Bevor die neue Windows-Version auf unseren Rechner landet, muss sie sie natürlich erst einmal aus dem Englischen übersetzt werden. Unsere Schwesterpublikation PC-Welt hat deswegen mit Jürgen Schwertl, Technical Lead Program Manager, gesprochen. Er verantwortet die Übersetzung ins Deutsche und gibt einen Einblick in die Herausforderungen dabei.
Wie viel Text steckt eigentlich in so einem Windows 7?
Jürgen Schwertl: Windows 7 selbst mit all seinen Dialogboxen, Beschriftungen und Meldungen umfasst zirka 900.000 Wörter. Das entspricht in etwa der Länge von 12 Romanen. Dazu kommen dann noch die Hilfetexte, die noch einmal fast 900.000 Wörter umfassen.
Wer entscheidet letztendlich, welcher deutscher Begriff für eine englische Funktion gewählt wird?
Jürgen Schwertl: Die Bestimmung der Terminologie erfolgt in enger Zusammenarbeit zwischen Terminologen als Sprachspezialisten, dem Programm-Manager, der die Produktentwicklung technisch betreut, sowie dem Produkt-Manager aus Vermarktungssicht. Dabei spielen eine Reihe von Überlegungen eine grundsätzliche Rolle wie beispielsweise die Konsistenz der Übersetzung mit weiteren Microsoft-Produkten sowie zu anderen Software-Produkten am Markt, bereits etablierte deutsche Bezeichnungen oder Fachbegriffe, Verständlichkeit für den Nutzer usw.
Können Sie das am Beispiel "Action Center" erläutern?
Jürgen Schwertl: Beim "Action Center" hatten wir uns bereits in Windows Vista grundsätzlich dazu entschieden, die unterschiedlichen "...-Center" statt dem deutschen "...-Zentrum" als "...-Center" zu belassen, die jeweilige Bezeichnung zur besseren Verständlichkeit jedoch zu übersetzen woraus beispielsweise "Sicherheitscenter" entstand. Das daraus abgeleitete "Aktionscenter" stellt aber keine schlüssige Verbindung zur Funktionalität her. Aus diesem Grund haben wir eine neue Bezeichnung gesucht, aus der auch die Funktion ersichtlich wird. Da in dieser Komponente klassische Wartungsaufgaben angezeigt werden, haben wir uns letztendlich für die Übersetzung "Wartungscenter" entschieden.
Teil 2: Übersetzung-Team, Bedeutung der deutschen Version & Rechtschreibreform
Wie groß ist das Windows7-Übersetzerteam? Sitzt es in München und/oder in Redmond? Können Sie Vergleiche mit den Teams für die Übersetzungen in andere Sprachen ziehen?
Jürgen Schwertl: Das klassische Übersetzerteam gab es bei Windows 7 nicht mehr. Zwischenzeitlich dürften an der deutschen Übersetzung zwar bis zu 40 Kollegen gearbeitet haben, der Großteil der Übersetzungsarbeit wurde aber von externen Dienstleistern entsprechend unserer Vorgaben übernommen. Daneben waren mehrere Teams innerhalb von Microsoft, verteilt auf Redmond und München, mit der Bestimmung der Terminologie, dem Projekt-Management, Qualitätssicherungsmaßnahmen rund um die Lokalisierung sowie mit den lokalspezifischen Anpassungen betraut.
Welche Bedeutung hat Deutsch bei der Entwicklung eines neuen Windows?
Jürgen Schwertl: Deutsch zusammen mit Japanisch und Arabisch als bidirektionale Sprache hatten eine Sonderstellung, da diese sogenannten Pilotsprachen die Übersetzbarkeit des Betriebsystems testen. Aus diesem Grund wurde bereits die Beta-Version von Windows 7 in der jeweiligen Sprache den Beta-Testern zur Verfügung gestellt.
Wird auf Vorlieben einzelner Untergruppen geachtet, also etwa die Gebräuchlichkeit von Begriffen in Deutschland, Bayern, Österreich, Deutschschweiz? Wenn ja, wo kann man das sehen?
Jürgen Schwertl: Wir achten immer stärker darauf, dass sich jede sprachliche und kulturelle Gruppierung in unseren Produkten wiederfindet.
