Stress haben Europas Banken eigentlich genug: Kostendruck, digitale Wettbewerber und dann auch noch die Pandemie. Die Bankenaufseher hatten ein Einsehen und verschoben ihren regelmäßigen Krisentest um ein Jahr. In den vergangenen Monaten mussten die Institute nun jedoch durchrechnen, ob ihre Kapitalpuffer in Stressszenarien tragfähig genug sind.
Was ist ein Stresstest?
Seit der schweren Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 überprüfen Europas Bankenaufseher regelmäßig, wie anfällig Banken im Krisenfall wären. In einem Stresstest müssen Geldhäuser beweisen, dass sie auch unter widrigen Umständen - Wirtschaftseinbruch, Absturz der Immobilienpreise, steigende Kreditausfälle - ausreichend Kapital haben, um ihr Geschäft fortzuführen.
Auf Verbraucher übertragen könnte ein solcher Test so aussehen: Reichen Einnahmen, Ersparnisse oder Versicherungsschutz auch dann, wenn Auto und Waschmaschine gleichzeitig kaputtgehen, der Arbeitgeber pleitegeht und man erst im nächsten Jahr einen neuen Job findet? Oder auf Hausbesitzer gemünzt: Was wäre, wenn gleichzeitig der Blitz einschlägt, der Strom ausfällt, es einen Wasserrohrbruch gibt und Einbrecher in die eigenen vier Wände einsteigen?
Bei Banken sollen solche Tests Risiken in den Bilanzen der Institute offenlegen. Gegebenenfalls können Aufseher dann einzelnen Geldhäusern frühzeitig auftragen, ihre Kapitalpuffer zu verstärken, um sich besser für mögliche Rückschläge zu wappnen.
Wie viele Institute haben Europas Aufseher dieses Mal untersucht?
Im diesjährigen Test der europäischen Bankenaufsicht EBA mussten 50 Geldhäuser aus 15 Ländern durchrechnen, ob ihre Kapitalpuffer auch im Falle eines Krisenszenarios ausreichend wären. Die berücksichtigten Finanzinstitute stehen für rund 70 Prozent des Bankenmarktes in der Europäischen Union gemessen an den Vermögenswerten. 38 der 50 Institute sind Banken aus dem Euroraum, die zentral von der Europäischen Zentralbank (EZB) überwacht werden.
Parallel zu dem EBA-Test hat die EZB in einem nahezu identischen Stresstest für den Euroraum weitere 51 Banken unter die Lupe genommen, die sie direkt beaufsichtigt. Die EZB überwacht seit November 2014 die größten Banken und Bankengruppen im Euroraum, derzeit sind dies 114 Institute, die für fast 82 Prozent des Marktes im Währungsraum der 19 Länder stehen.
Welche Institute aus Deutschland waren bei den Tests dabei?
In dem EBA-Test mussten folgende sieben Institute aus Deutschland Daten liefern: Bayerische Landesbank (BayernLB), Commerzbank, Deutsche Bank, DZ Bank, Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) und Volkswagen Bank.
Dem EZB-Test mussten sich stellen: Der Immobilienfinanzierer Aareal Bank, das Sparkassen-Wertpapierhaus Dekabank, die Hamburger Sparkasse (Haspa) als Deutschlands größte Sparkasse, die Norddeutsche Landesbank (NordLB), die Deutsche Apotheker- und Ärztebank (apoBank), die MünchenerHyp, die aus der Landesbank der Länder Hamburg und Schleswig-Holstein hervorgegangene Hamburg Commercial Bank (HCOB), die aus der Pleitebank HRE hervorgegangene Deutsche Pfandbriefbank (pbb) sowie die Holding der Landesbank Berlin (LBB).
Was genau wurde geprüft?
Im Krisenszenario des EBA-Tests wurde unterstellt, dass sich die Corona-Krise massiv zuspitzt und die wirtschaftlichen Rückschläge infolge der Pandemie länger anhalten. Die Wirtschaft in der Europäischen Union würde in diesem Szenario in den drei Jahren bis 2023 kumuliert um 3,6 Prozent schrumpfen. Zugleich würde die Arbeitslosenquote um 4,7 Prozentpunkte steigen. Bei den Preisen für Häuser und Wohnungen (minus 16,1 Prozent) sowie Gewerbeimmobilien (minus 31,2 Prozent) wurde ein deutlicher Einbruch unterstellt. Zudem wurde von weiter fallenden Marktzinsen ausgegangen.
Welche Risiken in den hypothetischen Szenarien wie stark gewichtet werden, liegt letztlich in der Hand der Aufseher. Darum sind solche Tests und die Ableitungen daraus nicht unumstritten. Die Branche stellt sich bereits darauf ein, dass das Thema Klimarisiken in Bankbilanzen künftig größeres Gewicht in Stresstests bekommen wird.
Auf welchen Wert schauen die Aufseher besonders?
Entscheidend ist, dass Banken ausreichend hartes Kernkapital haben. Das ist Kapital, das im Fall von Verlusten uneingeschränkt zur Verfügung steht. Im aktuellen Test büßten die Institute nach EBA-Angaben im Krisenszenario insgesamt fast ein Drittel ihrer Kapitalpuffer ein. Dennoch bliebe der EU-Bankensektor insgesamt über einer Marke von 10 Prozent bei der harten Kernkapitalquote.
Die sieben deutschen Banken im EBA-Test landeten in Summe unter dem Durchschnitt und im Ländervergleich mit einer Kernkapitalquote von durchschnittlich 8,78 Prozent auf Platz 13 der 15 untersuchten Länder knapp vor Italien (8,60 Prozent) und Irland (8,44 Prozent). Den besten Wert erzielte mit 17,08 Prozent Norwegen, wobei aus dem Nicht-EU-Staat nur eine Bank von der EBA getestet wurde. Unter den EU-Staaten führen die schwedischen Banken mit einer durchschnittlichen Kernkapitalquote von 16,12 Prozent die Liste an.
Eine Mindestquote hatten die Aufseher auch dieses Mal nicht vorgegeben. Durchfallen konnten Banken bei den diesjährigen Stresstests also im Grunde nicht. Bei der italienischen Monte dei Paschi allerdings wurde im Stressszenario das komplette Eigenkapital aufgezehrt.
Die Ergebnisse fließen in den "SREP"-Prozess ("Supervisory Review and Evaluation Process") ein, in dem die Tragfähigkeit von Geschäftsmodellen und die Angemessenheit des Risikomanagements bewertet wird. Einzelnen Banken können die Aufseher auf dieser Basis auftragen, Kapitalpuffer zu stärken. (dpa/rs)