Use Case für SCM

Wie Track and Trace mit Blockchain funktioniert

06.12.2018 von Kai Baumann, Johanna Supe und Robert Bosch  IDG ExpertenNetzwerk
Blockchain-Technologie ermöglicht es, Daten und Informationen dezentral, transparent und für einen bestimmten Teilnehmerkreis zugänglich zu machen. Blockchain bietet sich sehr gut an, um viele Probleme im Supply Chain Management zu lösen.
  • Spätestens wenn ein Produkt das Unternehmen verlässt, weiß niemand mehr genau, wo es sich gerade befindet und was mit ihm passiert.
  • Das Problem der Nachverfolgung kann mit Blockchain-Technologie gelöst werden.
  • Ein Track & Trace Use Cases zeigt den Ablauf einer lückenlosen und sicheren Rückverfolgbarkeit.
  • Skalierbarkeit, Integration in die IT-Landschaft und Rechtsfragen bedeuten noch Hindernisse bei Blockchain-Projekten.
Die Blockchain-Industrie befindet sich noch in den frühen Entwicklungsstadien.
Foto: Andrey Suslov - shutterstock.com

Der Wandel im industriellen Sektor durch die fortschreitende Vernetzung von Kunden, Produkten und Wertschöpfungsketten, stellt Unternehmen vor starke Herausforderungen wie erhöhte Kundenerwartungen und Kostendruck in der Produktion und Logistik. Der Begriff Industrie 4.0 fasst die Digitalisierung und die damit verbundenen Aspekte der vernetzten Organisationen und Prozesse zusammen. Durch die immer stärker wachsende Verknüpfung der Beschaffungs- und Absatzmärkte, sind die Unternehmen - vorwiegend aus dem industriellen Sektor - dazu gezwungen, Kommunikationsnetzwerke auszubauen und ihre Supply Chain Prozesse zu optimieren.

Hintergrund ist der stetig wachsende Bedarf von Informationsflüssen, wie zum Beispiel die Verortung und der Zustand von Gütern, Zahlungsströme und Daten für die Realtime-Steuerung von Produktionsstätten und Materialflusssystemen. Neben den Themenfeldern in der Logsitik, wie Effizienz in der Materialsteuerung auf Basis autonomer Agenten und die Etablierung schnittstellenübergreifender Datensicherheit, liegt ein weiterer Fokus auf der Thematik Internet der Dinge (Internet of Things oder IoT). Die grundsätzliche Frage ist, wie Unternehmen Anforderungen der Digitalisierung und der damit einhergehenden wachsenden Zusammenarbeit effizient und sicher gerecht werden können.

Die Funktionsweise von Blockchain
Blockchain
Blockchain wird in den kommenden Jahren zur Schlüsseltechnologie in der IT werden.
(1) Transaktion
Die Transaktion ist die elementare Grundeinheit der Blockchain. Zwei Parteien tauschen Informationen miteinander aus. Dies kann der Transfer von Geld oder Vermögenswerten, der Abschluss eines Vertrags, eine Krankenakte oder eine Urkunde sein, die digital gespeichert wurde. Transaktionen funktionieren im Prinzip wie das Versenden von E-Mails.
(2) Verifizierung
Die Verifizierung prüft, ob eine Partei die entsprechenden Rechte für die Transaktion hat. Die Prüfung erfolgt augenblicklich oder es wird in eine Warteschlange geschrieben, die die Prüfung später durchführt. An dieser Stelle werden Knoten, also Computer oder Server im Netzwerk, eingebunden und die Transaktion verifiziert.
(3) Struktur
Die Transaktionen werden zu Blöcken zusammengefasst, wobei diese mit einer Hash-Funktion als Bit-Nummer verschlüsselt werden. Die Blöcke können durch die Zuweisung des Hash-Wertes eindeutig identifiziert werden. Ein Block enthält einen Header, eine Referenz auf den vorhergehenden Block und eine Gruppe von Transaktionen. Die Abfolge der verlinkten Hashes erzeugt eine sichere und unabhängige Kette.
(4) Validierung
Bevor die Blöcke erzeugt werden, müssen die Informationen validiert werden. Das am meisten verbreitete Konzept für die Validierung von Open-Source-Blockchains ist das „Proof of Work“-Prinzip. Dieses Verfahren stellt in der Regel die Lösung einer schweren mathematischen Aufgabe durch den Nutzer beziehungsweise dessen Computer dar.
(5) Blockchain Mining
Der Begriff Mining stammt aus der Bergbau und meint das „Schürfen“. Bei diesem Vorgang wird der Block erzeugt und gehasht. Um zum Zug zu kommen, müssen die Miner ein mathematisches Rätsel lösen. Wer als Erstes die Lösung hat, wird als Miner akzeptiert. Der Miner erhält für seine Arbeit ein Honorar in Form von Kryptowährung (Bitcoin).
(6) Die Kette
Nachdem die Blöcke validiert wurden und der Miner seine Arbeit verrichtet hat, werden die Kopien der Blöcke im Netzwerk an die Knoten verteilt. Jeder Knoten fügt den Block an der Kette in unveränderlicher und unmanipulierbarer Weise an.
(7) Verteidigung
Wenn ein unehrlicher Miner versucht, einen Block in der Kette zu ändern, so werden auch die Hash-Werte des Blockes und der nachfolgenden Blöcke geändert. Die anderen Knoten werden diese Manipulation erkennen und den Block von der Hauptkette ausschließen.

