Insgesamt 86 Prozent der Unternehmen hierzulande haben Schwierigkeiten, Stellen zu besetzen. Zu diesem Ergebnis kommt der Arbeitsmarktbarometer des Personaldienstleisters ManpowerGroup. Dass damit nahezu 90 Prozent der Betriebe in Deutschland mit Problemen bei der Personalsuche kämpfen und das Land damit sogar über dem globalen Durchschnitt von 77 Prozent liegt - der höchste Prozentsatz seit 17 Jahren - sind alarmierende Zahlen.
Diese Fakten des jüngsten Arbeitsmarktbarometers des Personaldienstleisters ManpowerGroup zeigen die unangenehme Realität auf, der deutsche Unternehmen seit Jahren am Arbeitsmarkt begegnen. Und: Die Informationstechnologie ist besonders betroffen, steht sie doch an der Spitze der meistgesuchten Berufsbilder in Deutschland.
Die Top 5 der Soft Skills
Nicht nur fachliche Fähigkeiten, sondern auch Soft Skills sind bei der Personalsuche von Bedeutung. Auch dazu gibt die vierteljährlich erfolgende Befragung Auskunft. An erster Stelle der begehrtesten Soft Skills im Bereich Informationstechnologie stehen kritisches Denken und analytische Fähigkeiten. Resilienz und Anpassungsfähigkeit sind ebenfalls gefragt, bewegen sich IT-Fachkräfte doch nicht selten in hohen Belastungssituationen, in denen schnelle und präzise Reaktionen gefragt sind.
Kreativität und Originalität stehen an dritter Stelle, gefolgt von Zuverlässigkeit und Selbstdisziplin. Das Schlusslicht der Top 5 meistgesuchten Soft Skills im Bereich Informationstechnologie bilden logisches Denken und Problemlösungskompetenz.
Der Netto-Beschäftigungsausblick (also die Unternehmen, die Neueinstellungen planen, abzüglich der Unternehmen, die Stellenabbau planen) liegt in der IT-Branche bei + 24 Prozent und damit über dem deutschen Durchschnitt von + 19 Prozent. Dennoch klagen 60 Prozent der Arbeitgeber im IT-Bereich über gewisse Schwierigkeiten, Stellen zu besetzen, weil es an qualifizierten Fachkräften mangelt.
Mitarbeiterbindung lautet das Gebot der Stunde
Personalabteilungen und ganze Unternehmen können von den Risiken des Fachkräftemangels ein Lied singen. Längere Rekrutierungsprozesse sind ressourcenintensiv und können sich auf die Produktivität und Effizienz des Unternehmens auswirken. Das Abwandern von Talenten zur Konkurrenz stellt ein immer höheres Risiko dar und der damit einhergehende Verlust von Know-how, Kontakten und Wettbewerbsvorteilen schwebt wie ein Damokles-Schwert über den Köpfen vieler Abteilungen.
Doch wie lassen sich diese Risiken minimieren? Statt den Fokus ausschließlich auf das Einstellen neuer Mitarbeitenden zu richten, muss jetzt die Personalbindung in den Fokus rücken. Die Neubesetzung von Stellen ist keinesfalls komplett zu missachten, jedoch übersehen viele Unternehmen das enorme Potential der bereits eingestellten Mitarbeitenden. Diese kennen die Kultur innerhalb der Firma bereits, haben sich teils schon jahrelang bewiesen und brauchen gute Gründe, um bei ihrem Arbeitgeber zu bleiben.
Gehaltserhöhungen reichen nicht aus
Der erste Instinkt vieler Arbeitgeber ist es - nach dem Prinzip von Angebot und Nachfrage - mit Gehaltserhöhungen auf den Fachkräftemangel zu reagieren. Ein guter und wichtiger Schritt. Doch die Prioritäten vor allem der jüngeren Generation von Arbeitnehmenden befinden sich im Wandel. Das stellt ein weiterer Report der ManpowerGroup, "The New Human Age", fest. Die Studie berichtet über aktuelle und zukünftige Arbeitsmarkttrends. Sie legt dar, dass Flexibilität und Autonomie - völlig unabhängig von Geschlecht, Geografie und Alter - für Arbeitnehmende in den Mittelpunkt gerückt sind.
Der Report identifiziert vier wichtige Faktoren für die Zukunft der Arbeit sowie 14 grundlegende Trends im Arbeitsmarkt. Die Ergebnisse geben Aufschluss darüber, mit welchen Methoden IT-Unternehmen dem Fachkräftemangel begegnen und dessen negativen Folgen trotzen können.
