Für den Digital Workplace gelten dieselben Herausforderung wie bei allen neuen IT-Technologien und -Anwendungen: Er ist nicht nur ein Thema für die IT, sondern auch für das Personal und die unternehmensinterne Kommunikation. Immerhin geht es um den Arbeitsplatz.
Historisch gesehen ist das Thema "Workplace" für CIO und IT-Abteilung eher ein unangenehmes, weil sie kaum glänzen konnten: Sie wurden vor allem dann gerufen, wenn etwas nicht funktionierte. Umso wichtiger ist es deshalb, die Mitarbeiter bei der Einführung neuer Technologien des Digital Workplace systematisch und kontinuierlich zu informieren und einzubinden (Lesen Sie dazu auch: 8 Digital-Workplace-Thesen auf dem Prüfstand)
Als hilfreich hat sich dabei zum Beispiel das ADKAR-Modell erwiesen, das generell für Aufgaben des Change Management entwickelt wurde. ADKAR steht für:
• Awareness: Bewusstsein schaffen
• Desire: Wunsch nach Veränderung
• Knowledge: Wissen, wie der Wandel erreicht werden kann
• Ability: Fähigkeit, den Wandel umzusetzen
• Reinforcement: Verstärkung und nachhaltige Absicherung des Wandels
Digital Workplace - warum eigentlich?
Auf den Digital Workplace übersetzt bedeutet dies: Zunächst müssen sich ein Unternehmen und seine Mitarbeiter bewusst machen, welchen konkreten und individuellen Nutzen ihnen der Digital Workplace bringt (Awareness). In der Regel steht hier das zunehmend selbstständige, vernetzte und mobile Arbeiten im Vordergrund. Das Interesse der Mitarbeiter (Desire) lässt sich dabei zum Teil mit sehr einfachen Aspekten wecken - und sei es nur, dass sie unabhängig vom Ort und über alle verfügbaren Endgeräte auf alle Daten zugreifen können, die sie zum Arbeiten benötigen.
Beim Wissen, wie sich die neuen Technologien optimal umsetzen und nutzen lassen (Knowledge), kommen zumindest anfangs oft externe Berater mit ins Boot. Sie verfügen zum einen über Erfahrung in der technischen Umsetzung. Zum anderen bilden sie die Mitarbeiter aus oder etablieren Communities für den Umgang mit den neuen Systemen (Ability). An der Spitze solcher Workplace-Communities stehen in der Regel Mitarbeiter, die im Unternehmen sehr gut vernetzt sind - zum Beispiel Assistenzen von Führungskräften. Nach der Einführung sorgen etwa Best-Practice-Seminare für einen nachhaltigen Einsatz (Reinforcement).
Das Vorgehen muss dabei zwingend "top-down" strukturiert sein. Der Wandel kann nur nachhaltig wirken, wenn ihn das Top-Management an die Mitarbeiter kommuniziert. Zumal der digitale Arbeitsplatz nur ein Schritt auf dem Weg vom ausführenden Mitarbeiter zum Wissensarbeiter ist. Das bedeutet: Teil der Workplace-Diskussion sind auch Themen wie die robotergestützte Prozessautomation (RPA). Schließlich werden im Zuge von RPA einfache, sich wiederholende Tätigkeiten automatisiert, wodurch sich die betroffenen Mitarbeiter verantwortungsvolleren Aufgaben zuwenden können und müssen. Solche strategischen Fragen benötigen den sichtbaren und durchgängigen Rückhalt der obersten Führungsebenen.
Die Entscheider müssen sich bewusst machen, dass sie sich beim Digital Workplace in einem hochgradig volatilen, unbeständigen, komplexen und mehrdeutigen Umfeld bewegen. Sie haben es also mit schwierigen Bedingungen zu tun. Diese können sie sich zum Beispiel mithilfe des Managementansatzes VUCA bewusst machen. VUCA erkennt die "Volatility", "Uncertainty", "Complexity" und "Ambiguity" heutiger Herausforderungen an und entwickelt Möglichkeiten der Steuerung, etwa mithilfe der Schwarmintelligenz.
Weniger Funktionen als Ziel
Nach Einführung des Digital Workplace sollten es die Anwender nicht mit mehr, sondern eher mit weniger Systemen und Funktionen zu tun haben. Deshalb ist es gerade auch mit Blick auf die Akzeptanz seitens der Nutzer erfolgskritisch, alte Zöpfe konsequent abzuschneiden. Ein Beispiel: Systeme für Telefon- und Webkonferenzen haben die Eigenschaft, sich über die Jahre zu vervielfältigen.
So sind in vielen Unternehmen fünf oder mehr solcher Lösungen zu finden. Der digitale Arbeitsplatz sollte hier keine weitere Anwendung aufsatteln, sondern Systeme abschalten. Und wenn dann am Ende zwei übrigbleiben, sollten die Mitarbeiter darüber informiert werden, welches der beiden Tools für welches Szenario am besten geeignet ist.
