Wer einen Blick in die Studien zur Kundenzufriedenheit der vergangenen beiden Jahre wirft, stößt zunächst auf widersprüchliche Ergebnisse: Die Zufriedenheit der Kunden mit erworbenen Produkten und Dienstleistungen wächst zwar tendenziell. Dennoch bleiben die Käufer den Anbietern keineswegs treu. "Der Grund dafür ist in der steigenden Wettbewerbsdichte in den letzten fünf Jahren zu suchen", erläutert Manfred Maier vom Marktforschungsinstitut TNS-Infratest die Entwicklung. "Die Produkte oder Basisangebote von Unternehmen werden immer ähnlicher und damit austauschbar - sie reichen alleine zur Differenzierung am Markt nicht mehr aus" so Maier. "Statt dessen erfordert eine langsfristige Markenloyalität den Aufbau einer emotionalen Bindung und vertrauensvollen Partnerschaft zwischen Unternehmen und Kunden."
Die Emotionen oder Erfahrungen von Kunden standen bis vor wenigen Jahren außerhalb des Blickfeldes von Marketing-Strategen. Das hat sich vor allem mit der Verbreitung des Internet und den Kanälen des Web 2.0 radikal geändert: Über E-Mail, Verbraucher-Foren und insbesondere die Plattformen des Web 2.0 von Twitter über Facebook bis hin zur Blogosphäre werden Kundenerfahrungen zum allgemein verfügbaren Informationsgut. Auch Marketingstrategen lassen sich diesen Einblick in die Seele des Kunden inzwischen nicht mehr entgehen. Sie befassen sich unter dem Schlagwort Customer Experience Management (CEM) mit der systematischen Verarbeitung und Analyse von Kundenerfahrungen. "CEM beschäftigt sich mit der Darstellung des Unternehmens und seiner Angebote aus Kundensicht", erklärt Manfred Maier. "Das Ziel ist dabei, für einen exzellenten Erfahrungshorizont der Kunden zu sorgen. Denn Kunden, die positive und vor allem verlässliche Erfahrungen mit einem Unternehmen machen, nehmen verstärkt auch Cross- und Up-selling-Angebote wahr."
Aktuelle CEM-Software lernt aus Kundenerfahrungen
Das Internet ist jedoch nicht der einzige Ort, an dem Kundenerfahrungen entstehen. Große Unternehmen besitzen mehrere Hundert so genannte Touchpoints, an denen Kunde und Unternehmen direkt miteinander in Kontakt treten. Dazu zählen Call-Center, Verkaufsräume und Web-Shops ebenso wie die Produkte selbst, sobald der Kunde sie benutzt. Um die vielfältigen Erlebnisse der Kunden an diesen Schnittstellen nachvollziehen zu können, gehen kundenorientierte Unternehmen an Ort und Stelle mithilfe von Umfragen gewissermaßen auf Stimmenfang. "Als Marktforscher versuchen wir durch Befragungen, die Stimme des Kunden in das Unternehmen zu tragen", sagt Manfred Maier. Mithilfe taktischer Kundenstudien werden umfangreiche Daten zu den aktuellen Tageserfahrungen von Kunden erhoben. Computing-Reporting-Systeme bringen sie schließlich in eine für CRM-Anwendungen verwendbare Form. CRM-Lösungen der neuen Generation - etwa Pegasystems, Chordiant, RightNow - haben dabei die automatisierte Verarbeitung von Kundeninformationen entscheidend vorangetrieben: Mittels "adaptiver Intelligenz" lernen diese Systeme von den Anfragen des Kunden und können Vorschläge für das Vorgehen beim nächsten Kundenkontakt machen.
Auch wenn das Customer Relationship Management am Ende aufgrund von CEM-Aktivitäten im Unternehmen an Qualität gewinnt, betonen CEM-Experten immer wieder die Eigenständigkeit des Konzeptes. Manfred Maier: "CEM bedeutet die ganzheitliche Ausrichtung des Unternehmens auf den Kunden. Er kann von dieser Sichtweise nur profitieren.
Auch für CEM gilt das Prinzip der Rentabilität
CRM betrachtet die Kundenbeziehungen hingegen aus Anbietersicht und fragt nach dem Nutzen dieser Beziehungen für das Unternehmen".Für das Unternehmen aber ergänzen sich am Ende beide Disziplinen in geradezu idealer Weise, wie auch Manfred Maier weiß: "Schon bei den Umfragen zu Kundenerfahrungen wägen Unternehmen ab, welche Leistungen und Aspekte relevant sind, um profitable Maßnahmen davon abzuleiten." Auch für CEM gilt also letztlich das Prinzip der Rentabilität. Maier schränkt aber ein: "CEM lediglich als erfolgreiches Management von Schnittstellen zu betrachten, greift zu kurz. Customer Experience Management muss ganzheitlich im Unternehmen verankert werden. Auch interne Prozesse und die Mitarbeiter müssen auf Kundenbedürfnisse ausgerichtet sein".