In Windows 7 ist die deutschsprachige Version sehr einheitlich gehalten, damit sie für den gesamten deutschsprachigen Raum Anwendung findet. Da zum Beispiel das in Deutschland gebräuchliche "Handy" in der Schweiz als "Natel" bezeichnet wird, findet man in Windows das allgemeinverständliche "Mobiltelefon". In regionsspezifischen Einstellungen gehen wir dagegen auf lokale Gepflogenheiten ein. Dort findet sich dann für Österreich auch der "Jänner" als Monat, während in Deutschland der "Januar" angezeigt wird.
Daneben haben wir auch Wert darauf gelegt, dass deutschsprachige Nutzer mit gewohnter Höflichkeit angesprochen und möglichst mit "bitte" zu Aktionen aufgefordert werden. Die englische Vorlage ist da bisweilen etwas knapper.
Die verunglückte Rechtschreibreform ist immer noch nicht ausgestanden: Zur Zeit widersprechen sich etwa der aktuelle Duden und der Wahrig an vielen Stellen, obwohl sie aus dem gleichen Verlag stammen, es gibt massenhaft "sowohl als auch"-Möglichkeiten. Welche Schreibung benutzt Microsoft im Zweifelsfalle?
Jürgen Schwertl: Unser Style Guide orientiert sich am Duden in der jeweiligen Fassung. Allerdings werden ja nicht bei jeder neuen Produktversion alle Texte komplett neu geschrieben. Stattdessen werden häufig auch vorhandene Übersetzungen wiederverwendet, wenn sich die englische Vorlage nicht geändert hat. Zudem ist Sprache auch dynamisch und wir können Anpassungen erst nachträglich zum Beispiel via Service Pack liefern. So kann es uns leider gelegentlich passieren, dass unsere Schreibweise nicht genau den formalen Vorgaben der Rechtschreibung entspricht. Natürlich versuchen wir aber, dieses Problem so klein wie möglich zu halten.
Teil 3: Deutsch Pilotsprache, fleißige Beta-Tester & Upgrade
In welcher Phase eines Produkts (ex: neue Windows-Version) wird der Übersetzungsprozess gestartet?
Jürgen Schwertl: Wir beginnen mit der Lokalisierung bei den Pilotsprachen weit vor der Beta-Version, um die Übersetzbarkeit des Produktes zu gewährleisten. Für alle anderen Sprachen beginnt die Lokalisierung sobald die Benutzeroberfläche größtenteils fest steht, meist zwischen Beta und Release Candidate, da in Anbetracht der Menge an Texten die Übersetzung einige Zeit in Anspruch nimmt. Mögliche Änderungen und Erweiterungen lassen sich dabei bis zu einem gewissen Grad auch noch kurz vor Produktfertigstellung einpflegen, wobei zum Ende hin sehr genau geprüft wird, ob eine Änderung an einer Stelle möglicherweise nicht andere Probleme hervorrufen könnte.
Gibt es Feedback von den Benutzern zum Thema Übersetzungen und wie gehen Sie auf dieses ein?
Jürgen Schwertl: Windows 7 ist von zahlreichen Beta-Testern auf Punkt und Komma geprüft worden. Allein von den Testern der deutschen Beta-Version haben wir über 700 Hinweise auf Übersetzungs- und Darstellungsfehler sowie sprachliche Unstimmigkeiten erhalten. Zusammen mit dem Linguistic Audit mit deutschen Sprachspezialisten sowie einem firmeninternen Language Quality Game, bei dem Mitarbeiter Screenshots aus Windows 7 beurteilen konnten, wurden insgesamt fast 4000 Problemberichte erstellt, die alle einzeln geprüft und soweit möglich auch korrigiert wurden.
Wieso ist es nicht möglich, Windows Vista/XP mittels einem englischsprachigen Windows 7 upzugraden?
Jürgen Schwertl: Upgrades zwischen unterschiedlichen Sprachen sind leider nicht möglich, da die dazu notwendige Testmatrix jeden Rahmen sprengen würde. Wir müssten dazu die bereits vorhandene Vielzahl an Upgrade-Tests für unterschiedliche Hardware- und Software-Kombinationen für jede einzelne Sprachkombination gesondert durchführen. Bei 36 vollständig lokalisierten Sprachversionen also über 1200 Mal.
Teil 4: Über Sprunglisten und die Wahl der Deutschland-Wallpaper
Gab es in Windows 7 einen Fall/mehrere Fälle, in dem/denen man sich dafür entschieden hat, einer Funktion keine deutsche Bezeichnung zu geben? Wenn ja: Warum? Mir fällt beispielsweise "Jump Lists" ein - oder gibt es hierfür eine deutsche Bezeichnung?
