E-Mail-Archivierung und Checklisten

Wie Sie E-Mails richtig aufbewahren

17.05.2013 von Thorsten Brand
Ob E-Postbrief, signierte E-Mails oder normale Mails - eines bleibt heute wie künftig ein Thema für Unternehmen: E-Mails enthalten relevantes Wissen und müssen aus rechtlichen und betriebsinternen Gründen aufbewahrt werden.

Eine elektronische Nachricht kann steuerrelevant sein, einen Handelsbrief darstellen oder Rechte und Pflichten für das Unternehmen begründen. Beispiele dafür sind Buchungsanweisungen, Rechnungen, vertragsbegleitende Unterlagen, Produktspezifikationen, Protokolle und vieles mehr. E-Mails sind daher nach Handelsgesetzbuch und Abgabenordnung geordnet aufzubewahren. Viele Unternehmen tendieren deshalb dazu, ihre gesamte E-Mail-Kommunikation mit Ausnahme ausgefilterter Spam-E-Mails zu archivieren. Umgesetzt wird das indes unterschiedlich:

Anwender- und systemgetriebene Mail-Archivierung decken unterschiedliche Anforderungen ab und ergänzen sich daher häufig in der Praxis, da nur die systemgetriebene Archivierung die rechtliche Anforderung an die Vollständigkeit sicher abdeckt. Geordnet ist das dann in der Regel aber nicht, daher wird zusätzlich die anwendergetriebene Archivierung eingesetzt.

Relevante E-Mails

Ein häufiges Problem ist die Trennung zwischen relevanten und nicht relevanten E-Mails. Relativ einfach ist diese Festlegung bei Rechnungen oder Buchungsbelegen, da hier Aufbewahrungspflicht besteht. Schwieriger wird es bei Korrespondenzen: Anwender können oft nicht bewerten, ob eine E-Mail mit erhaltenen oder getroffenen Aussagen für das Unternehmen relevant ist. Manchmal ergibt sich das erst im Rahmen des beliebten E-Mail-Pingpongs. Anderes Beispiel: Wenn ein Anwender eine gesendete E-Mail in der elektronischen Akte abgelegt hat, und es kommt doch noch eine Antwort, dann muss diese vielleicht auch noch abgelegt werden.

Das führt bei den Anwendern dazu, E-Mails nur in E-Mail-Ordnern mit grober Struktur abzulegen, aber nur unregelmäßig oder gar nicht in den elektronischen Akten. Hier helfen Arbeitsanweisungen und Funktionen, die den Aufwand der Ablage verringern, wie Vorschlagswerte oder Übernahme von E-Mail-Feldern in Indexfelder. Empfehlenswert ist die Kombination aus dieser anwendergetriebenen Ablage mit der systemgetriebenen Ablage, um die Vollständigkeit sicherzustellen.

Archivieren oder lieber nicht
Darf ein Unternehmen jede E-Mail archivieren? Was passiert mit privater Korrespondenzen? Sollte jede E-Mail verschlüsselt werden? Hier finden Sie die gröbsten Fehleinschätzungen bei der E-Mail-Archivierung.
1. Jede Mail muss archiviert werden
Alle Unternehmen – Kleingewerbetreibende ausgenommen – müssen ihre komplette Geschäftskorrespondenz für sechs bis zehn Jahre ab Ende des Kalenderjahres aufbewahren.
2. Jede Mail darf archiviert werden
Einige E-Mails können, andere müssen gespeichert werden. Es gibt aber auch Mails, die auf keinen Fall mitgespeichert werden dürfen: private E-Mails von Mitarbeitern, soweit keine explizite Einwilligung der Mitarbeiter vorliegt.
3. Das Verbot privater Mails in Unternehmen ist juristisch ohne Alternativen
Auch wenn es die bequemste und einfachste Methode ist: Ein striktes Verbot für private E-Mail ist nicht mehr zeitgemäß. Der gesamte Social-Media-Bereich weicht die Grenze von privater und geschäftlicher Nutzung IT auf und gerade die Einbindung des Unternehmens in Facebook, Twitter oder ähnliche Netzwerke erfordert eine private oder halbprivate E-Mail-Korrespondenz während der Arbeitszeit.
4. Das E-Mail-Archiv muss verschlüsselt sein
Der Gesetzgeber verlangt keine Verschlüsselung. Einige Fälle von unbeabsichtigten Datenverlusten zeigen aber, dass es im Eigeninteresse der Unternehmen liegen sollte, Daten verschlüsselt zu speichern und zu übertragen.
5. Bordmittel des E-Mail-Servers bieten alle nötigen Optionen
E-Mails werden häufig in proprietären Archivdateien gesichert, wie beispielsweise PST-Dateien in Exchange-Umgebungen. Diese enthalten nicht nur die gesicherten E-Mails, sondern auch Kalendereinträge, Kontakte sowie Aufgaben und werden häufig auf dem Endgerät des Anwenders abgespeichert. Dies reduziert zwar die Datenmenge auf den Mail-Servern, bietet aber keinerlei Compliance.
6. Ein E-Mail-Archivsystem garantiert Rechtskonformität
Neue, automatisierte Appliances oder Cloud-Lösungen mit hohem Zusatznutzen steigern die Motivation in Unternehmen, ihre E-Mail-Archivierung rechtskonform aufzusetzen. Doch die Tools automatisieren nur den Archivierungsvorgang.
7. E-Mail-Archivierung geschieht nur aus juristischen Gründen
Selbst wenn es keine gesetzliche Verpflichtung geben würde, ist eine Sicherung der E-Mails nach heutigen Standart sinnvoll: Eine umgehende Wiederherstellung verloren gegangener E-Mail-Infrastrukturen ist jederzeit möglich - entweder von einer lokalen Appliance oder von einem externen Rechenzentrum, wo die Daten gespiegelt sind.

