2010 könnte zum entscheidenden Jahr im Wettlauf um die Vorherrschaft bei Virtualisierung werden. Wir haben fünf Punkte recherchiert, die VMware und sein CEO - der frühere leitende Angestellte bei Microsoft Paul Maritz – beherzigen sollten, wenn sie weiter den Abstand zu ihrem größten Rivalen einhalten wollen.
1. Preise senken
Wenn es um die größte Klage über VMware geht, die von Seiten der Kunden und der Analysten geäußert wird, dann ist es die über die zu hohen Preise. So fragt der Analyst Chris Wolf von der Burton Group: "Warum fünf mal mehr ausgeben als bei Microsoft? Werden dafür fünf mal mehr Funktionen angeboten? Die meisten Kunden würden nein sagen, wenn sie ihr Budget betrachten.“
VMware hat auf jeden Fall einen (zunächst) unschlagbaren Vorteil: In der Welt der x86-Server mit ihren geringen Auslastungsraten von fünf bis 15 Prozent war man zuerst da. Dieser zeitliche Vorsprung verleitet in der Welt der Geschäfte aber häufiger zu einer gewissen Behäbigkeit – in der Wirtschaftswissenschaft gibt es dafür Begriffe wie Monopol oder Oligopol. Man beherrscht den Markt, die Kundschaft gerät langsam, aber sicher in die Position des Schwächeren. "König Kunde“ sieht sich zum Beispiel mit allmählich, aber sicher steigenden Preisen des jeweiligen Marktführers konfrontiert.
So war es auch bei der VMware-Mutter EMC, die bis etwa 2001 die Welt der großen Speicherschränke – bei EMC Symmetrix genannt – beherrschte und sich dann nach der Krise nur durch eine groß angelegte Diversifizierung und den Zukauf vieler IT-Unternehmen retten konnte. Sun wäre ein anderer Fall. Bei beiden herrschte die Vorstellung vor, man könne dem Markt seine Preise diktieren. Bis die Kunden nicht mehr mitmachen konnten – oder wollten – und auf Alternativen umstiegen.
Bei VMware stellt sich die Sache etwas komplizierter dar. Es gibt heute verschiedene unterschiedliche Preismodelle, und was ein Kunde schließlich zahlt, hängt sehr stark ab von der Software-Version, die er nutzt, und wie viele Server und Workloads virtualisiert sind. Folgt man den Preisangaben für "VMware vSphere Advanced“ in den USA, sind das zum Beispiel 2.245 Dollar für jeden Prozessor mit bis zu 12 Cores und 256 GByte Memory.
VMwares Management-Software vCenter Server kostet 1.500 Dollar für drei Hosts oder 5.000 Dollar für eine unbegrenzte Anzahl von Hosts. Verschiedene Add-ons pro Software können die Preise deutlich ansteigen lassen. VMware bietet auch eine kostenlose Version des Hypervisor an, allerdings verfügt diese nur über eingeschränkte Funktionalität.
Microsoft bietet Hyper-V, einschließlich fortgeschrittener Funktionen wie Live Migration, als kostenlosen Download an. Kunden, die große Virtualisierungs-Installationen planen, kommen sicher nicht um den Kauf zusätzlicher Management-Tools herum. So kostet Microsofts "Virtual Machine Manager“ zum Beispiel 869 Dollar pro physikalischem Server.
Bogomil Balkansky, Vice President Produkt-Marketing bei VMware, betont, dass man in den letzten Jahren die Virtualisierungsfunktionen stark erweitert und dafür verschiedene Preispunkte angeboten habe: "Bis jetzt sind wir der Ansicht, dass wir die unterschiedlichen Marktbedürfnisse genau erfüllen. Wir haben zur Zeit keine Pläne, unser Preisgefüge zu ändern.“
Niemand würde behaupten, dass Microsofts Virtualisierungstechnologie heute besser ist als die von VMware, aber immerhin konnte der einstige sehr große Abstand verringert werden. Für viele Kunden dürfte das ausreichen, und es wird wahrscheinlich zu einer stärkeren Marktsegmentierung für unterschiedliche Bedürfnisse kommen. Microsofts Strategie scheint es zu sein, den Markt von unten her aufzurollen, also zunächst bei den kleinen und mittleren Unternehmen Hyper-V zu platzieren.