Jürgen Schwertl: Sie beziehen sich hier auf die Beta-Version. Denn in der finalen Version von Windows 7 haben wir uns kurz vor Torschluss nach längerer Diskussion noch auf "Sprunglisten" geeinigt. Wir versuchen englische Bezeichnungen weitestgehend zu vermeiden, ist die Bezeichnung zum Beispiel zur Anmeldung als Warenzeichen vorgesehen, sind uns allerdings die Hände gebunden.
In anderen Fällen haben sich Anglizismen bereits im allgemeinen Sprachgebrauch etabliert und heutzutage weiß jeder was ein "Popup-Blocker" ist und dass man Dateien aus dem "Internet" "downloaden" kann. Bei Letzterem haben wir lange Zeit sogar noch am deutschen "Herunterladen" festgehalten, folgen nun aber ebenfalls dem sprachlichen Trend. In den meisten Fällen ist es aber eine Gratwanderung hinsichtlich der Verständlichkeit des Begriffes für die gesamte Bandbreite der Endanwender, von der Großmutter bis hin zum Administrator. So ist beispielsweise die in Windows NT noch als "Subnetzmaske" bezeichnete TCP/IP-Protokolleinstellung mittlerweile der "Subnetmask" gewichen, da hauptsächlich Netzwerkadministratoren diese zu Gesicht bekommen werden.
Wer hat für die deutschsprachige Version von Windows 7 die Wallpaper ausgesucht? Und woher stammen diese Bilder?
Jürgen Schwertl: Microsoft Deutschland hat einen intern einen Aufruf gestartet, bei dem die Mitarbeiter selbst Vorschläge für Hintergrundbilder einreichen konnten. Gesucht wurden dabei Motive aus Deutschland, die einem eng gefassten Kriterienkatalog entsprechen mussten. So durften keine Personen erkennbar sein, Icons auf dem Bildschirm mussten weiterhin lesbar bleiben, Qualität und Auflösung mussten HD-Anforderungen genügen usw.
Um unterrepräsentierte Regionen auszugleichen, haben wir daneben auch auf Material von professionellen Anbietern zurückgegriffen. Im Anschluss wurden unternehmensintern die beliebtesten Bilder gewählt und daraus mehrere Desktop-Designs erstellt. Die Ergebnisse sehen Sie demnächst im neuen Windows 7 sowie in einem weiteren Desktop-Design mit zusätzlichen Hintergrundbildern aus Deutschland auf Windows Online zum Download.
Weitere Fakten rund um die deutsche Version von Windows 7
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Deutschland war für die lokalisierte Version von Windows 7 ein Pilotland, weil die Dialogboxen für Deutsch besonders lang sind. Deutsch wurde deshalb verwendet, um Code-Fehler zu finden.
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Das Glossar ist in der Microsoft Language Community im Web festgelegt worden.
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Es gibt insgesamt 108 Sprachversionen - 36 davon vollständig lokalisiert
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Es gab zahlreiche an Minderheiten wie z.B. Sorben, Reto-Romanisch (u.a. Tastatureingabemaske, Datum, Uhrzeit), 500 Regionsoptionen wie z.B. Inuktitut. Hier werden nur zu 20 Prozent lokalisiert.
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In einem Review-Prozess wurden in den letzten 4 Wochen per Hand noch Änderungen vorgenommen und der Input der Beta-Tester umgesetzt.
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Ca. 20% der Texte wurden aus Vista (Service Pack 1) übernommen, teilweise ganze Texte oder Bruchstücke, besonders Terminologie.
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Windows 7 enthält mehr Texte (Erklärungen, Links) als jede andere Windows-Version.
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Hilfetexte werden zuletzt übersetzt, um aktuelle Screenshots einfügen zu können.
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Eigenarten der Deutschen wurden integriert, beispielsweise Wird höflich mit “bitte” um Aktionen gebeten.
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Die Beta-Tester in Deutschland haben ca 700 Lokalisierungsfehler gefunden und bei Microsoft gemeldet.
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Die Produktaktivierung von Windows Media Player wurde so gestaltet, dass sie (wie bei Windows Vista) dem deutschem Datenschutzgesetz genügt (in Kooperation mit dem TÜV)
Das Interview führte PC-Welt-Redakteur Panagiotis Kolokythas.