E-Mail-Rechnungen

Mit dem Steuervereinfachungsgesetz 2011 sind die umsatzsteuerlichen Regeln für elektronische Rechnungen deutlich vereinfacht worden. Elektronische Rechnungen dürfen damit im E-Mail-Body enthalten sein, auch die Rechnung als PDF-Attachment ist zulässig. Es werden keine besonderen Anforderungen an die Übermittlung gestellt, so dass das vorhandene E-Mail-System leicht genutzt werden kann.

Für die Aufbewahrung wird ohne technische Vorgaben auf die Grundsätze ordnungsmäßiger DV-gestützter Buchführungssysteme (GoBS) und die Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GDPdU) verwiesen. Nur einen Papierausdruck aufzubewahren reicht allerdings nicht, auch wenn dies Kleinunternehmen oft so machen. Dies führt zwar nicht zur Aberkennung der Vorsteuer, doch kann Verzögerungsgeld verhängt werden, da die Rechnungen nicht im elektronischen Format vorgelegt werden können. Sortieren in Ordnerstrukturen und regelmäßiges Brennen auf CD/DVD ist die Minimallösung.

Oft diskutiert wird die Frage, ob ein E-Mail-Body aufbewahrt werden muss, wenn die Rechnung selbst im E-Mail-Attachment enthalten ist. Die Rechtsgrundlagen geben hierüber keine Auskunft. Als Buchungsbeleg reicht zwar das Attachment aus, allerdings will man oft betriebsintern nachvollziehen, wann und über welchen Weg eine Rechnung im Unternehmen eingetroffen ist. Die-se Informationen sind nur im E-Mail-Header enthalten.

Private E-Mails

Bei der Aufbewahrung von E-Mails ist zu beachten, inwieweit die Firmenadresse für die private Kommunikation genutzt wird. Schon die Spam-Filterung kann private Mails filtern und so das imTelemediengesetz (TMG) geregelte Fernmeldegeheimnis durch Vorenthaltung der Informationen für den Arbeitnehmer verletzen. Eine systemgetriebene vollständige Archivierung ist ohne Erlaubnis durch den Mitarbeiter nicht möglich, da sich nicht ausschließen lässt, dass private E-Mails archiviert werden, auf die später aus Datenschutzgründen nicht zugegriffen werden kann. Ein E-Mail-Archiv kann nicht automatisch in "dienstlich" und "privat" differenzieren, und der Anwender hat ja keine Chance, private Mails vorher zu löschen. Für den Umgang mit privaten E-Mails gibt es diese Varianten:

Die Empfehlung lautet hier: Weg von der privaten Nutzung mit Firmen-Mail-Adresse, hin zu privater Nutzung mit privatem Account über andere Kommunikationswege (zum Beispiel Web-Dienste) oder Abschluss einer Betriebsvereinbarung, die dem Unternehmen alles erlaubt, was im Falle einer E-Mail-Recherche notwendig ist.

Unterschiedliche Ansätze im Umgang mit E-Mails

Art der Aufbewahrung

Ausdruck der E-Mail

Aufbewahrung im E-Mail-System/ Dateisystem

Vollständige E-Mail-Archivierung

Anwender-bezogene E-Mail-Archivierung

Erfüllung rechtlicher Anforderungen

Ja, für Belegfunktion. Nein, für maschinelle Auswertbarkeit (GDPdU). Vollständigkeit "nur" durch Anwender.

Nein, keine Sicherstellung der Unveränderbarkeit. Vollständigkeit "nur" durch Anwender.

Nein, Vollständigkeit durch System. Keine Ordnung, kein Kontextbezug.

Ja, Vollständigkeit "nur" durch Anwender.