Fokus Nr. 1 - Neue Wertvorstellungen ernst nehmen
Bis 2025 wird die Generation Z etwa 27 Prozent der Belegschaft ausmachen. Themen wie Diversität, Gleichberechtigung, Integration und Klimawandel sind diesen Menschen wichtig, doch 68 Prozent der Arbeitnehmenden der Generation Z geben an, mit den Fortschritten ihres Unternehmens bezüglich der Schaffung eines vielfältigen und integrativen Arbeitsumfeldes unzufrieden zu sein. In Bezug auf die Umwelt sagen 52 Prozent, dass nicht genug getan wird. Dieser sich verändernden Erwartungshaltung müssen sich Arbeitgeber bewusst sein, um für jüngere Mitarbeitende attraktiv zu bleiben.
Folgende Schritte sind wichtig, um diesem Fokusbereich gerecht zu werden:
Strategisch durchdachtes und effektives Voranbringen von ESG-Zielen .
Kommunikation nach innen und außen über dahingehende Pläne, Verbindlichkeiten und Fortschritte.
Aufklärung von der Chefetage bis zu einzelnen Mitarbeitenden über das Schaffen einer inklusiven, diversen und integrativen Arbeitsumgebung.
Fokus Nr. 2 - Flexiblere Rahmenbedingungen anbieten
Work-Life-Balance und sogar die Vier-Tage-Woche gewinnen ebenfalls an Bedeutung. 81 Prozent der Arbeitnehmenden sagen aus, dass die Pandemie ihr Denken zum Thema Arbeit beeinflusst hat. Fachkräfte erwarten von Arbeitgebern mehr Flexibilität als je zuvor. Das trifft auf Arbeitszeiten genauso zu wie auf den Arbeitsort. 64 Prozent der Arbeitnehmenden würden eine neue Arbeitsstelle suchen, wenn sie wieder vollständig ins Büro zurückkehren müssten. Diese Faktoren sind für viele Beschäftigte sogar wichtiger als das Gehalt: Vier von zehn wären dazu bereit, fünf Prozent ihres Gehalts gegen eine Vier-Tage-Woche einzutauschen.
Diese Maßnahmen sind für dieses Fokusthema von Bedeutung:
Anpassen von Arbeitszeit und -ort an die Bedürfnisse jedes und jeder Einzelnen - dazu gehören Teilzeit, flexible Arbeitszeiten, Home Office und mobiles Arbeiten.
Überdenken von Profilanforderungen und Einstiegsbedingungen - ist für die ausgeschriebene Stelle zum Beispiel ein Hochschulabschluss unbedingt notwendig?
Offene Kommunikation von beiderseitigen Erwartungen in Bewerbungsgesprächen.
Fokus Nr. 3 - Reskilling und Upskilling ist wichtiger denn je
Auch das Erklimmen der klassischen Karriereleiter steht nicht mehr so stark im Vordergrund wie früher. Durch den sprunghaften Fortschritt der digitalen Transformation während der Pandemie ist es für Arbeitgeber jetzt wichtiger als je zuvor, Mitarbeitende für die Arbeit der Zukunft zu qualifizieren. Dazu gehört jede erdenkliche Maßnahme, die Talenten nachhaltige Beschäftigungsmöglichkeiten bietet.
Dieses Prinzip des Upskilling und Reskilling (also der flexiblen, kontinuierlichen Weiterbildung und Umschulung von Personal) gehört zudem zu den effektivsten Methoden, um Fachkräfte langfristig an das eigene Unternehmen zu binden. 57 Prozent der Arbeitnehmenden gaben jedoch an, dass sie sich außerhalb der Arbeit weiterbilden, weil die dahingehenden Angebote ihres Arbeitgebers unzureichend sind.
Diese Maßnahmen können helfen:
Angebot von zeit- und ortsunabhängigen Weiterbildungsmöglichkeiten.
Flexiblere Freigabe für externe Kurse und Events, die Mitarbeitende sich selbst aussuchen.
Identifizieren von Talenten und Potentialen, beispielsweise durch KI-gestützte Software-Lösungen.
Die Arbeitgeberattraktivität der Zukunft
Der immer weiter ansteigende Fachkräftemangel kostet zahlreiche Unternehmen in der IT-Branche Zeit und Ressourcen. Ohne angemessene Reaktionen droht die Situation innovatives Handeln zu lähmen und den Wettbewerb zu stärken. Arbeitgeber müssen sich darüber im Klaren sein, dass Fachkräfte sich individuell auf sie zugeschnittene Lösungen und ein größeres Bewusstsein für umweltrelevante, ethische und soziale Themen wünschen.
Es ist Flexibilität gefragt: Rahmenbedingungen und Anforderungen zu überdenken sowie bessere Möglichkeiten zur beruflichen und persönlichen Weiterbildung anzubieten ist unerlässlich. Dabei ist es außerdem wichtig zu beachten, dass jede Maßnahme sich nicht nur an neue Kandidat:innen, sondern auch an die bereits vorhandene Belegschaft richten sollte. Talente nachhaltig zu binden ist in Zeiten des Fachkräftemangels das bestmögliche Ziel für Unternehmen. (pg)