Oft vergessen, aber sehr wichtig ist es dabei, zwischen den einzelnen Ebenen zu unterscheiden: Für den einzelnen Mitarbeiter sind oft ganz andere Anwendungen optimal als für Arbeitsgruppen, das ganze Unternehmen oder gar die Zusammenarbeit mit Externen. Diese bewusste Unterscheidung hilft, Anwendungen wirklich effektiv einzusetzen. Während klassische Bürosoftware wie Textverarbeitung oder Tabellenkalkulation für den Einzelnen auch weiterhin unverzichtbar ist, spielen bei der Zusammenarbeit im Unternehmen eher Werkzeuge wie Microsoft Teams oder SharePoint ihre Stärken aus (siehe Abbildung).
Die Mitarbeiter selbst entscheiden lassen
Ein großer Vorteil bei Arbeitsplatzgeräten und neuer Software ist es, dass der Aspekt des Erlebnisses eine wichtige Rolle spielt. Das Wichtigste für die Mitarbeiter ist es, dass sie mit der Ausstattung ihres Arbeitsplatzes gut und gerne arbeiten. Deshalb gehen viele Unternehmen dazu über, die Mitarbeiter selbst entscheiden zu lassen, mit welchen Geräten von welchen Herstellern sie arbeiten möchten, solange sie dabei die Budgetvorgaben einhalten. Beim digitalen Arbeitsplatz ist die Auswahl zudem nicht allzu groß, da er unabhängig von der Hardware funktioniert. Ein Internet-Browser und die jeweils persönlichen Login-Daten genügen oft schon.
Damit die Mitarbeiter die Anwendungen "ihres" Arbeitsplatzes auch so nutzen, wie sie genutzt werden sollen, bewährt es sich, Mentoren und Coaches zur Verfügung zu stellen. Ein Mentor erläutert vor allem grundlegende Arbeitsweisen, steht als persönlicher Ansprechpartner zur Verfügung und agiert eher prozessorientiert. Ein Coach hingegen konzentriert sich auf die einzelnen Werkzeuge und Funktionen - oft als Mitglied einer bestimmten Anwendungs-Community, in der sogenannte Power User ihren Kollegen bei der Bedienung der Applikationen unter die Arme greifen. Communities sind zudem eine elegante Lösung, wenn (kleinere) Betriebe nicht über die Ressourcen verfügen, all ihren Mitarbeitern individuelle Mentoren und Coaches an die Seite zu stellen.
Probieren geht über Studieren
Bei der Einführung großer Systembausteine können sich die Geschäftsführung und die IT an einem Vorgehen orientieren, das vor allem im Marketing zum Einsatz kommt: dem Produkt-Launch. Er sieht vor, größere Neuigkeiten bereits Monate vor dem Live-Betrieb anzukündigen und immer wieder zu erläutern. Dabei sollten die Mitarbeiter ihre zukünftigen Arbeitsmittel schon einmal ausprobieren können, um die mit ihnen verbundenen Erleichterungen bereits vorab zu erleben. Viel Motivation entsteht von ganz alleine, wenn erst einmal der Spieltrieb geweckt ist. Ist die neue Software dann im Einsatz, sorgen kontinuierliche Erfahrungsberichte dafür, die neuen Best Practices im Unternehmen zu etablieren.
Die Erfahrung zeigt, dass die Mitarbeiter bei einem solchen Vorgehen derart viele Nachfragen stellen, dass diese kaum noch kanalisiert werden können. Oft kommt die Ungeduld hinzu, die neuen Systeme endlich einsetzen zu können. Unternehmen müssen deshalb schon frühzeitig und vor dem eigentlichen Betrieb ausreichenden IT-Support bereitstellen. Auch hier können Communities aus besonders engagierten Anwendern viel abfedern.
Die Personalabteilung als Regisseur?
Natürlich benötigen die Power User in diesen Communities die notwendigen Ressourcen und Zeitbudgets für ihren "Nebenjob" als IT-Berater. Insofern kommt auch der Personalabteilung eine entscheidende Rolle bei der Einführung des digitalen Arbeitsplatzes zu. PAC-Analyst Andreas Stiehler hat HR-Abteilungen deshalb kürzlich dazu aufgefordert, sich von "ihrer angestammten Verwalterrolle" zu lösen und die Regie bei der Einführung des Digital Workplace zu übernehmen.
So oder so, am Ende müssen vor allem drei Unternehmensbereiche zusammenarbeiten: die Personalabteilung, die für die Entwicklung der Mitarbeiter zuständig ist, die interne Unternehmenskommunikation vor allem beim Launch der neuen Systeme sowie die IT. Das Zusammenspiel dieser drei Unternehmensbereiche ist jedoch nicht einfach, weil sie in der Regel sehr unterschiedliche "Sprachen" sprechen. Hier können externe Know-how-Träger als neutraler Übersetzer, Moderator und Schiedsrichter fungieren sowie korrigierend eingreifen, wenn etwas in eine falsche Richtung läuft.