2. Security verbessern
Der Analyst James Staten von Forrester Research ist der Ansicht, dass sich Hacker parallel mit der weiteren Ausbreitung von Virtualisierung in den Rechenzentren mehr mit Hypervisoren beschäftigen und nach potenziellen Schwachstellen suchen werden. Auch bei anderen Technologien habe man die Beobachtung gemacht, dass sie erst bei einem größeren Durchsetzungsgrad zu einem Sicherheitsrisiko wurden.
VMware hat seinen Hypervisor auf 32 MByte heruntergeschraubt, mit 200.000 Lines of Code, was im Vergleich zu anderer Software ungewöhnlich wenig ist und Angreifern eine relativ geringe Angriffsfläche bietet. Außerdem hat das Unternehmen vor zwei Jahren ein Programm mit APIs für Anbieter von Security-Software angekündigt, um mehr Sicherheit für virtuelle Maschinen zu erreichen.
Doch die Umsetzung scheint zum Teil an Performance-Problemen zu scheitern. So erklärt Richard Park von SourceFire, einem Anbieter für Network Intrusion Prevention: "Wir setzen die VMware-APIs zur Zeit wegen mangelnder Performance nicht ein.“ Allerdings trifft diese Aussage nicht für die ganze Branche zu: So werden die APIs u.a. bei Altor Networks, Reflex, IBM ISS und Trend Micro zur Software-Integration benützt.
Chris Wolf von der Burton Group verweist auf ein Sicherheitsproblem bei den vShield Zones, die VMware für vSphere herausgebracht hat. Kunden können mit vShield Zones Security Policies für einzelne Zonen festlegen, die selbst beim Verschieben von virtuellen Maschinen auf andere physikalische Server wirksam bleiben. Doch laut Wolf arbeitet diese Software nicht mit VMwares Distributed Resource Scheduler, einem Produkt für Load Balancing, zusammen: "Das Load-Balancing-Framework respektiert nicht Sicherheitszonen, die mit vShield Zones angelegt wurden, und das Capacity Management Tool "CapacityIQ“ von VMware berücksichtigt keine Zonen.“ Die rechte Hand müsse wissen, was die linke tue, meint Wolf.
3. Den Desktop-Kampf gewinnen
Desktop-Virtualisierung ist eine Neuauflage des letztlich gescheiterten Konzepts des Thin Client Computing: Die PCs an den Arbeitsplätzen der Mitarbeiter werden aus der Ferne mit Software-Images beliefert, vor Ort befindet sich außer einem Betriebssystem-Client nichts mehr. Vor allem können User nicht mehr an ihren "individuellen“ PCs eingreifen oder manipulieren, Disketten- oder CD-Laufwerke wurden schon bei dem ersten Anlauf außer Dienst gestellt. Private Programme, Bilder oder Sonstiges auf den "eigenen“ PC aufzuspielen, versteht sich eben nicht unbedingt mit dem jeweiligen Firmenzweck.
Dennoch wurde das Konzept nur von wenigen Unternehmen umgesetzt – zu viel Bandbreitenprobleme im Netzwerk, vor allem im WAN, zu hoher Verwaltungsaufwand und letztlich zu hohe Investitionen in Hard- und Software standen dem entgegen. Das negative Image schwebt noch immer über dem Ansatz, doch das Potenzial ist nach wie vor groß.
Die Netzwerk-Probleme gibt es heute nicht mehr in dem früheren Ausmaß, und vor allem müssen keine eigenen Thin-Client-Geräte mehr angeschafft werden. Firmen, die sich heute für Desktop-Virtualisierung entscheiden, tun dies vor allem, weil sie nicht mehr spätestens alle fünf Jahre neue PCs anschaffen wollen. Auch sind heute die Managementwerkzeuge für eine zentrale Verwaltung deutlich leistungsfähiger. Und die Anwender erhalten über Steckkarten Zugang zu jedem beliebigen Unternehmens-Desktop und können dort ihre individuellen Images samt der von ihnen gespeicherten Daten abrufen.
Bisher war Citrix mit XenDesktop recht erfolgreich auf diesem Gebiet. Zusammen mit dem Partner Microsoft könnte dies auch als Einfallstor für beide VMware-Konkurrenten in die lukrativen Gefilde des Marktführers bei der Server-Virtualisierung dienen. Eine Art Vermischung der verschiedenen Technologien gibt es schon jetzt: Bei vielen VMware-Kunden werden virtuelle Desktops von Citrix auf den ESX-Servern von VMware gehostet.
Allerdings verfügt VMware über einen Vorteil: Die breite installierte Basis. Und diesen Vorteil setzt man ein, um jetzt mit VMware View auch im Desktop-Bereich voranzukommen. So hat man vor kurzem View um das PCoIP-Protokoll (PC-over-IP) erweitert, um in Umgebungen mit geringer Netzwerk-Bandbreite bessere Darstellungsmöglichkeiten auf der Desktop-Seite zu schaffen und so gegen Citrix‘ HDX-Technologie zu punkten. Von Kunden gelobt wird ThinApp, eine Technologie zur Verteilung von Software auf gehosteten Desktops, die VMware schon vor längerem hinzugekauft hat.
4. Management vereinfachen
"Virtualisierungs-Management ist eine schwierige Sache“, meint Laura DiDio, Analystin bei Information Technology Intelligence. Die Hersteller müssten sich mehr um diese Funktion und besonders ihre vereinfachte Handhabung kümmern. Das nötige Know-how, mit auftretenden Performance- oder Security-Problemen adäquat umzugehen, ist eigentlich nur bei den ganz großen Unternehmen vorhanden. Umso dringlicher sind Management-Tools, die eine Art Werkzeugkasten anbieten können.
Sollten sich Citrix und Microsoft eine größere Kundenbasis verschaffen können, wird sich auch die Aufgabe stellen, unterschiedliche Hypervisoren zu verwalten, zum Beispiel in Unternehmen, die nach Akquisitionen mit der Integration verschiedener IT-Systeme zu tun haben. Auch viele große Rechenzentren setzen verschiedene Hypervisoren ein. VMware wird es auf Dauer nichts nützen, hier einfach die Augen zu verschließen nach dem Motto "Uns kann keiner“. An proprietären Virtualisierungs-Umgebungen festzuhalten, nützt niemandem, am wenigsten den Anwendern.
Stand heute verfügt Microsoft mit dem "System Center Virtual Machine Manager“ über die Fähigkeit, virtuelle Maschinen zu verwalten, die entweder mit dem eigenen Hyper-V oder mit VMwares ESX Hypervisor erstellt worden sind. Citrix bietet Management-Fähigkeiten für den eigenen XenServer und für Hyper-V an.
5. Cloud nicht zum Super-Hype machen
Praktisch jeder IT-Hersteller ist schon auf den Cloud-Computing-Zug aufgesprungen und hängt jedem Produkt, das auch nur entfernt daran erinnert, das Attribut "Cloud“ an. VMware ist hier sogar besonders wenig subtil vorgegangen und nennt seine Plattform inzwischen gleich "Cloud Operating System“. Bisher bezeichnete man sich als "the global leader in virtualization solutions from the desktop to the data center“, und nun heißt es wenig originell: "the global leader in virtualization solutions from the desktop to the data center and to the cloud”. Außerdem gibt es noch ein “vCloud”-Programm, das eine Gruppe von Partnern umfasst, die Cloud-Services auf der Basis des VMware-Hypervisors anbieten.
VMware scheint sich zur Zeit of "Public Clouds“ zu versteifen und übersieht dabei, dass die meisten Unternehmen eher an "Private Clouds“ interessiert sind, um auf diese Weise ihre interne IT mehr auf Dienstleistung und Automatisierung zu trimmen. Von einem Trend, die eigene IT komplett an externe Dienstleister (Public Cloud) zu verlagern, sei gegenwärtig jedenfalls nichts zu sehen, betont Analyst Wolf von der Burton Group.