Im Supply Chain Management (SCM) werden alle beteiligten Parteien innerhalb der Wertschöpfungskette gesteuert, weshalb es eine zentrale Rolle im Unternehmen einnimmt. Durch die Verfügbarkeit von neuen technischen Möglichkeiten wie z. B. Hardwarelösungen (u. a. 3D-Printing und Smart Devices) entsteht jedoch auch ein erhöhter Innovationsdruck. Unternehmen verfolgen daher das Ziel, langfristig die effiziente Steuerung der gesamten Wertschöpfungskette technisch und prozessual abzubilden, um langfristig wettbewerbsfähig zu sein.

Der Wandel im Supply Chain Management

Im Rahmen des unternehmensinternen SCMs betreiben Unternehmen weltweit bereits computergestützte Enterprise-Resource-Planning- (ERP) und Supply-Chain-Management-Software. Von der vernetzten Fertigungsausrüstung über digitale Versandhinweise und Radio-Frequency Identification (RFID) Scans, können Produkte auf computergestützten Systemen von der Produktion bis hin zur Entsorgung verfolgt und Informationen entlang der Supply Chain ausgetauscht werden.

Doch trotz dieser enormen Investitionen in die digitale Infrastruktur, haben die meisten Unternehmen nur eingeschränkte Informationen darüber, wo sich ihre Produkte gerade nach dem Versand befinden und was mit ihnen passiert. Weiterhin gibt es in der Unternehmensinfrastruktur "analoge Lücken" zwischen den verschiedenen Systemen, in denen Daten vorgehalten werden. Die Produktionsschritte bzw. der Produktionsstatus können innerhalb des Unternehmens zwar digital nachverfolgt werden, sobald das Produkt aber das Unternehmen verlässt, wird die Nachverfolgung schwierig. Diese Information wäre aber insbesondere zur Vorbeugung von Betrugsfällen relevant, da es darum geht, dass die Ware während des Transportes nicht manipuliert wird.

Ein weiteres Problem besteht darin, dass unternehmensintern bereits vielfältige Datenquellen, Schnittstellen und IT-Systeme existieren, die aufwändig miteinander verbunden sind. Um zum Beispiel Alt-Systeme zu integrieren, sind manuelle Datenimporte und -exporte notwendig, aber mit steigender Komplexität und zunehmender Datenmenge nicht mehr praktikabel. Stetig kommen neue Datenquellen hinzu und der (gewollte) Datentransfer über Unternehmensgrenzen hinweg zwingt Unternehmen dazu neue individuelle Schnittstellen, für die in der Regel. nicht standardisierten Austauschbeziehungen, zu schaffen. Supply Chains sind keine eindimensionalen Lieferketten zwischen Original Equipment Manufacturer (OEM) und Lieferant, sondern große Ökosysteme, mit vielen möglichen Produktvarianten und vernetzten Zulieferern untereinander.

