Neue BPM-Lösung

Wie Vodafone mehr Geschäftskunden gewinnen will

03.07.2014 von Christoph Lixenfeld
CIO Christoph Böhm vergleicht die Prozesse mit Geschäftskunden wie mit einem Bauprojekt, im Gegensatz zum hochautomatisierten Privatkundengeschäft.

Wenn ein süddeutscher Lebensmittelhändler mit 700 Filialen seine Festnetz- und Mobiltelefonie neu aufstellen will, dann ist das für den Telko-Anbieter ein ganz und gar nicht profaner Job: Telefonanlagen müssen schnell und parallel geschaltet werden, Rufnummern portiert, das Zusammenspiel von Festnetz und Mobilgeräten getestet und vieles mehr. "Das ist kein automatisierter Prozess wie im Privatkundengeschäft", sagt Vodafone CIO Christoph Böhm, "sondern eher mit einem Bauprojekt vergleichbar."

Vodafone-CIO Dr. Christoph Böhm: "Die Prozesse im Geschäftskundengeschäft sind mit einem Bauprojekt vergleichbar."
Foto: Vodafone

Natürlich sind auch bei einem Bauprojekt möglichst standardisierte Prozesse hilfreich, aber es sind eben deutlich andere als bei der Integration eines neuen Privatkunden. In diesem Geschäftsbereich ist Vodafone traditionell stark, das Unternehmen erwirtschaftet fast 90 Prozent seines Festnetz-Umsatzes im Business to Consumer-Markt. Vodafone ist hier eine sehr starke Marke. Andererseits haben viele Geschäftskunden die Briten nicht als erste auf dem Zettel, wenn sie auf der Suche nach einem neuen Telko-Dienstleister sind. Das soll sich durch den angestoßenen Wandel ändern; Vodafone will den Geschäftskunden-Anteil im Festnetzgeschäft kurzfristig auf 20 Prozent erhöhen. Beim Mobilfunk liegt er bereits über über 40 Prozent.

Vodafone möchte Geschäftskundenanteil deutlich erhöhen

Vodafone möchte seinen Geschäftskundenanteil deutlich erhöhen, und das nicht erst seit jüngster Zeit: Bereits 2008 kaufte das Unternehmen zu diesem Zweck Arcor, damals Deutschlands zweitgrößter Festnetz-Anbieter. Doch trotz dieses Deals blieb die lange Tradition mächtig. Christoph Böhm: "Vodafone ist nicht nur in der Wahrnehmung vieler Menschen ein reines Mobilfunkunternehmen, auch unsere Infrastruktur war bis vor einigen Jahren auf produktorientiertes Privatkundengeschäft abgestellt."

Und das bedeutet, dass viele Prozesse automatisiert als Maschine-zu-Maschine-Kommunikation ablaufen. Stephan Zimmermann, Director Technology bei Vodafone: "Ein einfaches Beispiel für diese Art der Kommunikation liefert ein SAP-System. Es produziert eine Buchung, die anschließend von einer anderen Anwendung automatisiert weiterverarbeitet wird."

Es geht um die Mensch-Maschine-Kommunikation

Ein Kernproblem von Vodafone ist, dass das Unternehmen von vielen als reiner Mobilfunkanbieter wahrgenommen wird.
Foto: Harald Karcher

Bezüglich solcher Abläufe war Vodafone schon immer sehr gut aufgestellt. Doch für das Abwickeln von "Bauprojekten" mit Geschäftskunden genügt das nicht. Hier braucht es Systeme, die flexibel sind und auch die Mensch-zu-Maschine-Kommunikation optimal unterstützen. Um dieses Ziel zu erreichen, startete Vodafone unter dem Namen "Enterprise Excellence" eine Business-Initiative.

Stephan Zimmermann, der das Projekt leitete: "Wir haben einen Business Case entwickelt auf Basis eines Musterkunden. Der war zwar fiktiv, hatte aber natürlich eine ganze Reihe von Eigenschaften und Ansprüchen von Kunden, die wir kannten." Anschließend spielten die Verantwortlichen alle Phasen einer Customer Journey durch, vom Einbau und der Konfiguration einer neuen Telefonanlage bis zum Anschalten und ihrer reibungslosen Nutzung.

Auswahl des BPM-Anbieters

Damit war das Pflichtenheft für das Business Process Management des neuen Systems schon recht gut eingegrenzt. Die entscheidende Frage war dann, mit welchem Anbieter einer solchen Lösung man zusammenarbeiten wollte. Auf die Longlist kamen ca. ein halbes Dutzend Kandidaten. Bei der Auswahl spielte auch Gartners Magic Quadrant für BPM eine Rolle.

"Für uns war außerdem die Antwort auf die schlichte Frage wichtig, was genau wir mit einem Produkt alles machen können, wenn wir es optimal einsetzen", so Vodafone-CIO Christoph Böhm. "Außerdem wollten wir unbedingt die Möglichkeit haben, agil vorzugehen. Das bedeutet, einem neuen Kunden zunächst ein Paket mit den zentralen Funktionen anzubieten, diese zu entwickeln und zu testen. Und erst danach die nächsten Schritte zu gehen."