Trennung relevante und nicht relevante E-Mails

Ja

Abhängig von der Art der Umsetzung

Nein

Ja

Geordnete Ablage im fachlichen Kontext (gemeinsam mit anderen Dokumenten)

Ja, wenn alles auf Papier

Ja, aber nur für E-Mails

Nein

Ja

Abgrenzung zu privaten E-Mails

Ja

Ja

Nein

Ja

Gute Suchfunktionen

Nein

Ja

Eingeschränkt, da nur E-Mail-Attribute und Volltext

Ja

Quelle: Zöller & Partner GmbH

Original- oder Langzeitformat

Für E-Mails gibt es keinen generellen Format-Speicherstandard oder einen rechtlich begründeten Zwang zur Konvertierung, bevor sie archiviert werden. Jeder Mail-Client stellt den Inhalt einer E-Mail schließlich unterschiedlich formatiert dar.

E-Mail-Archivlösungen bieten oft eine Konvertierung in Zielformate wie PDF oder TIFF aus unterschiedlichen Quellformaten an. Diese Formate sind aber als "flache Druckformate" nur für druckbare Dokumente geeignet, die einen deterministischen Druckbereich kennen. Bereits Microsoft Excel führt hier häufig erst nach mehreren Anläufen zum Ziel, eine automatische Excel-Rendition (-Wiedergabe) gelingt fast nie. Das gilt erst recht für solche Formate, die beim Ausdruck nur eine Untermenge der enthaltenen Informationen visualisieren.

Kennwortgeschützte Dateianhänge können vom Konvertierprogramm nicht geöffnet und umgewandelt werden; enthaltene Makroprogramme unterbrechen den Konvertierprozess und verlangen von einem Administrator Eingaben oder andere Aktionen. Falls das System hierauf nicht "intelligent" reagieren kann, besteht die Gefahr, dass ein Administrator ständig die Konvertierroutine überwachen und eingreifen muss. In solchen Fällen ist es zwingend erforderlich, dass Anwender Ausschlusslisten für die automatische, im Hintergrund ablaufende Konvertierung einrichten können. Außerdem darf der Rendition-Service nicht das gesamte System zum Absturz oder Stillstand bringen, wenn ein Fehler auftritt. Solche E-Mails gehören in einen Überlauf/Fehler-Bereich, wo sie individuell nachbehandelt werden können.

So gehen unterschiedliche Systeme mit E-Mails um

E-Mail-Archiv-Produkt, Blackbox-Systeme

DMS mit E-Mail-Archiv-Modul

Exchange 2010

Archivierungsumfang

Einzelne/Alle Mails

Einzelne/Alle Mails, weitere Dokumente

Einzelne/Alle Mails

Konvertierung (PDF)

Selten

Typisch: Wahlweise

Nein

Speicher (typisch)

NAS, WORM(-Platte)

WORM(-Platte)

NAS, Platte

WORM-Speicher

Möglich

Möglich

Nicht möglich

Zusätzliche einheitliche Metadaten

Manchmal

Typisch

Nein (nur Tags)

Ablage in Aktenstrukturen

Nein

Bei Einzelablage möglich

Nein

Regelwerk für systemgetriebene Archivierung

Zeiträume, Postfachgröße, Mail-Größe und Mail-Inhalte etc.

Zeiträume, Postfachgröße, Mail-Größe und Mail-Inhalte etc.

Nur nach Ablauf definierter Zeitraum Mail-Eingang im Postfach

Einbindung Mail in Geschäftsprozess

Nein, persönliches Archiv

Bei Einzelablage typisch

Nein, persönliches Archiv

Einhaltung Compliance-Richtlinien

Möglich, beschränkt auf Mails

Möglich, für alle ContentObjekte (Dokumente)

Möglich, beschränkt auf Mails

Selektives Ausgrenzen einzelner Mails bei Zugriff

Untypisch

Möglich

Möglich

Quelle: Zöller & Partner GmbH

GDPdU@firma.de

Oft denken Unternehmen über die Einrichtung einer E-Mail-Adresse speziell für steuerrelevante E-Mails nach. Zwar wären die an diese Adresse gesendeten E-Mails dadurch zumindest im Original gespeichert, aber es stellen sich hier andere Probleme:

Aus diesen Gründen ist diese Art der Umsetzung für steuerrelevante E-Mails in der Regel nicht erfolgreich.

Volltextsuche in Anhängen

Volltextindizierung bildet mittlerweile eine Standardfunktion in den meisten DMS-Lösungen. Was für Mailbodies (Text) einfach erscheint, gilt aber nicht immer für Anhänge. So können beispielsweise in Lotus-Notes-Mails enthaltene Anhänge bei einer Speicherung im DXL-Format aufgrund ihrer proprietären Codierung von vielen Volltext-Lösungen in Mail-Archiven nicht gelesen werden. Hier gilt es bei einer Produktauswahl zu prüfen, ob die relevanten Formate für E-Mail-Attachments unterstützt werden.

Fazit

Die Aufbewahrung von E-Mails ist und bleibt ein komplexes Thema mit vielen organisatorischen und technischen Aspekten: