die Befragten ihre eigenen Fähigkeiten in diesem Bereich systematisch höher ein als die Fähigkeit ihrer Branche, die Chancen der digitalen Wertschöpfung zu nutzen – sie sehen sich also in der Regel besser aufgestellt als ihre Marktbegleiter.
KI: Zukunftsmusik im Bereich digitale Wertsteigerung
Beim Blick auf eines der wichtigsten aktuellen Themen, die Künstliche Intelligenz, beziehungsweise deren Relevanz, sind die Antworten relativ klar: Während nur 26 Prozent der Befragten zustimmen, dass sie KI bereits nutzen, planen 80 Prozent der Befragten, KI in Zukunft verstärkt einzusetzen.
Da sich die Nutzung von KI sich also aktuell noch in engen Grenzen bewegt, sehen die Investoren darin enormes Potenzial für die digitale Wertschöpfung in der Zukunft. In Bezug auf die verschiedenen digitalen Werthebel schreiben die Befragten das größte KI-Potenzial dem Bereich der Prozessdigitalisierung zu. Aber auch digitales Marketing und Vertrieb sowie digitale Dienstleistungen werden als Bereiche gesehen, die vom Einsatz von KI-Technologien profitieren.
Noch viel Verbesserungspotenzial vorhanden
Die Bedeutung digitaler Wertsteigerung wird in den kommenden Jahren noch weiter zunehmen – dies bestätigt auch eine große Mehrheit (90 Prozent) der Studienteilnehmer. Entscheidend wird nun sein, die entsprechenden Kompetenzen innerhalb der Unternehmen aufzubauen und konsequent am Kulturwandel zu arbeiten.
Doch obwohl die Potenziale erkannt werden, zeigt die Studie auch, dass derzeit nur gut 40 Prozent der Befragten mit der digitalen Wertsteigerung in den Unternehmen zufrieden sind. Positiv formuliert lässt sich festhalten: Es gibt noch signifikante ungenutzte digitale Wertsteigerungspotenziale in den Tausenden von Finanzinvestoren gehaltenen deutschen mittelständischen Unternehmen. (mb)
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