Digitalisierung wird die ganze Medizin verändern. Das ist die Ansicht einiger Spezialisten von der Boston Consulting Group. Sie beziehen sich in einem Papier mit dem Titel "The Digital Dimension of Healthcare" auf jüngste Entwicklungen und skizzieren neue Wege der Gesundheitsversorgung. Ihr Fazit lautet: Das Internet, neue Geschäftsmodelle und der direkte Zugang zu Informationen, Produkten und Dienstleistungen haben ganze Wirtschaftszweige und Gesellschaften verändert. Der Einfluss der Konsumenten ist enorm gestiegen. Davon kann auch das Gesundheitssystem in einer bisher nicht gekannten Weise profitieren.
Doch befinden sich diese Prozesse, so Boston Consulting, noch in einem Anfangsstadium. Immerhin sei schon abzusehen, dass sich dort, wo mehr digitale und soziale Medien zum Einsatz kamen, rasche Erfolge erzielen ließen, insbesondere bei den Gesundheitskosten, der Qualität der medizinischen Einrichtungen und dem Zugang zu ihnen.
Die zu beobachtenden Innovationen betreffen vor allem drei Bereiche:
Digitale Gesundheitskanäle
Krankenhäuser, Gesundheitsorganisationen und Krankenkassen setzen laut Boston Consulting bereits digitale und soziale Medien innerhalb der traditionellen Arbeitsprozesse ein. So haben zum Beispiel das Duke University Health System oder Kaiser Permanente in den USA damit begonnen, eine Reihe von Online-Angeboten zu installieren, um den Patienten mehr Informationsmöglichkeiten und Services zu bieten.
Cisco hat in der chinesischen Provinz Sichuan großflächig ein System für Videokonferenzen eingerichtet, mit dem Ärzte weiter entfernt wohnenden Patienten Beratung und Unterstützung gewähren. Dies hat bereits zur Senkung der Gesundheitskosten geführt. Neue digitale Systeme können ferner zur Sammlung großer anonymisierter Datenmengen beitragen, was eine wichtige Basis für die Anwendung neuer Analytics-Methoden ("Big Data") bietet.
Digitale Innovationen für Patienten
Entscheidend für die Verbesserung der medizinischen Versorgung sind Tools, die die Patienten direkt einsetzen können, zum Beispiel zur Überwachung bestimmter Krankheitsbilder. Boston Consulting verweist darauf, dass sich in diesem Bereich besonders Start-ups oder Anbieter aus anderen Branchen wie Konsumgüter oder Elektronik betätigen.
IT - die vierte Säule der Medizin
Neue Geräte und Apps zur Kontrolle von Blutdruck und weiteren Körperfunktionen überschwemmen einen Markt, der sich noch in einer Experimentierphase befindet. Erste Befunde zeigen allerdings, dass positive Wirkungen von den neuen medizinischen Anwendungen ausgehen. Dazu zählen auch Plattformen für Patienten-Communities im Internet wie "PatientsLikeMe", "Proteus’s" oder "Patient Opinion", die die traditionellen Gesundheitssysteme ergänzen.
Digitale Initiativen mit sozialen Auswirkungen
Der Einsatz von neuen IT-gestützten Methoden im Gesundheitsbereich führt für die Autoren des Papiers dazu, dass sich Regierungen, Non-Government-Organisationen (NGOs) und Stiftungen mehr Gedanken darüber machen, wie sich traditionelle Healthcare-Systeme ausbauen oder reformieren lassen. Dazu gehören Programme, um Bevölkerungsschichten zu erreichen, die bisher durch die bestehenden Raster medizinischer Versorgung gefallen sind.
In den USA, wo das Übergewicht sehr vieler Menschen zu einem ernsthaften Gesundheitsrisiko geworden ist, gehören dazu Kampagnen wie "Let’s Move". In Afrika wurde ein Programm mit Namen "Stop Stock-outs" ins Leben gerufen, um Engpässe in der medizinischen Versorgung zu überwinden.
Es geht, so die Boston Consulting Group, darum, das traditionelle Gesundheitssystem mit seinen drei klassischen Säulen allgemeine Krankenhäuser, Spezialkliniken und ambulanter Behandlung zuhause um eine vierte Säule zu ergänzen: die digitale Dimension. Die Healthcare-IT kann mehr bieten, als nur die bestehenden Einrichtungen zu ergänzen. Sie kann selbst zu einem Motor der Entwicklung werden.