Die Vorteile der neuen Plattform auf einen Blick:

Für Vodafone:

* Steuerung des Projekt-Managements für komplexe und diverse Orders für Geschäftskunden
* End-2-End-Sicht
* Volle Transparenz und Einhaltung von SLAs
* Vereinfachung der Arbeitsabläufe für die betroffenen Mitarbeiter
* Prozessuale Verbindung der Kernsysteme
* Unterstützung mit automatischen Prozessen und Case Management
* Steigerung der Kundenzufriedenheit

Für den Kunden:

* Volle Transparenz beim Order Status oder bei Service Requests
* Schnellere Bearbeitung der Vorgänge
* Steigerung der Produktivität

Standardisierung und Flexibilität

Die Lösung von Pegasystems ermöglicht einen solch agilen Prozess, und das war auch ein Grund, warum sich Vodafone schließlich für diesen Anbieter entschied. Das über dreißig Jahre alte Unternehmen aus Cambridge, Massachusetts mit mehr als 2500 Mitarbeitern entwickelt neben BPM auch CRM-Lösungen. Christoph Böhm: "Pegasystems lieferte uns zunächst ein Branchenübliches Modell. Diese Standardlösung war dann als Diskussionsgrundlage eine sehr gute Basis für weitere Anpassungen."

Die waren allerdings auch Notwendig, weil Vodafone im Enterprise Umfeld, um das es hier geht, einige Prozesses als erstes systematisiert und standardisiert hatte. Stephan Zimmermann, Director Technology bei Vodafone: "Zum Beispiel haben wir den Beauftragungsprozess bei neuen Festnetz-Businesskunden in einzelne, auf einander abgestimmte Schritte gegliedert. Dieses Vorgehen ähnelt dem Herstellungsprozess in einer Fabrik."

Harte Schnitte sind nicht zielführend

Vodafone will nicht ein Produkt für den Kunden customizen, damit es bestimmte Funktionen enthält - und auf diese beschränkt bleibt. Sondern das Ausliefern des Produkts ist ein Prozess, der zergliedert ist agil abläuft, damit er schrittweise alle Kundenanforderungen optimal erfüllen kann. Die Entwicklung jedes Produkts dauert sechs Wochen, für Implementierung und Testing kommen noch einmal sechs Wochen hinzu. Insgesamt ergeben sich daraus vier Produktionszyklen pro Jahr.

Stephan Zimmermann: "Natürlich kann das Ganze im Einzelfall auch Länger dauern, vor allem wenn aufwändig vorhandene Kundendaten ins neue System migriert werden müssen. Technisch könnte man den Vorgang mit einem harten Schnitt zwar abkürzen. Aber dann müsste der Kunde seine erlernten Routinen sehr plötzlich ändern, und das führt oft zu einer Überforderung, die wir nicht wollen."

Die Entwicklung übernimmt Vodafone selbst mit einem Team von ca. 150 Leuten, die Hälfte davon sitzt in Indien. Einrichten und Testen erledigen dann externe Partner, bevor die Implementierung eines neuen Systems wieder in Eigenregie passiert.

Das Projekt auf einen Blick

Branche: ITK (Telekommunikation und IT)
Zeitrahmen: mehr als zwei Jahre
Mitarbeiter: mehr als 100 Mitarbeiter
Aufwand: zweistelliger Millionenbetrag
Produkte: Pega BPM und die entsprechenden Frameworks
Dienstleister: Pegasystems GmbH
Einsatzort: Deutschland
Internet: www.vodafone.de/business

Eine Plattform mit fertigen Gewerken

Vor zwei Jahren fing die Entwicklung der neuen Plattform an, sämtliche Neukunden laufen mittlerweile darauf. Christoph Böhm: "Außerdem migrieren wir alle signifikanten Änderungen bei Bestandskunden auf das neue System, so dass mittlerweile 80 Prozent aller Neukunden darauf laufen."

Wert legt der Vodafone-CIO auf die Feststellung, dass agile Entwicklung nicht bedeutet, einem permanenten Provisorium ausgesetzt zu sein: "Es handelt sich um eine Produktionsplattform, die aus mehreren fertigen Gewerken besteht."

Bei uns wurde diese Produktionsplattform als erstes eingeführt, weil Deutschland für Vodafone der wichtigste Markt weltweit ist, und die Ansprüche deutscher Geschäftskunden auch international Standards setzten. Mittelfristig wird Vodafone die Plattform in ganz Europa ausrollen. Außerdem sind weitere gemeinsame Projekte mit Pegasystems im Enterprise-Umfeld geplant, die sich vor allem um den Angebotsprozesses und um die Gesamtsicht auf den Kunden drehen. Christoph Böhm: "Welche Funktionen diese Projekte genau beinhalten werden, weiß ich noch gar nicht. Es handelt sich eben um einen agilen Prozess: Das Ergebnis hängt maßgeblich von den Wünschen der Kunden ab."