Die Blockchain-Technologie bietet sich an, um als mögliche Lösung für die oben genannten Veränderungen in Betracht zu kommen. Durch Blockchain ist es möglich, dass die Unternehmen und Zulieferer innerhalb des Supply Chain Netzwerkes wichtige Informationen untereinander teilen. Der Vorteil ist, dass ein zentraler Vermittler bei den Verhandlungen und der Vertragsabwicklung nicht mehr notwendig ist, da in der Blockchain alle Daten und Transaktionen im Supplier-Netzwerk synchronisiert und für jeden Teilnehmer zugänglich gemacht werden. Diese redundante Datenhaltung ist Grund dafür, dass die Blockchain-Technologie so sicher und zuverlässig ist. Gleichzeitig bietet diese Innovation einen strukturierten Lösungsansatz, um die Schnittstellenprobleme zu beheben.

Die Blockchain als Technologie der Zukunft

Blockchain Systeme weisen einen wesentlichen Unterschied zu bekannten (Online-)Plattformen auf. Proprietäre Plattformen gehören einem Intermediär, entsprechend speichern Nutzer dieser Plattform ihre Daten auf zentralen Servern eines externen Anbieters. Die Blockchain-Technologie ermöglicht es die Daten und Informationen dezentral, transparent und für einen bestimmten Teilnehmerkreis zugänglich zu machen.

Im Vergleich zu den herkömmlichen Datenbanken, werden Daten aus der Blockchain nicht auf einem einzelnen zentralen Server vorgehalten, sondern alle Teilnehmer des Netzwerks besitzen eine vollständige Kopie der kompletten Datensatzhistorie in ihrem lokalen Speicher. Man bezeichnet dies auch als replizierte und geteilte Datenbank (Distributed Ledger).

Um einen hohen Automatisierungsgrad in einer dezentralen Datenbank zu gewährleisten, sind Smart Contracts zu verwenden. Diese Programme sind definiert als ein "ein computergestütztes Transaktionsprotokoll, das die Bedingungen eines Vertrages ausführt". Im Rahmen der Blockchain sind Smart Contracts Skripte, die in der Blockchain gespeichert sind und ausgelöst werden, wenn eine automatisierte Transaktionen.

Das Skript wird unabhängig auf jedem Knoten im Netzwerk entsprechend der Daten, die in der auslösenden Transaktion enthalten sind, ausgeführt. Aufgrund der Kettenstruktur der Blockchain, kann jedem Smart Contract eine eindeutige Adresse zugewiesen werden.

Bei den Smart Contracts handelt es sich nicht um Verträge im rechtlichen Sinne, jedoch eröffnet sich durch das Konzept von Blockchain ein hohes Automatisierungspotenzial und das Anwendungsfeld erstreckt sich von der Logistik über den Handel bis hin zum IoT, indem beispielsweise intelligente Gegenstände ihre Nutzung selbstständig verhandeln und abrechnen könnten.

Track & Trace über Blockchain in der Logistik

Die Rückverfolgbarkeit von Materialien ist ein bekanntes Thema, das in den letzten Jahren weiter in den Vordergrund gerückt ist. Durch die Globalisierung hat die Anzahl der zu transportierenden Waren und Güter exponentiell zugenommen und somit die Komplexität globaler Lieferketten vervielfältigt, welche sich so zu einer der größten geschäftlichen Herausforderungen der Neuzeit entwickelt hat.

Die Blockchain, als dezentrales, verteiltes Netzwerk stellt eine legitime Lösung für die Supply Chain eines Unternehmens dar. Es werden alle Informationen über ein Produkt bzw. dessen Vorprodukt gleichermaßen gesammelt und eine Kopie all dieser Informationen bei jeder beteiligten Partei abgelegt. Die Informationen können über einen ganzen Produktlebenszyklus festgehalten werden und es entsteht ein gesicherter, verteilter Fluss zwischen den vormals entstandenen und noch zu entstehenden Informationen.

Ablauf eines Track & Trace Use Cases

Der Use Case Track & Trace Use Case (siehe Abbildung 1) soll gewährleisten, dass verifizierte Angaben über die Herkunft eines Produktes und der damit verbundenen Rückverfolgbarkeit der gesamten Lieferkette möglich und somit Manipulationen auszuschließen sind.

Abbildung 1: Ablauf eines Track & Trace Use Case in der Logistik.
Foto: BearingPoint

Um dies zu realisieren wird in dem obigen Anwendungsbeispiel zu jedem Auftrag ein neuer Block gebildet. In jedem dieser Blöcke werden die in diesem Schritt angefallen Fakten festgehalten, wie beispielsweise im ersten Block das voraussichtliche Lieferdatum, die Bestellnummer und möglicherweise der Harmonized System-Code als standardisierte Beschreibung der Ware bzw. des Produktes der Akteure. Die Kette wird dann für das jeweilige Produkt fortgeführt. Inhaltlich werden dort die gesamten Daten des jeweiligen Produktes und der Restriktionen wie u. a. Lieferdatum, Verpackungsbesonderheiten, Kunden-ID historisch aufgeführt. Der Aufbau eines Blocks kann sich aus unterschiedlich vielen Aufträgen zusammensetzen.

Nachdem dieser Auftrag durchgeführt wurde, wird ein weiterer Auftrag angestoßen. So wird bei dem nächsten Auftrag das Produktionsgut X weiterverarbeitet und die damit neu entstandenen Informationen wieder in einem Block festgehalten. Dabei handelt es sich insbesondere um das Certificate of Origin und die Chargennummer.

In anderen Anwendungsfällen können selbstverständlich auch andere Informationen entstehen bzw. festgehalten werden. Dabei wird ein erstes "Event", in Form eines Smart Contracts, angestoßen. Hierbei soll eine Prüfung von vordefinierten Kriterien zu einer automatisierten Zahlung eines möglicherweise fälligen Betrages führen. So wird dieser Vorgang für die nächsten Schritte wiederholt durchgeführt. Abgeschlossen werden dieser Auftrag und die Lieferkette mit der Bezahlung eines festgelegten Betrages, in Folge eines automatisierten Events.

Herausforderungen und Potenziale

Mit der Umsetzung eines solchen Anwendungsfalls entstehen verschiedenste Herausforderungen und Potenziale.

Herausforderungen

- Bereitschaft zur Beteiligung an einer separaten Datenkette

- Pflege und Organisation der Datenkette

- Komplexität und der damit verbundene Energiebedarf

Potenziale

- Stetige Transparenz für das gesamte Liefernetzwerk

- Aufbau von Vertrauen über technologische Sicherheit

- Realtime und autorisierte Lieferinformationen

Chancen und Stärken einer Implementierung von Blockchain

Hauptmerkmal von Blockchain ist die Dezentralität und damit die Unabhängigkeit von externen Dritten, die an Transkationen in der Regel beteiligt sind. Die Technik der (verteilten) Konsensbildung kann einen Intermediär bei der Prozessdurchführung und Authentifizierung ersetzen, weshalb Transaktionen schneller abgewickelt werden können.

Durch die Verschlüsselung und Zugriffsverwaltung ist der Schutz der Daten in der Blockchain gewährleistet und vor Manipulationen geschützt, da der individuell berechnete Hash-Wert eine nachträgliche Veränderung eindeutig sichtbar macht.

Risiken und Hindernisse bei der Blockchain-Technologie

Die Blockchain-Industrie befindet sich noch in den frühen Entwicklungsstadien und es gibt viele verschiedene Arten von internen und externen Restriktionen. Zum einen hat die Technologie an sich Schwachstellen, wie beispielsweise dass eine Blockchain nicht beliebig skalierbar ist. Mit jedem Block wächst die Blockchain und damit die Volumina der zu speichernden Daten.

Zusätzlich kann die Blockchain-Technologie nicht problemlos in die bestehende IT-Landschaft integriert werden, da sichergestellt werden muss, dass Software und Hardwarekomponenten einwandfrei zusammenspielen und die Endanwender die Technologie nutzen und akzeptieren.

Darüber hinaus sind rechtliche Fragestellungen, wie bspw. wem die Blockchain letztendlich gehört, Geldwäschevorschriften und Datenschutzthemen nicht abschließend geklärt.

Ausblick und Handlungsempfehlungen

Wichtig ist es, diese technologischen Herausforderungen für sich zu nutzen. Die Themenfelder Track & Trace werden eine entscheidende Rolle im Bereich der industriellen Produktion und in der Logistikbranche einnehmen. Daher erscheint der Einsatz der Blockchain-Technologie in diesen Segmenten sinnvoll.

Konkrete Handlungsfelder können sein: